Normen
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I (Abweisung des Asylantrages) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- (EUR 908,41) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, betrat am 23. Dezember 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und beantragte am 27. Dezember 1996 Asyl.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 2. Jänner 1997 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, am
12. oder 13. August 1996 sei ihm von der "Islamischen Kommission" des Landwirtschaftsamtes, wo er beschäftigt gewesen sei, vorgeworfen worden, dass er mit einem ungläubigen Christen (einem Kraftfahrzeugmeister armenischer Volkszugehörigkeit) Kontakt habe. Er habe der Kommission erklärt, zum christlichen Glauben übertreten zu wollen. Als er aber erfahren habe, dass man ihn als "Abtrünnigen" umbringen könne, habe er von dem Vorhaben, Christ zu werden, Abstand genommen. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub sei er mit dem Vorwurf, Propaganda gegen den Islam zu betreiben und sich gegen die islamische Ordnung verschworen zu haben, am 2. September 1996 aus dem Landwirtschaftsamt entlassen worden. 14 Tage später sei er von drei Zivilisten verhaftet, 15 Tage lang festgehalten und etwa 10 bis 12 mal verhört worden. Bei jedem Verhör sei er zusammengeschlagen worden. Nach seiner Freilassung habe er für den 14. November 1996 eine Ladung des islamischen Revolutionsgerichts in Ahvaz bekommen. Darauf sei er - ohne dieser Ladung Folge zu leisten - nach Österreich geflüchtet.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 1991 ab.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer insbesondere gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und legte Schriftstücke vor, die dem Vater des Beschwerdeführers durch die Polizei gebracht worden seien und die die vor dem Bundesasylamt getätigten Aussagen untermauerten.
Nach einem von der belangten Behörde eingeholten Bericht der österreichischen Botschaft Teheran vom 17. Juni 1998 handle es sich bei dem vorgelegten Entlassungsschreiben aus dem Landwirtschaftsamt (Beilage C) um ein echtes Dokument. Bei den anderen Dokumenten (Ladungen zum islamischen Revolutionsgericht in Ahvaz vom 10. November 1996 bzw. 10. Dezember 1996 sowie Haftbefehl vom Landesgericht für Khuzestan, Revolutionsgericht Ahvaz, vom 23. Dezember 1996) handle es sich offensichtlich um Fälschungen.
Mit Schreiben vom 13. Juli 1998 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Ergebnisse der Überprüfung der von ihm vorgelegten Urkunden mit. Der Beschwerdeführer machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit, binnen zwei Wochen zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch.
Mit Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde gemäß § 7 AsylG die Berufung sowie den Antrag auf "Erteilung einer Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gem. § 19 Abs. 4 AsylG" ab.
Sie hob hervor, die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren vorgelegten Dokumente seien Fälschungen. Der Beschwerdeführer habe von der ihm eingeräumten Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Sie traf folgende Feststellungen:
"Der Asylwerber ist iranischer Staatangehöriger und am 23.12.1996 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Er gehörte in seinem Heimatland keiner politischen Partei an und war auch nicht politisch tätig. Von 1989 bis September 1996 war er als Kraftfahrzeugmechaniker beim Landwirtschaftsamt in Ahvaz tätig. Am
12. oder 13.8.1996 ist dem Asylwerber im Rahmen einer Kontrolle des Betriebes durch die islamische Kommission vorgeworfen worden, Kontakt zu einem Christen, und zwar dem KFZ-Meister des Betriebes, zu haben. Dabei kam es zu leichten Handgreiflichkeiten. Am nächsten Tag musste sich der Asylwerber bei der islamischen Kommission in Ahvaz melden, wo man ihn nochmals über die Auseinandersetzung am Tag zuvor befragte. Anschließend nahm sich der Asylwerber eine Woche Urlaub. Nach seiner Rückkehr erklärte man ihm, dass er suspendiert ist. Am 2.9.1996 hat er dann ein Entlassungsschreiben erhalten, mit dem Inhalt, dass er wegen Propaganda gegen die heilige Religion des Islam und Anstiftung zur Aufruhr gegen die heilige Ordnung sowie Auseinandersetzung mit den gläubigen Kräften und Hesbollah dieser Organisation entlassen werde. 14 Tage später wurde der Asylwerber für 15 Tage festgenommen, zu den Vorwürfen im Entlassungsschreiben verhört und misshandelt. Nach 15 Tagen durfte der Asylwerber wieder nach Hause gehen, musste jedoch jederzeit erreichbar sein. Bis zu seiner Ausreise aus dem Iran war er keinen asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt."
Diese Feststellungen seien - so die belangte Behörde - auf Grund des glaubwürdigen Vorbringens des Beschwerdeführers getroffen worden. Nicht hingegen habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer Ladungen des islamischen Revolutionsgerichtes erhalten habe bzw. dass gegen ihn ein Haftbefehl ausgestellt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die kurzfristige Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht die für eine Asylgewährung erforderliche Intensität der Verfolgung aufweise. Nach der Entlassung aus der Haft habe der Beschwerdeführer bis zu seiner Flucht noch weitere drei Monate unbehelligt im Iran gelebt. Ihm drohe daher keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Gegen diesen Bescheid - den Beschwerdeausführungen zu Folge nur gegen den Spruchpunkt I - richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe im Berufungsverfahren vorgebracht, dass er vom Landwirtschaftsministerium entlassen worden sei. Der Haftbefehl bzw. die Ladungen des Revolutionsgerichtes zeigten, dass entsprechende Verfolgungshandlungen durchgeführt worden seien. Die belangte Behörde habe die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass er für 15 Tage festgenommen worden sei und ihm in einem Entlassungsschreibung der Vorwurf gemacht worden sei, dass er "Propaganda gegen die heilige Religion des Islam und Anstiftung zum Aufruhr gegen die heilige Ordnung" zu verantworten habe. Die bezeichneten Urkunden seien echt. Die belangte Behörde sei ihren Ermittlungspflichten gemäß § 28 AsylG nicht nachgekommen.
Der zuletzt aufgezeigte Mangel führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Die belangte Behörde hat - ebenso wie offenbar schon die Behörde erster Instanz - den Angaben des Beschwerdeführers insbesondere über die Gründe seiner Entlassung aus dem Landwirtschaftsamt Glauben geschenkt. Im Berufungsverfahren hat der Beschwerdeführer unter Vorlage der oben genannten Dokumente ein neues Vorbringen über bereits erfolge Ladungen durch das Revolutionsgericht bzw. die Ausstellung eines gegen ihn gerichteten Haftbefehles erstattet.
Bei dieser Sachlage war es der belangten Behörde von vornherein verwehrt, von der Durchführung der im Gesetz vorgeschriebenen Berufungsverhandlung gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (wegen "geklärten" Sachverhaltes) abzusehen. Aus dem unmissverständlichen Text der genannten Gesetzesstelle ist zu ersehen, dass das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung nur dann erfolgen darf, wenn der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308). Werden nach der Erhebung der Berufung im Berufungsverfahren von der Berufungsbehörde Sachverhaltsermittlungen durchgeführt, so hat die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn sie gestützt auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hinausgehend zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen treffen will (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0567, u.a.). Diesem Erfordernis kann nicht dadurch entsprochen werden, dass dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu Ermittlungsergebnissen eingeräumt wird (vgl. die Erkenntnisse vom 23. März 2000, Zl. 99/20/0002, und vom 8. Juni 2000, 98/20/0490).
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 leg. cit. VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Damit ist auch in Bezug auf den Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides eine neue Sachlage eingetreten.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2001
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