VwGH 95/13/0259

VwGH95/13/025931.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des K G in W, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. September 1995, Zl GA 7-1204/16/95, betreffend Aufhebung eines Bescheides in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs 2 BAO hinsichtlich Wiederaufnahme eines Haftungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §299;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §299;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs 2 BAO einen Bescheid des Finanzamtes vom 10. Juli 1995 auf, mit welchem eine auf § 303 Abs 4 BAO gestützte Wiederaufnahme eines Haftungsverfahrens verfügt worden war. Die Wiederaufnahme des Verfahrens war damit begründet worden, dass "Tatsachen hervorgekommen" seien, aus denen erkennbar gewesen sei, dass die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenverbindlichkeiten infolge Eintrittes der Verjährung gemäß § 238 BAO zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides am 20. April 1995 (gemeint: 1994) nicht mehr Gegenstand von Einhebungsmaßnahmen hätten sein dürfen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der "fragliche Haftungsbescheid" zur Gänze aufzuheben und die Haftungsschuld mit Null festzusetzen sei.

Der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen war eine Anregung einer diesbezüglichen Maßnahme des Beschwerdeführers vom 9. Jänner 1995 vorangegangen, in welcher neben dem Hinweis, dass die gegen den Haftungsbescheid erhobene Berufung als verspätet zurückgewiesen worden sei, insbesondere ausgeführt worden war, dass gegen den Beschwerdeführer keinerlei Verfolgungsmaßnahmen gesetzt worden seien. Sämtliche "Verwaltungsschritte" seien gegen die GmbH erfolgt, hinsichtlich deren Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden war. Angesichts der zum Teil bis ins Jahr 1980 zurückreichenden Steuerschuld müsse unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwischenzeitig 14 Jahre verstrichen seien, bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sein. Weiteres Vorbringen bezog sich auf behauptete, von der Behörde nicht berücksichtigte, die Abgabenverbindlichkeiten mindernde Überweisungen.

Im angefochtenen Bescheid wurde nach Wiedergabe des § 303 Abs 4 BAO begründend ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren nicht aktenmäßig erkennbar sei, dass der Abgabenbehörde nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht worden seien, von denen sie nicht schon Kenntnis gehabt habe. Werde - wie im gegenständlichen Fall - ein bekannt gewesener Sachverhalt andersartig beurteilt, so rechtfertige dies keinen behördlichen Eingriff in die Rechtskraft eines Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid gemäß § 299 Abs 1 BAO von der Oberbehörde aufgehoben werden,

a) wenn er von einer unzuständigen Behörde, von einem hiezu nicht berufenen Organ oder von einem nicht richtig zusammengesetzten Kollegialorgan einer Behörde erlassen wurde, oder

b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.

Nach § 299 Abs 2 BAO kann ein Bescheid ferner von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Bestimmung des § 299 BAO bereits wiederholt ausgesprochen hat, kommt es bei der Überprüfung eines Aufhebungsbescheides nur darauf an, ob die belangte Behörde überhaupt berechtigt gewesen ist, einen solchen im Aufsichtsweg zu erlassen oder nicht, weil nicht erkannt werden kann, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht eine beschwerdeführende Partei dadurch verletzt worden sein soll, dass der Aufhebungstatbestand statt richtig auf § 299 Abs 1 BAO auf § 299 Abs 2 BAO oder umgekehrt und statt auf die richtige litera des Abs 1 dieser Gesetzesstelle auf eine andere gestützt wurde; ob die Aufsichtsbehörde eine dem aufgehobenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit dem Aufhebungsgrund nach § 299 Abs 1 lit b oder c BAO oder jenem nach § 299 Abs 2 BAO zu unterstellen hatte, ist für die Beurteilung einer durch einen Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO dem Adressaten des aufgehobenen Bescheides widerfahrene Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte irrelevant (vgl das hg Erkenntnis vom 2. August 2000, 98/13/0218).

Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig: Nach der Begründung des mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobenen Bescheides erfolgte die Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens zwar - wie dargestellt -, weil "Tatsachen hervorgekommen" seien, aus denen erkennbar gewesen sei, dass die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenverbindlichkeiten infolge Eintrittes der Verjährung gemäß § 238 BAO zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides am "20. April 1995" nicht mehr Gegenstand von Einhebungsmaßnahmen hätten sein dürfen. Das Finanzamt führte aber in keiner Weise aus, worin diese "hervorgekommenen Tatsachen" bestehen. Schon darin liegt ein Begründungsmangel, welcher die belangte Behörde im Fall seiner Wesentlichkeit zur Aufhebung des Bescheides berechtigte. Ob dies der Fall ist, kann aber aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben:

In der Beschwerde wird behauptet, nach dem Aktenstand sei nicht beurteilbar gewesen, ob und wann Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien, sodass die Frage der Verjährung gar nicht abschließend hätte gelöst werden können. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass in seiner Anregung vom 9. Jänner 1995 (auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens) entsprechende "neue Tatsachen" bekannt gemacht worden seien. Dies trifft aber deswegen nicht zu, weil in der angesprochenen Anregung lediglich darauf hingewiesen worden war, dass vor Erlassung des Haftungsbescheides gegen den Beschwerdeführer keinerlei Verfolgungsmaßnahmen gesetzt worden seien, womit der Beschwerdeführer die Vermutung verband, dass bereits "Verfolgungsverjährung eingetreten sein müsste". Gleichzeitig räumte der Beschwerdeführer aber ein, dass sämtliche "Verwaltungsschritte" gegen die GmbH, für deren Abgabenverbindlichkeiten er zur Haftung herangezogen worden war, gesetzt worden seien.

Die Zulässigkeit der Erlassung eines Haftungsbescheides ist verjährungsrechtlich im Lichte der Bestimmung des § 238 Abs 1 BAO aber ausschließlich daran zu messen ist, ob Einhebungsmaßnahmen innerhalb der im § 238 Abs 1 BAO geregelten, allenfalls durch - gegen wen immer "gerichtete" - Amtshandlungen im Sinne des § 238 Abs 2 BAO unterbrochenen Einhebungsfrist gesetzt worden sind (vgl das hg Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037). Der Tatsache, dass gegen den Beschwerdeführer selbst keine Maßnahmen im Sinne des § 238 Abs 2 BAO gesetzt worden sind, kommt daher schon deshalb keine dahin gehende Bedeutung zu, dass durch sein Vorbringen eine Tatsache neu hervorgekommen wäre, deren Kenntnis im Sinn des § 303 Abs 1 letzter Halbsatz BAO allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Damit erweist sich die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides aber jedenfalls aus dem Grund des § 299 Abs 2 BAO als gerechtfertigt, weil der Wiederaufnahmebescheid aus den angeführten Gründen auf keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund gestützt worden war. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, weshalb das entsprechende Vorbringen des Unterbleibens einer von der Behörde gesetzten Unterbrechungshandlung (gegen den Beschwerdeführer selbst) für diese neu hervorgekommen sein soll.

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Judikatur, wonach im Ergebnis Unterbrechungshandlungen gegenüber dem primären Abgabenschuldner auch gegenüber dem potenziell Haftungspflichtigen wirken, kann schließlich auch der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, dass mit dem aufgehobenen Wiederaufnahmebescheid auf Grund gegebener Verjährung der materiell richtige Zustand hergestellt worden wäre, nicht geteilt werden, zumal der Beschwerdeführer weder in seiner Anregung vom 9. Jänner 1995, das Haftungsverfahren von Amts wegen wiederaufzunehmen, noch in der Beschwerde behauptet hat, dass gegenüber der GmbH, für deren Abgabenverbindlichkeiten er zur Haftung herangezogen worden war, Amtshandlungen, welche die Verjährung fälliger Abgaben im Sinne des § 238 Abs 1 BAO unterbrachen, nicht gesetzt worden wären und daher das Fehlen solcher Handlungen (gegenüber der GmbH) der Erlassung eines Haftungsbescheides entgegenstanden.

Soweit die Beschwerde - wie schon die Anregung vom 9. Jänner 1995 - auch behaupteterweise erfolgte, die Abgabenverbindlichkeiten der GmbH vermindernde Überweisungen erwähnt, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, mit welchem der ausschließlich auf neu hervorgekommene Tatsachen im Zusammenhang mit einer Verjährung gestützte Wiederaufnahmebescheid wegen dessen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde, aufzuzeigen, weil die Frage, ob eine amtswegige Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens allenfalls aus einem anderen, im ergangenen Wiederaufnahmebescheid nicht aufgegriffenen Wiederaufnahmegrund gerechtfertigt wäre, im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht zu beurteilen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 31. Jänner 2001

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