VwGH 95/08/0301

VwGH95/08/030130.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. K in G, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Walterstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. September 1995, Zl. VII/2-6089/4-1995, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr.-Karl-Renner-Promenade 14-16, 3100 St. Pölten), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1;
ASVG §113 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 4.250,-- vorgeschrieben.

Nach der Begründung seien beim Beschwerdeführer anlässlich einer Beitragsprüfung im Juni 1994 Differenzen festgestellt und Beiträge sowie Umlagen in der Höhe von S 38.602,90 nachberechnet worden. Dies habe sich daraus ergeben, dass Dienstnehmern nicht das ihnen laut Kollektivvertrag gebührende Entgelt ausbezahlt worden sei. Der Beschwerdeführer habe die Richtigkeit der Nachverrechnung nicht in Abrede gestellt. Seine Einwände hätten sich lediglich gegen den daraus resultierenden Beitragszuschlag gerichtet.

Zum Vorbringen, an den anlässlich der Beitragsprüfung festgestellten Differenzen träfe ihn keine Schuld, weil die Änderungen des Kollektivvertrages weder in der Wiener Zeitung verlautbart worden seien noch er einen Kollektivvertrag zugesandt bekommen habe, sei zu bemerken, dass es zu den Pflichten des Dienstgebers gehöre, sich aus eigenem laufend über Änderungen im Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrecht zu informieren. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, nach § 113 Abs. 1 ASVG sei grundsätzlich kein Beitragszuschlag vorzuschreiben, sei zu erwidern, dass der Beitragszuschlag zur pauschalen Abdeckung der ansonsten gemäß § 59 Abs. 1 ASVG zwingend vorzuschreibenden Verzugszinsen und des Verwaltungsmehraufwandes diene. Nachdem vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen worden sei, dass er sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befinde, die Beiträge für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum nicht zur Verfügung gestanden seien (Jänner 1993 bis Mai 1994) und die Meldeverletzung erst im Rahmen der Beitragsprüfung hätte festgestellt werden können, vermöge ein 11 %iger Beitragszuschlag keine unangemessene Sanktion darzustellen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, dass es sich bei einem Kollektivvertrag um eine privatrechtliche Vereinbarung handle, welche nicht dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht zuzuordnen sei, so werde dazu bemerkt, dass der Kollektivvertrag eine Rechtsquelle des kollektiven Arbeitsrechtes sei. Für die Beitragsberechnung sei der vom Versicherten tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst, mindestens aber das Entgelt, auf das der Versicherte einen Rechtsanspruch habe, maßgebend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird - wie bereits im Verwaltungsverfahren -

die Auffassung vertreten, § 113 Abs. 1 ASVG räume dem Sozialversicherungsträger ein Ermessen des Inhaltes ein, dass in gewissen Fällen Beitragszuschläge vorgeschrieben werden könnten. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei daher grundsätzlich kein Beitragszuschlag vorzuschreiben. Die Vorschreibung eines solchen Beitragszuschlages stelle die Ausnahme dar. Dies bedeute, dass die belangte Behörde verpflichtet sei, die Vorschreibung eines Beitragszuschlages daher entsprechend zu begründen, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Überprüfung zu geben, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen in gesetzeskonformer Weise Gebrauch gemacht habe. Die Begründung, dass der Beitragszuschlag zur pauschalen Abdeckung der ansonsten gemäß § 59 Abs. 1 ASVG zwingend vorzuschreibenden Verzugszinsen und des Verwaltungsaufwandes diene, stelle keine nachvollziehbare Begründung für die Ausübung des Ermessens dar. Ferner mangle es am Verschulden des Beschwerdeführers, da Kollektivverträgen keine Gesetzeskraft zukomme. Bei einem Kollektivvertrag handle es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung, deren Unkenntnis dem Beschwerdeführer nicht vorzuwerfen sei. Nach § 49 Abs. 1 ASVG verstehe man unter Entgelt jene Bezüge, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch habe. Der Anspruch des Dienstnehmers müsse deshalb aus dem Dienstverhältnis und nicht aus dem Kollektivvertrag abgeleitet werden. Nach § 49 Abs. 1 ASVG sei somit eindeutig unter Entgelt immer nur das im Einzelfall tatsächlich vom Dienstgeber ausbezahlte, mit dem Dienstnehmer vereinbarte Entgelt zu verstehen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Für die Bemessung der Beiträge zur Pflichtversicherung auf Grund des Arbeitsverdienstes ist nicht lediglich der tatsächlich gezahlte Lohn maßgebend, sondern, wenn er den tatsächlich gezahlten Lohn übersteigt, der Lohn, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand. Ob aber ein Anspruch auf einen Geldbezug oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Der Beitragsvorschreibung ist daher in einem solchen Fall insbesondere der nach dem Kollektivvertrag gebührende Lohn zu Grunde zu legen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 91/08/0121, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Die Bestimmungen des normativen Teiles eines Kollektivvertrages sind objektives Recht und als originäre Rechtsquelle unmittelbar - wie ein Gesetz im formellen Sinn - auf den einzelnen Arbeitsvertrag und seine Parteien anzuwenden (vgl. z. B. OGH vom 19. Mai 1981, Arb. 10.030).

Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihn an den festgestellten Beitragsdifferenzen kein Verschulden treffe, ist zu erwidern, dass nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss und deren Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfaltspflicht zu vertreten hat (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/08/0024).

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können Beitragszuschläge den im § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) in den dort unter Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Fällen vorgeschrieben werden. Die beiden letzten Sätze dieser Gesetzesbestimmung lauten:

"Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist der Beitragszuschlag im Sinne des § 113 Abs. 1 ASVG eine (neben der Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe) weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung. Dem gemäß darf er objektiv einerseits nicht das Ausmaß des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsmehraufwandes zuzüglich des Zinsenentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung, andererseits aber auch nicht das Zweifache der nachzuzahlenden Beträge überschreiten. Der objektiv auf diese Weise nach obenhin zweifach begrenzte Beitragszuschlag kann bei der vorgesehenen Ermessensübung, bei der auch das Verschulden des Meldepflichtigen zu berücksichtigen ist, eine Reduzierung erfahren (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0069). Als Untergrenze des Beitragszuschlages darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschritten werden (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 89/08/0360).

Bei der Ermessensübung innerhalb der solcherart gegebenen Unter- bzw. Obergrenzen des Beitragszuschlages kommt der Art des Meldeverstoßes, dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners Bedeutung zu (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0142).

Dem Beschwerdevorbringen, es sei der Behörde freigestellt, ob sie überhaupt einen Beitragszuschlag vorschreiben wolle, ist zu erwidern, dass der Regelungsinhalt des § 113 Abs. 1 ASVG im Falle eines zu einer Beitragsnachentrichtung führenden Meldeverstoßes eine Mindesthöhe des Beitragszuschlages, nämlich das Ausmaß der Verzugszinsen, gebietet und daher ein völliges Absehen von der Verhängung eines Beitragszuschlages nicht in Betracht kommt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0050).

Die belangte Behörde hat bei ihrer Entscheidung innerhalb der genannten Grenzen auch die Art des Meldeverstoßes und das Verschulden des Beschwerdeführers berücksichtigt. Dass sie dabei von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte, ist nicht ersichtlich.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 96/08/0028). Ihr Kostenbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2001

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