VwGH 89/08/0360

VwGH89/08/036024.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der F-GmbH in Z, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 10. November 1989, Zl. 3/07-12.217/3-1989, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei:

Salzburger Gebietskrankenkasse in 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVGNov 41te;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §113;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVGNov 41te;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 29. November 1988 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Partei aufgrund von Meldepflichtverletzungen und der sich daraus ergebenden Beitragsnachberechnung von insgesamt S 244.744,21 einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in der Höhe von S 60.000,-- vor.

Mit gleichem Datum übermittelte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Partei eine Beitragsnachberechnung in der Höhe von S 244.744,21.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen den Bescheid vom 29. November 1988 Einspruch, der sich sowohl gegen die Beitragsnachberechnung als auch die Vorschreibung des Beitragszuschlages richtete. Sie bestritt dabei im wesentlichen, gegen zwingende Meldebestimmungen des ASVG verstoßen zu haben, da die in Frage kommenden Personen auf der Basis von Werkverträgen tätig gewesen seien.

1.2.1. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wertete den Einspruch - soweit er sich gegen die Beitragsnachberechnung richtete - als Aufforderung gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG über die Versicherungspflicht von bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten Heimarbeitern und Aushilfen mit Bescheid abzusprechen. Mit Bescheid vom 15. März 1989 wurde die Versicherungspflicht dieser Heimarbeiter und Aushilfen bejaht und die beschwerdeführende Gesellschaft zur Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von S 244.744,21 verpflichtet.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch - soweit er sich gegen den Bescheid vom 29. November 1988 und damit gegen den Beitragszuschlag richtete - Folge gegeben und der Beitragszuschlag auf S 52.196,37 herabgesetzt.

Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Betrieb der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung durchgeführt, die den Beitragszeitraum März 1983 bis März 1988 betroffen habe. Dabei sei festgestellt worden, daß in 391 Fällen versicherungspflichtige Dienstnehmer (Aushilfen und Heimarbeiter) nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden seien. Aufgrund dieser Überprüfung seien der Beschwerdeführerin Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 244.744,21 zur Nachzahlung vorgeschrieben worden. Gleichzeitig habe die mitbeteiligte Kasse einen Beitragszuschlag verhängt. Mit Bescheid vom 15. März 1989 habe die Kasse über die Versicherungspflicht der Aushilfen und Heimarbeiter und die sich daraus ergebende Beitragsvorschreibung rechtskräftig abgesprochen. Der belangten Behörde sei es deshalb verwehrt, sich im gegenständlichen Fall mit der Beitragsnachverrechnung auseinanderzusetzen. Da Dienstnehmer nicht zur Pflichtversicherung gemeldet worden seien, sei die Kasse zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages berechtigt gewesen. Die unterste Grenze dieses Zuschlages stelle die Höhe der Verzugszinsen dar. Eine Herabsetzung unter diese Höhe sei nicht möglich, da gemäß § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG der Beitragszuschlag die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten dürfe, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. In Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles habe der Beitragszuschlag aber auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt werden können.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die beschwerdeführende Partei vertritt im wesentlichen die Auffassung, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe mit dem Bescheid vom 29. November 1988 - neben der Verhängung eines Beitragszuschlages - rückständige Beiträge in der Höhe von S 244.744,21 vorgeschrieben. Beim Bescheid vom 15. März 1989 handle es sich daher um einen "nichtigen" Bescheid, da er gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoße. Vertrete man die Auffassung, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 29. November 1988 lediglich über die Vorschreibung eines Beitragszuschlages abgesprochen habe, nicht jedoch über die Höhe der Beitragsnachberechnung, so würde dies bedeuten, daß der Beitragszuschlag ohne eine taugliche Rechtsgrundlage vorgeschrieben worden sei. Die belangte Behörde hätte daher den Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 15. März 1989 als nichtig aufheben müssen. Dazu komme, daß nach der Rechtsprechung eine vor Beginn des Laufes der Frist eingebrachte Berufung als zulässig erachtet werde, wenn die Parteistellung des Berufungswerbers nicht strittig sei.

2.2.1. § 113 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 41. ASVG-Novelle BGBl. Nr. 111/1986 lautet:

"(1) Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:

1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.

2. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung verspätet erstattet worden ist oder wenn das Entgelt verspätet gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung bzw. bis zum Eintreffen der verspäteten Meldung des Entgeltes beim Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.

3. Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden.

Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."

2.2.2. Mit der Novellierung des § 113 Abs. 1 ASVG durch die 41. Novelle zum ASVG erfolgte eine gegenüber der bis dahin geltenden Regelung genauere Umschreibung der die Vorschreibung von Beitragszuschlägen rechtfertigenden Tatbestände und eine auf den jeweiligen Tatbestand abgestimmte Festsetzung der Obergrenze sowie einer Untergrenze in Form der Höhe der Verzugszinsen, die ohne Vorschreibung des Beitragszuschlages aufgrund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Das "Ausmaß der nachzuzahlenden Beiträge" zählt zwar nicht mehr zu dem bei der Festsetzung des Beitragszuschlages zu berücksichtigenden Tatbestandmoment. Die Beitragszuschläge nach § 113 Abs. 1 ASVG stellen aber weiterhin eine pauschalierte Abgeltung des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsaufwandes und des Zinsenentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung dar. Dementsprechend ist der pauschalierte Mehraufwand der Verwaltung einschließlich des Kapitalaufwandes (bzw. Zinsenentganges) infolge der verspäteten Beitragsentrichtung als - zweite - Höchstgrenze für die Vorschreibung des Beitragszuschlages zu berücksichtigen. Nach unten hin ist der Beitragszuschlag nunmehr allerdings mit der Höhe der Verzugszinsen begrenzt, die sonst zu entrichten gewesen wären, wobei diese Grenze nicht unterschritten werden darf (vgl. das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0223).

Dies setzt voraus, daß die Höhe der nachzuzahlenden Beiträge (zumindest) im Sinne einer vorfragenweisen Beurteilung oder als Hauptfragenentscheidung festgestellt wird, da anderenfalls die Verzugszinsenberechnung nicht möglich wäre.

Die Verpflichtung, Beiträge nachzuzahlen, stellt eine für die Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 ASVG präjudizielle Rechtsfrage dar. Die Beitragsschuld und deren Höhe ist zwar eine Vorfrage gemäß § 38 AVG für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 leg. cit. (vgl. das Erkenntnis vom 8. Mai 1990, Zl. 89/08/0040), entgegen dem Beschwerdevorbringen setzt diese Vorschreibung aber nicht einen Abspruch über die Beitragspflicht und die Beitragshöhe voraus.

2.3.1. Im Sinne der wiedergegebenen Rechtslage hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Beschwerdefall zunächst mit Bescheid vom 29. November 1988 - lediglich - einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG verhängt. Die dem Beitragszuschlag zugrundeliegenden nachzuzahlenden Beiträge in Höhe von S 244.744,21 wurden der Beschwerdeführerin hingegen - ebenfalls entgegen dem Beschwerdevorbringen - nur aufgrund einer formlosen Beitragsnachverrechnung vom 29. November 1988 bekannt gegeben. Der bezüglich der Beitragsnachverrechnung erhobene Einspruch der beschwerdeführenden Partei wurde von der mitbeteiligten Kasse - zutreffenderweise - als Verlangen auf Erteilung eines Bescheides gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG gewertet.

Gemäß § 410 Abs. 1 ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 leg. cit. berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Hienach hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen:

.....

7. Wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Bundesgesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.

Die nach § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG zu erlassende Entscheidung über einen Antrag des Dienstgebers auf Erteilung eines Bescheides bezüglich einer Beitragsnachverrechnung hat dabei einen Abspruch über die Verpflichtung zur Entrichtung ziffernmäßig bestimmter Beiträge zu enthalten (vgl. das Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zl. 86/08/0147).

Mit dem diesen Anforderungen entsprechenden Bescheid der mitbeteiligten Kasse vom 15. März 1989 wurde somit erstmals über die Höhe der nachzuverrechnenden Beiträge abgesprochen. Der Einwand der beschwerdeführenden Partei, dieser Bescheid sei wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz "ne bis in idem" nichtig, ist daher nicht berechtigt.

2.3.2. Sofern die beschwerdeführende Partei schließlich versucht, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insofern darzutun, als sie vorbringt, eine vor Beginn des Laufes der Frist eingebrachte Berufung werde als zulässig erachtet, wenn die Parteistellung des Berufungswerbers nicht strittig sei, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.

Der Beschwerde liegt dabei die Überlegung zugrunde, daß der vor Erlassung des Bescheides vom 15. März 1989 erhobene Einspruch - soweit er sich gegen die Beurteilung der Beitragsschuld und deren Höhe als Vorfrage im Bescheid vom 29. November 1988 richtete - von der belangten Behörde der Sache nach als Einspruch gegen den Bescheid vom 15. März 1989 zu behandeln gewesen wäre. Diese Auffassung erweist sich jedoch schon deshalb als unzutreffend, da aufgrund der von der beschwerdeführenden Partei angesprochenen Judikatur die Berufung gegen einen noch nicht zugestellten Bescheid nur insofern zulässig ist, als dieser dem Inhalt nach bekannte Bescheid durch Zustellung an eine andere Partei (bereits) ERLASSEN WORDEN IST (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1982, Zl. 322/80). Im Zeitpunkt der Erhebung des Einspruches (2. Jänner 1989) war der lediglich an die beschwerdeführende Partei gerichtete Bescheid vom 15. März 1989 jedoch noch gar nicht rechtlich existent. Daß der ausdrücklich gegen den Bescheid vom 29. November 1988 gerichtete Einspruch somit (auch) gegen die (erst) mit Bescheid vom 15. März 1989 festgesetzte Beitragsnachverrechung erhoben worden ist, kann im Beschwerdefall nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

2.4. Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

2.5. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß Art. III Abs. 2 anzuwenden war.

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