VwGH 2000/17/0039

VwGH2000/17/003918.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in den verbundenen Beschwerdesachen jeweils des R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in W, gegen den Stadtsenat (das nach der Geschäftseinteilung zuständige Mitglied) der Landeshauptstadt Linz jeweils betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht i. A. der Anzeigenabgabe 1. für den Zeitraum März bis Mai und Juni 1999 (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0039), 2. Juli 1999 (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0040) und 3. April 1998 bis Februar 1999 (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0068), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §55 Abs3;
VwGG §55 Abs3;

 

Spruch:

Die hg. Verfahren über die Säumnisbeschwerden werden gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingestellt.

Die Landeshauptstadt Linz hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 6.250,-- (insgesamt daher S 18.750,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die jeweils beschwerdeführende Partei macht mit ihren am 14. März 2000 (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0039 und Zl. 2000/17/0040) bzw. am 12. April 2000 (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0068) beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerden die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend; sie habe am 3. September 1999 Berufungen gegen erstinstanzliche Bescheide bzw. einen Vorlageantrag nach einer erstinstanzlichen Berufungsvorentscheidung (hg. Verfahren Zl. 2000/17/0068) zur Post gegeben, diese Schriftsätze seien am 6. September 1999 beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingelangt.

Die belangte Behörde erließ durch das nach der Geschäftseinteilung (vgl. § 34 Abs. 2 des Statutes der Landeshauptstadt Linz vom 27. Jänner 1992, LGBl. Nr. 7/1992, in Verbindung mit der Verordnung des Stadtsenates vom 6. November 1997, ABl. der Landeshauptstadt Linz Nr. 22/1997) zuständige Mitglied (den Bürgermeister) jeweils nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof Bescheide je vom 29. Juni 2000 (1. Zl. 201/a-7/3-Riedl/Ei, 2. Zl. 201/a-7/2-Riedl/Ei und 3. Zl. 201/a-7/4-Riedl/Ei), die - nach den Angaben der beschwerdeführenden Partei - jeweils am 30. Juni 2000 zugestellt wurden; mit diesen Bescheiden wurde jeweils über die Anzeigenabgabe abgesprochen.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 30. Juni 2000 (eingegangen am 5. Juli 2000) dem Verwaltungsgerichtshof Ausfertigungen der oben erwähnten Bescheide mit dem Antrag vor, der Verwaltungsgerichtshof möge erkennen, dass durch die belangte Behörde in den gegenständlichen Verfahren keine Verletzung der Entscheidungspflicht im Sinne des Art. 132 B-VG gegenüber der beschwerdeführenden Partei vorliege und daher dieser Kosten nicht zusprechen.

Sie führte hiezu aus, der beschwerdeführenden Partei sei mit Schreiben des Magistrates vom 17. November 1999 die Aussetzung "der Rechtsmittelentscheidungen anhängiger Verfahren, ... bis zu einer erwarteten Verfassungsgerichtshof-Entscheidung" in einem näher bezeichneten Gesetzesprüfungsverfahren sowie näher bezeichneten Verordnungsprüfungsverfahren vorgeschlagen worden. Eine derartige Aussetzung hätte den gesetzlichen Voraussetzungen - die belangte Behörde erwähnt § 210 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung - entsprochen und wäre "aus verwaltungsökonomischen Gründen sowohl im Interesse der Abgabenbehörde als auch des Steuerpflichtigen gewesen". Das Interesse des Steuerpflichtigen erblickte die belangte Behörde darin, als mit der Aussetzung "vorzeitige Rechtsmittelentscheidungen" vermieden und damit auch weitere Rechtsschritte des Steuerpflichtigen hätten unterbleiben können.

Außerdem sei der Stadt Linz bekannt gewesen, dass eine Gesetzesnovelle mit Verfassungsrang in Ausarbeitung gewesen sei, mit der die Rechtsfragen des Studioprinzipes und Reklamewerts einer rückwirkenden Klärung zugeführt hätten werden sollen, weshalb "auch diesbezüglich eine sofortige Entscheidung nicht sinnvoll" erschienen sei. Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang auf das Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1997 geändert wird, BGBl. I Nr. 30/2000 (ausgegeben am 31. Mai 2000).

Die beschwerdeführende Partei habe - so die belangte Behörde weiters - ein Gutachten "im technischen Bereich und Zeugenaussagen aus dem Wiener Hoheitsbereich beantragt", sodass im Hinblick auf die geplante und tatsächlich erfolgte Gesetzesänderung der nicht geringe Verwaltungsaufwand hätte unterbleiben können.

Die "Organe der Stadt Linz" hätten daher aus diesen Gründen sowohl anlässlich persönlicher Gespräche als auch im Schriftweg auf die Zweckmäßigkeit der Aussetzung des Abgabeverfahrens hingewiesen. Im Übrigen seien im Rahmen des Ermittlungsverfahrens umfangreiche Beweisanträge (die belangte Behörde verweist auf ein technisches Sachverständigengutachten sowie auf die bereits erwähnten Zeugenaussagen) gestellt worden, sodass der Abgabenbehörde ein Verschulden an der Versäumnis "auch aus diesem Grund" nicht angelastet werden könne; dies insbesondere auch im Hinblick "auf die Komplexität der gegenständlichen Abgabenverfahren". Ein finanzieller Nachteil sei der beschwerdeführenden Partei nicht erwachsen, da sich die Stadt bereit erklärt habe, "unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles", eine Stundung der Abgabenschuld zu gewähren.

Nach dem eigenen Vorbringen der belangten Behörde hat sie einen Bescheid über die Aussetzung der Entscheidung in den Abgabenverfahren nicht erlassen; ob ein solcher allenfalls zweckmäßig gewesen wäre, vermag aber die Zulässigkeit der Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht ebenso wenig zu berühren, wie etwa noch ausstehende Beweisaufnahmen. Gründe, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, sind nämlich erst bei der Kostenentscheidung über die Säumnisbeschwerde zu berücksichtigen (vgl. § 55 Abs. 2 VwGG).

Nach der grundsätzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 VwGG ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz in den Fällen einer Säumnisbeschwerde so zu beurteilen, wie wenn der Beschwerdeführer obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 VwGG wäre. Die Absätze 2 bis 4 lauten wie folgt:

"(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die belangte Behörde Gründe nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, und diese Gründe von ihr dem Beschwerdeführer vor der Einbringung der Säumnisbeschwerde bekannt gegeben worden sind.

(3) Abs. 1 ist weiters nicht anzuwenden, wenn die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war.

(4) Abs. 1 letzter Satz ist nicht anzuwenden, wenn die der Säumnisbeschwerde zu Grunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben wird."

Soweit dem Vorbringen der belangten Behörde entnommen werden könnte, die den Säumnisbeschwerden zu Grunde liegenden Verwaltungssachen seien im Hinblick auf die bevorstehende Änderung der (Verfassungs-)Rechtslage mutwillig betrieben worden, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Die belangte Behörde bestreitet nämlich selbst nicht, dass die ihr vorgegebene Entscheidungsfrist (§ 27 VwGG) mehrere Monate vor der Ausgabe des Bundesgesetzblattes betreffend das erwähnte Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 30/2000, jeweils abgelaufen war. Selbst bei Information der beschwerdeführenden Partei über den Gesetzgebungsprozess kann doch vor Kenntnis des genauen Gesetzeswortlautes durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zumindest in den Beschwerdefällen nicht von einer mutwilligen Betreibung der "zu Grunde liegenden Verwaltungssache" gesprochen werden.

Die Verzögerung der behördlichen Entscheidung war aber auch nicht ausschließlich auf das Verschulden der beschwerdeführenden Partei zurückzuführen (§ 55 Abs. 3 VwGG). Grundsätzlich kann nämlich die Stellung von Beweisanträgen im Berufungsverfahren nicht als ein derartiges Verschulden angesehen werden; selbst dann aber, wenn das allenfalls durchzuführende Beweisverfahren derart umfangreich gewesen sein sollte, dass seine Durchführung innerhalb der Entscheidungsfrist unmöglich gewesen wäre (die beschwerdeführende Partei bestreitet dies in ihrer Äußerung), bringt doch die belangte Behörde nicht vor, dass sie mit allfälligen Beweisaufnahmen rechtzeitig (oder überhaupt vor Ablauf der Frist) begonnen hätte. Schon deshalb kann ein ausschließliches Verschulden der beschwerdeführenden Partei jedenfalls nicht vorliegen vgl. dazu auch den hg. Beschluss vom 30. August 1999, Zl. 99/17/0168).

Aus denselben Erwägungen kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde Gründe nachgewiesen hätte, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht hätten (§ 55 Abs. 2 VwGG). Ein Nachweis dahingehend, dass das Beweisverfahren infolge seines Umfanges oder seiner Schwierigkeit die fristgerechte Erlassung der Bescheide unmöglich gemacht hätte, wurde jedenfalls nicht erbracht. Die bloße Behauptung der erwähnten Schwierigkeiten vermag den vom Gesetz geforderten Nachweis nicht zu ersetzen.

Die Verfahren über die Säumnisbeschwerden waren daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich jeweils im Hinblick auf die obigen Erwägungen auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens hinsichtlich des "lediglich aus Gründen advokatorischer Vorsicht" gestellten Antrages auf Zuspruch des Ersatzes von Stempelmarken ergibt sich aus dem Umstand, dass die beschwerdeführende Partei gemäß § 2 Z. 3 Gebührengesetz von deren Entrichtung befreit ist.

Wien, am 18. September 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte