VwGH 2000/10/0136

VwGH2000/10/01369.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des D in Elsbethen, vertreten durch Rechtsanwälte Kreibich-Bixner-Kleibel Kommanditpartnerschaft, 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 4, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Juli 2000, Zl. N-100441/36-2000-Mö/Gv, betreffend Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Normen

VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Zur näheren Darstellung der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zunächst auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1971, Zl. 535/71, vom 10. Juni 1991, Zl. 89/10/0077 und Zl. 89/10/0078, und vom 25. März 1996,

Zlen. 94/10/0122, 95/10/0054 verwiesen.

1.1. Auf dem im Uferschutzbereich des Niedertrumersees gelegenen Grundstück der Beschwerdeführer war im Jahr 1968 ein Holzhaus (im Folgenden als "Wochenendhaus" bezeichnet) errichtet und im Jahr 1974 vergrößert worden.

1.2. Mit Bescheid vom 8. Juli 1970 hatte die belangte Behörde den Antrag des Dipl. Ing. K. H. vom 8. Oktober 1969 auf Feststellung nach § 1 Abs. 2 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1964 abgewiesen. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.3. Einen gleich lautenden Antrag des Dipl. Ing. K. H. vom 15. Oktober 1970, der sich auf ein insbesondere betreffend die Größe des Gebäudes geändertes Projekt bezog, hatte die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Februar 1971 abgewiesen.

1.4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. Juli 1971, Zl. 535/71, als unbegründet abgewiesen.

1.5. Neuerliche das Wochenendhaus betreffende Anträge des Dipl. Ing. K. H. auf Feststellung gemäß § 1 Abs. 2 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1964 bzw. § 5 Abs. 1 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1982 vom 10. November 1972 und 1. Februar 1980 hatte die belangte Behörde mit Bescheiden vom 20. November 1974 und 17. Jänner 1989 zurückgewiesen.

1.6. Der zu 1.6. erwähnte Bescheid vom 17. Jänner 1989 war im Umfang der Zurückweisung wegen entschiedener Sache durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1991, Zl. 89/10/0078, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden.

1.7. Mit einem weiteren, über die Berufung des Dipl. Ing. K. H. gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 2. Juni 1975 ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1989 hatte diese dem Dipl. Ing. K. H.gemäß § 39 Abs. 1 NSchG 1982 die Verpflichtung auferlegt, das Wochenendhaus zu entfernen.

1.8. Die gegen den zu 1.7. erwähnten Bescheid erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 89/10/0077, als unbegründet abgewiesen.

1.9. Mit Bescheid vom 24. Februar 1992 hatte die belangte Behörde den zu 1.5. erwähnten Feststellungsantrag des Dipl. Ing. K. H.betreffend das Wochenendhaus zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

1.10. Mit Bescheid vom 20. Jänner 1993 hatte die BH den Antrag auf Feststellung, dass durch die Errichtung eines 5 x 5 m großen Holzhauses auf dem erwähnten Grundstück in der 500 m-Uferschutzzone des Niedertrumersees solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen öffentlichen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, abgewiesen.

1.11. Mit Bescheid vom 21. Juni 1994 hatte die belangte Behörde die Berufung des Dipl. Ing. K. H. und des Beschwerdeführers gegen den zu 1.10. erwähnten Bescheid als unbegründet abgewiesen.

1.12. Die gegen den zu 1.11. erwähnten Berufungsbescheid erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. März 1996, Zl. 94/10/0122, 95/10/0054, als unbegründet abgewiesen.

2.1. Mit Schreiben vom 30. Juli 1996 drohte die BH die Ersatzvornahme an, weil Dipl. Ing. K. H. und der Beschwerdeführer der ihnen mit Bescheid vom 17. Jänner 1989 auferlegten Verpflichtung, das Wochenendhaus zu entfernen (vgl. 1.7.), nicht nachgekommen waren. Dabei wurde ihnen unter Hinweis auf § 4 VVG aufgetragen, der bescheidmäßigen Verpflichtung zur Entfernung der 5 x 5 m großen Holzhütte auf dem näher bezeichneten Grundstück bis spätestens 31. Oktober 2000 nachzukommen, widrigens die mangelnde Leistung auf ihre Kosten und Gefahr bewerkstelligt werden müsse.

2.2. Mit Bescheid vom 15. März 2000 trug die BH dem Beschwerdeführer, der mittlerweile Alleineigentümer des Grundstückes ist, gemäß § 4 VVG die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme von S 66.900.- gegen nachträgliche Verrechnung auf.

2.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

2.4. Begründend legte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Hinweisen auf die Rechtslage dar, die Frage der Rechtmäßigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Titelbescheides könne im Verfahren über den Kostenvorauszahlungsauftrag nicht mehr aufgeworfen werden. Der Einwand einer Unzulässigkeit der Vollstreckung nach § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG wegen einer seit Erlassung des Titelbescheides eingetretenen Änderung des Sachverhaltes sei nur dann zielführend, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleich lautender Bescheid erlassen werden dürfte. Der im Instanzenzug erlassene Titelbescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1989, N-450003-4358-I/Mö-1989, trage die Entfernung der 5 x 5 m großen Holzhütte gemäß § 39 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 auf. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 89/10/0077, als unbegründet abgewiesen.

Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung des Entfernungsauftrages sei einerseits die Bewilligungspflicht (Feststellungspflicht) betreffend das gegenständliche Vorhaben und dessen Ausführung ohne Bewilligung. Auch die letztgenannte Voraussetzung sei im Hinblick auf die abweisenden Bescheide der Bezirkshauptmannschaft vom 20. Jänner 1993 und der belangten Behörde vom 21. Juni 1994 gegeben. Im Titelbescheid sei die Frage eines Eingriffes in das Landschaftsbild bejaht worden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne eine eingetretene Änderung des Sachverhaltes nur dann maßgeblich sein, wenn diese Änderung wesentlich ist, wenn also bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleich lautender Bescheid erlassen werden könnte. Derartige Änderungen seien jedoch nicht eingetreten, da die in der Berufung genannten Veränderungen schon bei Erlassung des Titelbescheides vorhanden waren. Auch wenn sich die vorhandene Vegetation in gewisser Weise verändert habe, könne dies nicht zu einer anderen Beurteilung der Frage eines Eingriffes in das Landschaftsbildes führen. Das vom Berufungswerber genannte Hüttendorf "Stein" sowie der Campingplatz seien naturschutzbehördlich genehmigt, um eine Konzentration der Eingriffe an naturschutzfachlich verträglicher Stelle herbeizuführen und die restlichen Grundflächen von Eingriffen freizuhalten.

2.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

3.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Die Beschwerde macht geltend, seit der Erlassung des Titelbescheides am 17. Jänner 1989 sei ein derart langer Zeitraum vergangen, dass eine wesentliche Änderung im Sachverhalt durchaus wahrscheinlich wäre. Der gegenteiligen Ansicht der belangten Behörde sei entgegenzuhalten, dass das sogenannte "Hüttendorf Stein" damals noch keineswegs in vollem Umfang fertiggestellt war und der in unmittelbarer Nachbarschaft des Grundstückes eingerichtete Campingplatz erst später entstanden und offenbar auch naturschutzbehördlich genehmigt worden sei. Dazu käme, dass nach Erlassung des Titelbescheides neben dem Grundstück des Beschwerdeführers mindestens zehn Einfamilienhäuser mit behördlicher Duldung gebaut worden seien. Die belangte Behörde hätte eine Überprüfung des Sachverhaltes durch Augenschein oder Sachverständigen vornehmen müssen. Dabei wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hätte und den Anträgen des Beschwerdeführers, wonach durch Errichtung des Holzhäuschens öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt würden, stattzugeben sei. Ungeachtet dieser Erwägungen stelle sich die Frage, ob die Behörde im Hinblick auf die Errichtung des Holzhäuschens im Jahr 1968 noch ein öffentliches Interesse im Sinne des § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 reklamieren könne und worin dieses öffentliche Interesse bestehen solle. Nach mehr als 30 Jahren habe sich die Landschaft so stark geändert, dass ein öffentliches Interesse im Sinne des Naturschutzgesetzes gegenüber privaten Interessen nicht mehr überwiege, sondern diesen wohl gleichgestellt werden müsse oder gar in den Hintergrund trete. Ein mit der Beschwerde vorgelegtes Privatgutachten vom 25. November 1991 einschließlich der darin enthaltenen Lichtbilder zeige, dass "seither" eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, das Landschaftsbild sich maßgebend verändert habe und die Naturschutzbehörde daher zu einer positiven Beurteilung des Ansuchens des Beschwerdeführers kommen müsse. Hingewiesen werden auch darauf, dass schon seit dem Jahre 1986 im Bezug auf das Grundstück des Beschwerdeführers Bemühungen der Gemeinde in Richtung einer Umwidmung in Gang seien.

3.2. Die Beschwerde macht somit die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG in Richtung einer Änderung des Sachverhaltes geltend. Zwar kann die Unzulässigkeit der Vollstreckung auch die Folge einer nach Erlassung des Titelbescheides eingetretenen wesentlichen Änderung des Sachverhaltes sein; dies erfordert jedoch, dass der neue Sachverhalt die Erlassung eines auf demselben Rechtsgrund beruhenden, mit dem Titelbescheid im Spruch gleich lautenden Bescheides ausschließt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0138, und vom 25. März 1996, Zlen. 94/10/0122, 95/10/0054, jeweils mwH). Dies ist hier nicht der Fall. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1989 (Titelbescheid) war gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers der Entfernungsauftrag betreffend das auch hier in Rede stehende Wochenendhaus erteilt worden (vgl. 1.7.). Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Juni 1991, Zl. 89/10/0077, als unbegründet abgewiesen (vgl. 1.8.).

3.3. Der erwähnte Bescheid beruhte auf § 39 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982. Nach § 39 Abs. 1 leg. cit. kann die Behörde, wenn bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung ausgeführt wurden, unabhängig von einer Bestrafung nach § 37 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wieder herzustellen. Tatbestandsvoraussetzungen der Erlassung des Entfernungsauftrages waren im vorliegenden Fall somit die Bewilligungspflicht des Vorhabens und dessen Ausführung ohne Bewilligung. Dass die strittigen Maßnahmen ohne Bewilligung ausgeführt wurden, wird auch durch die oben wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. In der Frage der Bewilligungspflicht des Vorhabens ist im Sinne des § 5 Abs. 1 NSchG maßgeblich, ob ein Eingriff in das Landschaftsbild vorliegt (eine bescheidmäßige Feststellung im Sinne der zitierten Vorschrift wurde hier nicht getroffen). Wenn die Beschwerde nun - unter Vorlage eines im Jahre 1991 erstatteten Privatgutachtens - geltend macht, seit der Erlassung des Entfernungsauftrages im Jahre 1989 sei eine solche Veränderung des Landschaftsbildes eingetreten, dass von einem Eingriff in das Landschaftsbild (durch das Wochenendhaus) im Sinne des § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG nicht mehr gesprochen werden könne, übersieht sie zum einen, dass die belangte Behörde in dem zum Bescheid vom 20. Jänner 1993 (vgl. 1.10.) führenden Verwaltungsverfahren neuerlich die Frage eines Eingriffes in das Landschaftsbild geprüft und im erwähnten Bescheid bejaht hatte; die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos (vgl. 1.12.). Schon damals lag der belangten Behörde und dem Verwaltungsgerichtshof das auch nunmehr mit der Beschwerde vorgelegte Privatgutachten vom 25. November 1991 vor. Der Verwaltungsgerichtshof sah auch unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des Privatgutachtens keine Rechtswidrigkeit darin, dass die belangte Behörde das Gutachten des Landesbeauftragten für Naturschutz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Im erwähnten Bescheid hatte sich die belangte Behörde auch mit der Frage der Auswirkungen des im Umgebungsbereich des Grundstückes des Beschwerdeführers gelegenen Campingplatzes und eines "Hüttendorfes" befasst. Dem Vorbringen der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, wonach im Hinblick auf das Vorhandensein des Campingplatzes und der Hüttensiedlung im Wochenendhaus des Beschwerdeführers kein Eingriff in das Landschaftsbild liege, hielt der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis unter Hinweis auf seine Vorjudikatur entgegen, dass die Beurteilung eines Objektes als maßgeblicher Eingriff nicht voraussetze, dass im betreffenden Uferabschnitt noch keinerlei Verbauung besteht. Auch das Unterbleiben der Verstärkung einer Eingriffswirkung liegt im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes. Die Wiederholung dieses Vorbringens ist somit nicht geeignet, aufzuzeigen, dass infolge einer seit Erlassung des Titelbescheides eingetretenen wesentlichen Änderung des Sachverhaltes ein mit dem Titelbescheid im Spruch gleich lautender Bescheid - mangels Vorliegens eines Eingriffes in das Landschaftsbild - nicht mehr erlassen werden dürfte.

3.4. Dies gilt auch für den Hinweis der Beschwerde, es seien seit dem Jahre 1986 Umwidmungsbemühungen in Gang. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass allfällig zukünftige Änderungen des Flächenwidmungsplanes im Verfahren zur Erlassung und Vollstreckung eines Entfernungsauftrages irrelevant sind (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0234, und vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0138).

3.5. Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3.6. Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 9. Oktober 2000

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