Normen
AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BauO Tir 1989 §44 Abs3;
BauO Tir 1989 §44 Abs5;
BauO Tir 1989;
BauRallg;
B-VG Art139a;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
LO Tir 1989 Art41 Abs2;
VVG §1 Abs1 litb;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2 Z2;
VVG §10 Abs2;
VVG §2;
VVG §4 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BauO Tir 1989 §44 Abs3;
BauO Tir 1989 §44 Abs5;
BauO Tir 1989;
BauRallg;
B-VG Art139a;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
LO Tir 1989 Art41 Abs2;
VVG §1 Abs1 litb;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2 Z2;
VVG §10 Abs2;
VVG §2;
VVG §4 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1992, Zl. 91/06/0211 (betreffend die Abweisung eines nachträglichen Bauansuchens hinsichtlich des gegenständlichen, konsenswidrig errichteten "Wohnhausanbaues"), zu entnehmen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Juli 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 44 Abs. 5 Tiroler Bauordnung 1989 aufgetragen, binnen sechs Monaten (ab Zustellung des Bescheides) den ohne Baubewilligung an das bestehende Wohnhaus errichteten und "rechtskräftig abgewiesenen Anbau" von Wohnräumen im Ausmaß von 12,05 m x 6,60 m (bestehend aus Erdgeschoß und einem Obergeschoß für zwei getrennte Wohneinheiten) auf seine Kosten abzubrechen bzw. diesen Anbau so herzustellen, wie dies mit Bescheid vom 6. Juni 1988 bewilligt worden war (Anbau einer ebenerdigen Garage mit drei Stellplätzen im Ausmaß von 10,70 m x 6,60 m, überbaute Fläche 70,63 m2).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. März 1997 als unbegründet abgewiesen.
Ebenso wies auch die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 6. Oktober 1979, B 2263/97-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und sie mit weiterem Beschluß vom 6. November 1997, B 2263/97-5, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift eingebracht und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, hat jedoch keine Kosten verzeichnet.
Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei machen in ihren Gegenschriften geltend, daß entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde derzeit kein Baubewilligungsverfahren betreffend den verfahrensgegenständlichen Zubau anhängig sei.
Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei Stellung genommen und die Kopie eines Baugesuches vom 19. Juli 1994 (mit einer Einlaufstampiglie des Gemeindeamtes der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juli 1994) beigelegt, dessen Geschäftszahl jedoch nicht ersichtlich ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zunächst wiederholt der Beschwerdeführer seine im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof näher ausgeführten verfassungsrechtlichen Bedenken und verweist auf sein in jenem Verfahren erstattetes Vorbringen. Dieses - im verfassungsgerichtlichen Verfahren erfolglos gebliebene - Vorbringen vermag aber beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken an der Bundesverfassungsgesetzmäßigkeit des Art. 41 Abs. 2 der Tiroler Landesordnung 1989, LGBl. Nr. 61/1988, und an der Gesetzmäßigkeit der Kundmachung der Tiroler Landesregierung vom 28. März 1989, LGBl. Nr. 33, über die Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung, zu erwecken, weshalb sich der Verwaltungsgerichtshof zu den angeregten Antragstellungen an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt sieht.
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, in der Fassung LGBl. Nr. 10/1995, anzuwenden.
Gemäß § 44 Abs. 5 Tiroler Bauordnung 1989 sind Absatz 3 lit. a und Absatz 4 lit. a leg.cit. sinngemäß anzuwenden, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung des Bauvorhabens darstellt, zu deren Vornahme auch dann, wenn das Bauvorhaben bereits ausgeführt wäre, eine Baubewilligung erforderlich wäre. Sofern dies wirtschaftlich vertretbar ist, hat die Behörde anstelle des Abbruches der baulichen Anlage bzw. der Beseitigung des Bauvorhabens die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufzutragen.
§ 44 Abs. 3 lit. a Tiroler Bauordnung 1989 lautet:
"Die Behörde hat den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen,
- a) wenn für die bauliche Anlage, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und der Erlassung des Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist, eine Baubewilligung nicht vorliegt."
§ 44 Abs. 4 lit. a Tiroler Bauordnung 1989 lautet:
"Die Behörde hat die Beseitigung eines Bauvorhabens innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen,
- a) wenn ein nicht unter Absatz 3 fallendes bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wurde, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt."
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, der ihm auftrage, entweder den verfahrensgegenständlichen Anbau abzubrechen oder so herzustellen, wie dies dem Bescheid vom 6. Juni 1988 entspreche, gesetzwidrig sei, weil § 44 Abs. 5 Tiroler Bauordnung 1989 der zuständigen Behörde keine Wahlmöglichkeit lasse. Da dieser Spruch von der Berufungsbehörde übernommen und von der belangten Behörde für gut befunden worden sei, sei auch der bekämpfte Bescheid gesetzwidrig.
Des weiteren tritt der Beschwerdeführer der Ansicht der belangten Behörde entgegen, wonach im Vollstreckungsbescheid eine Konkretisierung vorzunehmen sei, wenn ein Bauauftrag einem Verpflichteten die Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Vorgangsweisen einräume. Da die Vollstreckung außerhalb des eigenen Wirkungsbereiches der jeweiligen Gemeinde von der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmen sei, sehe der Beschwerdeführer in der von der belangten Behörde behaupteten Konkretisierungsmöglichkeit des Titelbescheides durch die Vollstreckungsbehörde eine unzulässige Eingriffsmöglichkeit der Bezirksverwaltungsbehörde in den verfassungsrechtlich abgesicherten eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Der Gesetzgeber sieht im § 1 Abs. 1 lit. b VVG die Bezirksverwaltungsbehörde als Vollstreckungsbehörde vor. Aus § 10 Abs. 2 Z. 2 VVG geht hervor, daß die Vollstreckungsverfügung inhaltlich ihre Deckung im Titelbescheid finden muß. Dies setzt wiederum voraus, daß der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefaßt sein muß, daß einerseits dem Bescheidadressaten eine überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und ohne neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen - ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme - ergehen kann (siehe das Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 94/10/0036). Dem ist im gegenständlichen Fall mit dem erstinstanzlichen Abbruchbescheid entsprochen worden. Der Beschwerdeführer kann seiner Verpflichtung sowohl durch Abbruch des Zubaues als auch durch Herstellung des ursprünglich baugenehmigten Zubaues nachkommen.
Die Vollstreckungsbehörde wiederum kann eine der beiden Leistungen zum Inhalt der diesbezüglichen Vollstreckungsverfügung machen. Durch diese Konkretisierung erhält die Vollstreckungsverfügung ihre inhaltliche Deckung im Titelbescheid - dem Abbruchauftrag -, wobei sich die Vollstreckungsbehörde dabei in dem ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Rahmen bewegt. Denn durch die Auswahl einer der beiden Leistungsmöglichkeiten, die im Titelbescheid vorgesehen sind, greift die Vollstreckungsbehörde nicht in die Zuständigkeit der Gemeinde ein. Vielmehr nimmt sie in den durch den Titelbescheid vorgegebenen Grenzen lediglich eine zulässige Konkretisierung vor, verändert den Leistungsgegenstand nicht und schafft auch keinen neuen. Diesfalls ist weiters auf die hg. Judikatur zu verweisen, derzufolge der Vollstreckungsbescheid zu konkretisieren hat, wenn der Titelbescheid mehrere Möglichkeiten offenläßt (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 12. November 1985, Zl. 83/05/0019, bezüglich einen Auftrag zur Behebung von Baugebrechen).
In weiterer Folge moniert der Beschwerdeführer die Fristsetzung durch den erstinstanzlichen Abbruchbescheid zur Herstellung des der ursprünglichen Baubewilligung entsprechenden Zustandes bzw. Abbruch des Zubaues und bringt vor, diese sei nicht angemessen im Sinne des § 44 Abs. 3 Tiroler Bauordnung 1989 festgesetzt worden. Auch sei die Unterlassung der Verlängerung der usprünglich gesetzten Frist durch die Berufungsbehörde eine denkunmögliche und damit rechtswidrige Anwendung des § 44 Abs. 3 Tiroler
Bauordnung 1989. Der Beschwerdeführer tritt außerdem der Auffassung der belangten Behörde entgegen, wonach es ausreiche, daß in weiterer Folge auch in der Androhung der Ersatzvornahme durch die Vollstreckungsbehörde eine Frist gesetzt werde, mit dem Argument, daß auch diesfalls - wie bei der Konkretisierung des Titelbescheides durch die Vollstreckungsbehörde - ein unzulässiger Eingriff in die Gemeindeautonomie stattfinde.
Zunächst ist festzuhalten, daß im Beschwerdefall eine Frist von sechs Monaten als angemessen zu werten ist, zumal diese Frist tatsächlich erst ab Zustellung des Berufungsbescheides zu laufen begann, weil eine im Verwaltungsverfahren ergangene Berufungsentscheidung die rechtliche Wirkung hat, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist. Der Spruch des Berufungsbescheides, wonach die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde, war nämlich hier als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheides anzusehen (siehe dazu beispielsweise die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 199 zu § 66 Abs. 4 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf ein derzeit anhängiges Verfahren um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung vermag ihm nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil dies entsprechend der hg. ständigen Judikatur der Erlassung eines Abbruchauftrages nicht im Wege steht. Der Auftrag kann jedoch erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung des Bauansuchens vollstreckt werden. Daher kann auch dahingestellt bleiben, ob ein derartiges Verfahren tatsächlich anhängig ist oder nicht. Jedoch wird dies bei der allfälligen Einleitung des Vollstreckungsverfahrens zu klären sein. (Der zuvor genannte Grundsatz, wonach die Vollstreckung eines solchen Auftrages so lange unzulässig ist, als diesbezüglich ein Verfahren zur nachträglichen Baubewilligung anhängig ist, gilt aber nach der Judikatur nicht ausnahmslos: Siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. September 1984, Zlen. 84/05/0122, 0123 = BauSlg. 302 zur Wiener Bauordnung und zum VVG).
Abschließend macht der Beschwerdeführer geltend, daß seit längerer Zeit ein Antrag auf Umwidmung des gegenständlichen Grundstückes in eine Sonderfläche im Freiland anhängig sei, jedoch noch nicht darüber entschieden worden sei und die belangte Behörde den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe, als sie das Vorstellungsverfahren trotz dieser Tatsache fortgeführt und nicht unterbrochen habe.
Wie die belangte Behörde zutreffend sowohl im bekämpften Bescheid als auch in ihrer Gegenschrift ausführt, hat die Behörde gemäß § 38 AVG das Recht, das bei ihr anhängige Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde ist oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, räumt § 38 AVG den Parteien des Verwaltungsverfahrens keinen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens ein und es ist die betreffende Behörde auch nicht verpflichtet, das Verfahren zu unterbrechen (siehe beispielsweise die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 21 zu § 38 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Vor allem aber stellt der Umstand, daß es - allenfalls - zu einer Änderung des Flächenwidmungsplanes (das ist eine Verordnung), also zu einer Änderung der Rechtslage kommen könnte, keinen Grund für eine Aussetzung gemäß § 38 AVG dar, weil es sich dabei um keine Vorfrage im Sinne dieser Gesetzesstelle handelt.
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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