VwGH 2000/01/0224

VwGH2000/01/022415.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Mai 2000, Zl. 209.062/0-VII/20/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 Asylgesetz (mitbeteiligte Partei: IS in L, geboren am 8. August 1971), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der "BR Jugoslawien", beantragte am 3. November 1998 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. März 1999 "ohne in die Sache einzutreten gem § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen".

Der Mitbeteiligte sei über Ungarn nach Österreich eingereist. Es bestehe für ihn die Möglichkeit, in Ungarn Schutz vor Verfolgung zu finden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 32 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/1999 statt, behob den Bescheid der Behörde erster Instanz und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Es stehe fest, dass der Mitbeteiligte von Ungarn kommend nach Österreich eingereist sei.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung in rechtlicher Hinsicht folgendermaßen:

"Der Unabhängige Bundesasylsenat geht gegenständlich davon aus, dass vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.2.2000, 99/20/0246, die ungarische Rechtslage hinsichtlich der geltenden Rechtsmittelfrist (d.h. im verkürzten Verfahren drei Tage für eine Klage auf gerichtliche Überprüfung einer abweisenden Entscheidung der Asylbehörde (§ 46 ungar. AsylG)).

Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber in Ungarn eine den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG genügende Rechtsmittelfrist im ordentlichen Asylverfahren vorfinden werde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des ungarischen Asylverfahrens den Anforderungen an einen effizienten Rechtsschutz genüge getan wäre. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass einem Asylwerber - wie dem Bundesasylamt mitgeteilt - die Entscheidung übersetzt wird und er angeleitet wird, ob und wie er seine Berufung zu erheben hat.

Gerade gegenständlich hat der Asylwerber zwar behauptet, nicht mehr verfolgt zu werden, wonach § 44 lit. a ungar. Asylgesetz erfüllt ist, hat aber in Richtung Zumutbarkeit der Rückkehr vorgebracht (argum 'Ich habe niemanden mehr im Kosovo. Mein Haus wurde niedergebrannt"): Auch diesbezüglich erscheint die im ungarischen Asylverfahren vorgesehene Frist von drei Tagen aus der Sicht eines Asylwerbers zu kurz, um sich entsprechende ausführliche Informationen über den Herkunftsstaat zu verschaffen und die erstinstanzliche ungarische Entscheidung einer seriösen Überprüfung zu unterziehen. Die entsprechenden Ermittlungen über die Zumutbarkeit der Rückkehr in den Kosovo haben für die hierortige Behörde einige Tage in Anspruch genommen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Möglichkeiten für die Ermittlungstätigkeit zur allgemeinen Situation im Kosovo für eine Behörde eben wesentlich leichter sind als für einen Asylwerber, und müsste einem Asylwerber aus dem Kosovo zumindest eine Frist von fünf Werktagen zur Erhebung einer Berufung zugestanden werden. Die Frist von fünf Tagen erscheint gerade im Falle des Kosovo insofern ausreichend, als es sich bei den entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen um den Medien entnehmbare Tatsachen handelt.

Die Anleitung zur Berufungserhebung nach dem ungarischen Asylgesetz bewirkt daher gegenständlich keine ausreichende Rechtsschutzeffektivität. Damit wird der Asylwerber ja nicht in der Beschaffung und Beurteilung von Informationsmaterial zur Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung unterstützt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 38 Abs. 5 AsylG gestützte, objektive Rechtswidrigkeit geltend machende Amtsbeschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der angefochtene Bescheid setzt sich in Verkennung des Inhaltes des hg. Erkenntnisses vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246, mit der ungarischen Rechtslage und Praxis zum Punkt "Bedeutung der dreitägigen Rechtsmittelfrist im abgekürzten ung. Asylverfahren" (nicht hinreichend vollständig) auseinander, um den im hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 99/01/0408, 0409 (mit dem über einen Bescheid erkannt wurde, der Ungarn als "sicheren Drittstaat" im Sinne des § 4 Abs. 2 AsylG wertete), dargelegten Anforderungen zu genügen (vgl. dessen Pkt. 3.2, inhaltliche Erfassung des Bescheides, Ergänzbarkeit eines Rechtsmittels). Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Ohne Durchführung der im genannten Erkenntnis geforderten Ermittlungen ist es auch nicht möglich zu verneinen, dass Ungarn ein "sicherer Drittstaat" im obigen Sinne sei. Aus den im genannten Erkenntnis vom 11. Oktober 2000 angeführten Gründen war auch hier der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 15. November 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte