VwGH 99/20/0246

VwGH99/20/024624.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. März 1999, Zl. 207.283/15-II/04/99, betreffend Zulässigkeit eines Asylantrages (mitbeteiligte Partei:

AM in M, geboren am 1. Jänner 1959, vertreten durch Mag. Werner Dax, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Techno-Park), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §32 Abs1 impl;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3a idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z2 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z4 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §5;
AsylG 1997 §32 Abs1 impl;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3a idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z2 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z4 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Der Mitbeteiligte - ein pakistanischer Staatsbürger - reiste am 1. Dezember 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle aus der Slowakischen Republik kommend in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Dezember 1998 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Dezember 1998 "ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I 1997/76 (AsylG), als unzulässig zurückgewiesen" wurde.

Das Bundesasylamt führte aus, dem Mitbeteiligten sei bei seiner Einvernahme am 18. Dezember 1998 vorgehalten worden, in der Slowakei als sicherem Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden zu können, und traf folgende Feststellungen:

"Die Slowakische Republik hat am 01.01.1993 die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 sowie das New Yorker Protokoll von 1967 unterzeichnet und am 18.3.1992 die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) ratifiziert sowie eine Erklärung nach Art 25 MRK abgegeben. Die Hinterlegung der Nachfolgeerklärung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen erfolgte am 04. Februar 1993, wurde aber erst am 19. November 1996 im slowakischen Gesetzblatt veröffentlicht. Gemäß Art. 11 der slowakischen Verfassung genießen seither die Genfer Flüchtlingskonvention sowie das New Yorker Protokoll Vorrang vor innerstaatlichem Recht.

Am 1. Jänner 1996 trat ein neues Gesetz über Flüchtlinge Nr. 283/1995 in Kraft, welches das Gesetz Nr. 498/1990 ersetzte. Ein neues Ausländergesetz Nr. 73/1995, welches das vorhergehende Gesetz Nr. 123/1992 ersetzte, trat am 01. Juli 1995 in Kraft. In Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes über Flüchtlinge Nr. 283/1995 wurde der Flüchtlingsbegriff des Art. 1 A der GFK inkorporiert. Für offensichtlich unbegründete Anträge ist ein beschleunigtes Asylverfahren vorgesehen (vgl. Art. 10 leg. cit.). Bei Anwendung des Konzeptes Sicherer Drittstaaten bzw. Sicherer Heimatstaaten ist ebenfalls eine Bearbeitung in einem beschleunigten Verfahren möglich (vgl. Art. 8, 10, 29 leg. cit.).

(...)

Jeder Fremde hat in der Slowakei die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen. Dies gilt auch für eine Person, die seitens der Republik Österreich der Slowakischen Republik überstellt und dort allenfalls in Schubhaft genommen wird. Es kann auch aus der Schubhaft heraus ein Asylantrag gestellt werden. Asylanträge, die gegenüber Organen der slowakischen Fremdenpolizei gestellt werden, werden an das zuständige Asylamt weitergeleitet und der Asylwerber wird nach einer ersten Einvernahme durch die Fremdenpolizei in ein Aufnahmelager überwiesen. UNHCR verfolgt das Agieren der Behörden sehr sorgfältig.

Die in der Slowakei geltende Antragsfrist von 24 Stunden wird nicht von der erstmaligen, sondern von der jeweils letzten Einreise berechnet. Sohin beginnt diese Frist im Falle einer Rückstellung durch die Republik Österreich neu zu laufen. Es kann allerdings auch nach Ablauf dieser 24-Stundenfrist ein Asylantrag gestellt werden. Die einzige Rechtsfolge der Versäumung der 24-Stundenfrist besteht darin, dass der Asylantrag in einem beschleunigten Verfahren behandelt wird. Grundsätzlich wird jeder Asylantrag genau beurteilt.

Das beschleunigte Verfahren unterscheidet sich vom normalen Asylverfahren nur durch kürzere Entscheidungs- und Berufungsfristen. In dem beschleunigten Verfahren beträgt die Entscheidungsfrist für die Asylbehörde erster Instanz sieben Tage und die Berufungsfrist drei Tage. Ansonsten gelten die gleichen Regelungen wie im normalen Verfahren und es wird jeder Asylantrag geprüft. Es wird eine Einvernahme zu den Fluchtgründen durch die Asylbehörde unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt, der Asylwerber hat die Möglichkeit einen Rechtsbeistand beizuziehen und kann mit dem UNHCR Kontakt aufnehmen. Üblicherweise wird Vertretern des UNHCR die Möglichkeit geboten, an den Vernehmungen teilzunehmen, wovon jedoch nur selten Gebrauch gemacht wird. Die Entscheidung, ob ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird, trifft das Asylamt. Bei dieser Entscheidung werden auch Rechtfertigungsgründe berücksichtigt (etwa physische oder psychische Erschöpfung, Sprachbarrieren). Zu jedem Asylantrag wird ein mit Bescheid abzuschließendes Asylverfahren durchgeführt. Gegen die Entscheidung der Asylbehörde kann, auch im beschleunigten Verfahren, ein Rechtsmittel erhoben werden. Für das Berufungsverfahren gelten die allgemeinen Bestimmungen. Asylbehörde

2. Instanz ist das Innenministerium. Weiters ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofes der slowakischen Republik möglich.

Mit der Regelung betreffend die 24-Stundenfrist soll der Asylmissbrauch bekämpft werden. In der Praxis hat diese Regelung jedoch nicht den gewünschten Erfolg gebracht.

Gemäß dem slowakischen Asylrecht hat der Umstand, dass ein Antragsteller über keine ausreichenden Identitätsdokumente verfügt, keine automatisch eintretenden nachteiligen Rechtsfolgen. Rund 95 % der Asylwerber sind undokumentiert. Im Verfahren wird unter Einsatz moderner erkennungsdienstlicher Technologien versucht, die Identität des Antragstellers festzustellen.

Eine Person, die in der Slowakischen Republik einen Asylantrag gestellt und sich während dieses noch laufenden Verfahrens nach Österreich begeben hat und die daraufhin wieder in die Slowakische Republik zurückgestellt wird, hat weiterhin Zugang zu einem Asylverfahren in der Slowakei.

Wurde das Asylverfahren in der Slowakischen Republik wegen unbekannten Aufenthaltes des Antragstellers bereits eingestellt, kann die betreffende Person einen neuerlichen Asylantrag in der slowakischen Republik stellen.

Wurde das Asylverfahren noch nicht eingestellt, wird dieses fortgeführt.

Der Asylantrag einer Person, die von Österreich in die slowakische Republik zurückgestellt wird, wird von der slowakischen Republik geprüft und nicht allein deswegen abgelehnt, weil der Antragsteller bereits im Gebiet der Republik Österreich Schutz vor Verfolgung gefunden hätte.

Schutz vor Refoulement

Gemäß Art. 4 Abs. 8 des slowakischen Flüchtlingsgesetzes Nr. 283/1995 darf ein Asylwerber nicht ausgewiesen bzw. an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn dem/der Betroffenen Folter, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe aus Gründen der Rasse, Nationalität, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht. Ein Schutz vor Refoulement ist ausgeschlossen, wenn berechtigte Gründe vorliegen, dass ein Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit der Slowakischen Republik darstellt oder rechtskräftig wegen eines besonders schweren Vorsatzdeliktes verurteilt worden ist.

Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch in Art. 15 des Ausländergesetzes Nr. 73/1995, wonach ein Fremder nicht in ein Land abgeschoben werden darf, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Gefahr sind. Dieser Schutz wird nicht gewährt, wenn der Fremde eine Bedrohung für die staatliche Sicherheit darstellt oder wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden ist. Ein Fremder darf nicht in ein Land abgeschoben werden, wo er zum Tode verurteilt worden ist oder wo ihm die Todesstrafe oder Folter droht."

Weiters führte das Bundesasylamt aus, dass sich die Feststellungen auf das Resümee eines Arbeitsgespräches stützten, das am 5. Mai 1998 in Preßburg zwischen hochrangigen Funktionären des Innenministeriums der slowakischen Republik und des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich stattgefunden habe. Das Bundesasylamt gehe davon aus, dass sich die slowakischen Behörden auch entsprechend den geltenden gesetzlichen Verpflichtungen verhalten. Diese österreichische Formalentscheidung gemäß § 4 AsylG sei von einer (slowakischen) Drittstaatsklausel "im Sinne einer Rückverweisung, d.h. 'konkurrierenden Drittstaatssicherheit', nicht umfasst", woraus sich eindeutig ergebe, dass dem Mitbeteiligten in der Slowakei ein meritorisches Asylverfahren offen stehe.

Rechtlich folgerte das Bundesasylamt,

"dass in der Slowakei die legistischen Voraussetzungen der Drittstaatssicherheit gemäß § 4 Abs. 2 AsylG wohl zweifellos und unbestritten gegeben sind.

Steht dies aber fest, so kann die Drittstaatssicherheit nur mehr im Falle einer diese Bestimmungen negierenden Vollzugspraxis in Frage stellt werden. (...)

Darüber hinaus ist durch das Bundesasylamt festzuhalten, dass die GFK selbst nur materielle Bestimmungen, im Besonderen die Flüchtlingseigenschaft, enthält und keinerlei verfahrensrechtliche Regelungen zur Feststellungen der Flüchtlingseigenschaft festschreibt. Die konkrete Ausgestaltung der Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bleibt den einzelnen Staaten überlassen (vgl. UNHCR - Handbuch, Genf 1979, Ziffer 191), wobei jedoch all die unterschiedlichen, staatlichen Verfahren bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllen sollten (ibid, Ziffer 192),

(...).

Die Slowakei hat - wie schon mehrfach ausgeführt - die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, womit dieser Staat die Kriterien des § 4 Abs. 3 AsylG 1997 eindeutig erfüllt bzw. diesen entsprochen hat. Erst bei Vorliegen konkreter sowie nachvollziehbarer Anhaltspunkte aus der slowakischen Praxis, welche Rückschlüsse auf einen so genannten "Regelfall" zulassen würden, kann allenfalls festgestellt werden, dass der gesetzlich eingeräumte Rechtsschutz im Drittland, trotz entsprechender Rahmenbedingungen für betroffene Asylwerber möglicherweise nicht effektuierbar ist! Zum jetzigen Zeitpunkt besteht aber ein solcher Anhaltspunkt im gegenständlichen Fall nicht!"

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung gemäß § 32 Abs. 2 AsylG stattgegeben, den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Nach einer Wiedergabe von Inhalten des erstinstanzlichen Bescheides und nach einer Wiedergabe des Verlaufs des Berufungsverfahrens unter Erwähnung der Durchführung dreier Termine zur mündlichen Berufungsverhandlung, führte die belangte Behörde

Folgendes aus:

"In der Berufungsverhandlung wurden unter anderem folgende

Sachverhaltsfragen erörtert:

  1. 1. Zugang zum slowakischen Asylverfahren;
  2. 2. Ausgestaltung des - direkten wie indirekten - Refoulementschutzes.

    ad 1.:

    Zu dieser (...) Frage haben die Vertreter des UNHCR am 4.3.1999 Folgendes ausgeführt:

'In der Tat gibt es im slowakischen Flüchtlingsgesetz

drei

24-Stunden-Fristen:

a) Art. 4 Abs. 2b, welcher normiert, dass ein Fremder innerhalb von 24 Stunden nach Grenzüberschreitung einen Asylantrag stellen muss. Kommt er dem nicht nach, treten die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 4 des Erlasses Nr. 4/1996 in der Fassung Nr. 20/1996 ein (der Zugang zum Asylverfahren ist unwiderruflich verwehrt).

b) Art. 4 Abs. 5 normiert, dass der Asylwerber einen Identitätsausweis mit 24 Stunden Gültigkeit erhält. Dieser gilt als Identitätsausweis während seiner Reise zum Aufnahmelager. In anderen Worten: der Asylsuchende hat sich innerhalb von 24 Stunden in dieses Lager zu begeben. In der Regel übernimmt die zuständige staatliche Behörde fristwahrend den Transport zum Aufnahmelager.

c) Art. 5 Abs. 1 schreibt vor, dass der Asylwerber innerhalb von 24 Stunden nach Erreichen des Aufnahmelagers einen schriftlichen Asylantrag einreichen muss. Kommt er dem nicht nach, so treten die Rechtsfolgen des Art. 10 ein (beschleunigtes Verfahren im Sinne von § 2 Abs. 3 des oben zitierten Erlasses).

Hinsichtlich Art. 5 Abs. 2 Flüchtlingsgesetz haben sich in der Praxis Schwierigkeiten dahingehend ergeben, dass Asylwerber des Schreibens und Lesens unkundig oder zumindest der slowakischen Sprache nicht mächtig waren, und ein Dolmetscher gem. Art. 5 Abs. 3 Flüchtlingsgesetz nicht innerhalb der 24 Stundenfrist gestellt werden konnte. In der Praxis wurde jedoch diese 24 Stundenfrist, wenn die Versäumnis im Kompetenzbereich der Behörden lag, flexibel gehandhabt (nicht zum Nachteil des Asylwerbers).'

Das Bundesasylamt hat vor dieser (erst nach längerer Erörterung abgegebenen, in der Folge aber auch vom Bundesasylamt nicht beeinspruchten) Klarstellung, erkennbar noch von der Ansicht ausgehend, dass das slowakische Asylrecht nur eine einzige 24-Stunden-Frist für die Antragstellung vorsehe und die Konsequenz von deren Versäumung (lediglich) in der Durchführung des - vor allem durch eine verkürzte (7-tägige) erstinstanzliche Entscheidungsfrist und eine verkürzte (3-tägige) Berufungsfrist gekennzeichneten - beschleunigten Verfahrens liege, am 4.3.1999 im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

'Das Bundesasylamt möchte vorausschicken, dass die Wahrung der 24-stündigen Antragsfrist in der Einflusssphäre des zurückgestellten Asylwerbers gelegen ist. Darüber hinaus darf das Bundesasylamt unter Verweis (auf) § 29 Abs. 2 AsylG (bemerken), dass in jedem Falle einer Rückstellung durch die österreichischen Behörden an die Slowakei ein in der slowakischen Sprache verfasstes Mitteilungsblatt den slowakischen Behörden übergeben wird, in dem auf den in Österreich eingebrachten Asylantrag hingewiesen wird und ausdrücklich festgehalten ist, dass der Asylantrag wegen des in sicheren Drittstaaten bestehenden Schutzes nicht inhaltlich geprüft worden ist.

... wird ausgeführt, dass auf Grund der vom Bundesasylamt oben beschriebenen Umstände die Anwendung des Schnellverfahrens im Sinne der bloßen Fristversäumnis bei Rückstellungen nicht zur Anwendung kommen wird. Dies basiert darauf, dass nach Wissensstand des BAA-Vertreters Rücküberstellungen ausschließlich im Zuge fremdenpolizeilicher Maßnahmen erfolgen und somit eine Kontaktaufnahme zwischen österreichischen und slowakischen Staatsorganen jedenfalls stattfindet. ... wird ... ausgeführt, dass sich aus § 4 Abs. 2 des slowakischen Flüchtlingsgesetzes ergibt, dass der Stellung des eigentlichen Antrages eine schriftliche oder zu Protokoll zugebende Erklärung voranzugehen hat. Die erste Möglichkeit, eine solche Erklärung abzugeben, ist bei der Einreise in die Slowakei bei der Dienststelle der Ausländerpolizei am Ort des Grenzüberganges; nach der Anordnung des slowakischen Innenministers vom 16.1.1996 ist die Polizei verpflichtet, diese Erklärung entgegenzunehmen. Der weitere Vorgang des Verfahrens bestimmt sich nach § 5 des Flüchtlingsgesetzes; nach seinem Abs. 1 muss der Ausländer innerhalb von 24 Stunden nach Eintreffen im Aufnahmelager den Antrag auf Anerkennung als Flüchtling stellen; falls der Antrag später gestellt wird, entscheidet das Innenministerium im abgekürzten Verfahren.

... Das BAA sieht daher in der Ausgestaltung des Schnellverfahrens, in concreto der dreitägigen Berufungsfrist, in Anbetracht der Tatsache, dass dieses Verfahren - wie bereits mehrfach ausgeführt - bei Rückstellungen aus Österreich nicht zur Anwendung kommt und der Möglichkeit, im Anschluss an die zweitinstanzliche Entscheidung zum Obersten Gerichtshof zu gehen, keine Einschränkung des Zuganges zum Asylverfahren im Sinn des § 4 Abs. 2 österreichisches AsylG. Insbesondere deshalb, da dem Gesetz keinerlei Kriterien für die inhaltliche Ausgestaltung der Berufung zu entnehmen sind und § 4 Asylgesetz auch keinen Instanzenzug vorsieht.'

Der Vertreter der Berufungswerber hat zu diesem Punkt unter anderem Folgendes vorgebracht:

'Das BAA übersieht, dass es neben der zwangsweisen Rücküberstellung in die Slowakei auch möglich ist, sich freiwillig dorthin zu begeben und dabei kein Kontakt zwischen den österreichischen und slowakischen Fremdenpolizeibehörden besteht.

§ 29 Abs. 2 österr. AsylG bezieht sich lediglich darauf, dass die dort genannte Bestätigung lediglich dem Asylbewerber ausgehändigt werden muss. Diese Bestätigung muss und wird nicht an die slowakischen Fremdenbehörden übergeben und wäre diese auf Grund mangelnder Kenntnis des rechtlichen Zusammenhanges nicht in der Lage, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen bzw. dem Asylwerber mitzuteilen.

... Zum beschleunigten Asylverfahren nach Art. 10 wird lediglich eventualiter vorgebracht, dass die dort vorgesehene Berufungsfrist von drei Tagen keineswegs ausreichend ist, eine begründete Berufung zu verfassen. Diesbezüglich wird auf die Judikatur des österr. Verfassungsgerichtshofes verwiesen, der aus rechtsstaatlichen Erwägungen einen Berufungsfrist von zumindest 7 Tagen für erforderlich hält und dieses Kriterium auch hinsichtlich der Frage, ob ein Asylverfahren in einem anderen Staat (Slowakei) offen steht, zu Grunde zu legen ist.'

Am 17.3.1999 hat das Bundesasylamt noch ergänzend zum Modus der Rückstellung von Asylwerbern in einen sicheren Drittstaat folgendes ausgeführt:

'Den Asylwerbern wird gemäß § 29 Abs. 2 Asylgesetz eine Bestätigung nicht nur in der slowakischen sondern auch in der deutschen und in einer für den Asylwerber verständlichen Sprache ausgefolgt.

(...)

Daraus lässt sich eindeutig entnehmen, dass es in jedem Fall eines in Österreich gemäß § 4 Asylgesetz finalisierten Asylverfahrens eine Kontaktaufnahme zwischen österreichischen und slowakischen Behörden bei der Rückstellung gibt. Durch die in jedem Fall vorgenommene Einvernahme ist eine Asylantragstellung an der Grenze und somit fristwahrend möglich. Zum Beweis dafür wird eine Übersetzung eines slowakischen Schreibens der Landesdirektion der Polizei in Bratislava an die Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Niederösterreich vorgelegt.'

Darauf hat der Vertreter der Berufungswerber in seiner abschließenden Stellungnahme wie folgt repliziert:

'Das Bundesasylamt übersieht in seiner Stellungnahme, dass neben der zwangsweisen Verbringung der Asylwerber auch die freiwillige Ausreise aus Österreich in Betracht kommt. Zum anderen ist selbst in den hier bekämpften Bescheiden sowie deren Rechtsbelehrungen nach wie vor lediglich der Hinweis einer 24-Stunden-Frist gegeben und nicht, wie es der Rechtslage der Slowakei entspricht, der Hinweis von drei 24-Stunden-Fristen. Die vom Asylwerber zu beachtende Rechtslage ist daher für diesen keineswegs klar und nachvollziehbar und entspricht auch nicht der Genfer Konvention.'

ad 2.: ... ."

Ferner traf die belangte Behörde über die Gesetzeslage in der Slowakei folgende Feststellungen:

"a) slowakische Verfassung (in dem unabhängigen Bundesasylsenat zugänglicher deutscher Übersetzung) 'Art. 2

(1) Die Staatsgewalt rührt von den Bürgern her, die sie durch ihre gewählten Vertreter oder unmittelbar ausüben.

(2) Staatsorgane können nur auf Grundlage der Verfassung, in ihren Grenzen und in einem vom Gesetz bestimmten Umfang und Verfahren tätig werden.

(3) Jeder kann tun, was nicht durch Gesetz verboten ist, und niemand kann gezwungen werden, etwas zu tun, was nicht durch Gesetz auferlegt wurde.

Art. 11

Internationale Abkommen über Menschenrechte und Grundfreiheiten, die von der slowakischen Republik ratifiziert und in der vom Gesetz festgesetzten Art kundgemacht wurden, haben Vorrang vor ihren Gesetzen, soweit sie weiterreichende Grundrechte und Freiheiten garantieren.

Art. 16

(1) Die Unantastbarkeit der Person und ihrer Privatsphäre ist gewährleistet. Sie kann nur in den durch Gesetz festgesetzten Fällen begrenzt werden.

(2) Niemand darf gefoltert oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen werden.

Art. 125

Das Verfassungsgericht entscheidet über die Vereinbarkeit

  1. a) von Gesetzen mit der Verfassung und den Verfassungsgesetzen,
  2. b) von Regierungsverordnungen, allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften der Ministerien und sonstigen Zentralorgane der Staatsverwaltung mit der Verfassung, den Verfassungsgesetzen und den Gesetzen,

    c) von allgemein verbindlichen Verordnungen der Organe der Gebietsselbstverwaltung mit der Verfassung und den Gesetzen,

    d) von allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften örtlicher Organe der Staatsverwaltung mit der Verfassung, den Gesetzen und anderen allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften,

    e) von allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften mit internationalen Verträgen, die auf die gleiche Weise verlautbart wurden, wie sie für die Kundmachung der Gesetze vorgeschrieben ist.

    Art. 127

    Das Verfassungsgericht entscheidet über Beschwerden gegen rechtskräftige Entscheidungen der Zentralorgane der Staatsverwaltung, der örtlichen Organe der Staatsverwaltung und der Organe der Gebietsselbstverwaltung, durch die Grundrechte und -freiheiten der Bürger verletzt wurden, sofern nicht über den Schutz dieser Rechte und Freiheiten ein anderes Gericht entscheidet.

    Art. 144

(1) Die Richter sind in ihrer Entscheidung unabhängig und nur an das Gesetz gebunden.

(2) Soweit es die Verfassung oder ein Gesetz vorschreiben, sind die Richter auch an internationale Abkommen gebunden.

(3) Wenn das Gericht zur Ansicht gelangt, dass eine andere allgemein verbindliche Rechtsvorschrift einem Gesetz widerspricht, unterbricht es das Verfahren und beantragt die Einleitung eines Verfahrens vor dem Verfassungsgericht. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts der slowakischen Republik ist für dieses wie auch für andere Gerichte bindend.'

b) slowakisches Flüchtlingsgesetz (in dem unabhängigen Bundesasylsenat zugänglicher englischer Übersetzung):

Article 4 - Commencement of the Procedure

(1) The Procedure for the determination of refugee status on the territory of the Slovak Republic is under the competency of the Ministry. The procedure commences when the alien declares his/her intention to apply for refugee status.

(2) An alien (further only 'applicant') who intends to apply for refugee status in the Slovak Republic will declare, in writing on orally, into the protocol (record) that he is applying for granting refugee status (hereinafter referred to as 'the written declaration')

a) at the border at the time of entry into the Slovak Republic at the Police Department of the frontier crossing,

b) within 24 hours after crossing the border of the Slovak Republic at the Police Department at the place of his stay unless there are serious obstacles,

c) within the period of permitted stay on the territory of the Slovak Republic, at the Police Department at the place of his stay in the case that in the country of his last permanent residence a situation originated which does not allow his return to the country, if in the country of his last residence such a situation occurs that he cannot or does not want to return.

(5) The Police Department will provide the alien, referred to in section 2, with a card, which will replace his identity paper. The card is valid for 24 hours. This documents serve as identity card during his transportation to Reception centre.

(6) If is of public interest, the transport of an alien to the reception centre for refugees will be carried out under the supervision of a member of the Police Department.

(7) The Ministry, upon the request of an applicant, who applies in writing for the granting of refugees status during his legal stay on the territory of the Slovak Republic, shall decide if he will be accommodated in the reception centre for refugees.

Article 5

(1) An alien who declared his/her intention to apply for the granting of refugee status (further only 'Applicant'), shall submit within 24 hours form arrival in the reception centre a written application for granting of refugees status to the Ministry if there are no serious obstacles to do so; otherwise procedure under Article 10 will be followed. In his/her application the applicant is obliged to state truly and completely all required data.

(2) An applicant who is illiterate will communicate his application for granting refugee status orally into a protocol (record) in the presence of a third person. If the applicant's capacity is limited he must be represented in the procedure by a legal representative; if he does not have a legal representative and it is necessary to defend his rights, the Ministry will appoint him with a guardian.

(3) Whenever an applicant is not able to communicate in the official language of the Slovak Republic, the Ministry calls for an interpreter.

Article 10 - Accelerated Procedure

(1) If an alien, whose claim is manifestly unfounded, has applied for the granting of refugee status on the territory of the Slovak Republic, the Ministry will make a decision within 7 days the commencement of the procedure.

(2) The decision of the Ministry according to section (1) can be appealed with a suspensive effect within 3 working days since it has been delivered.

(3) Article 8 of his law may be used adequately in the accelerated procedure.'

c) slowakisches Fremdengesetz (in dem unabhängigen Bundesasylsenat zugänglicher englischer Übersetzung):

"§ 14 - Deportation

(1) A foreigner entering without authorization or staying without authorization in the territory of the Slovak Republic can be deported.

(2) Deportation of a foreigner is performed by a police section.

§ 15 - Obstacles to deportation

(1) A foreigner cannot be deported form the territory of the Slovak Republic to a state where his life or freedom would be at risk because of his race, religion, nationality, membership in a certain social group or for political belief. This is not valid if a foreigner threatens the state security or was sentenced because of a particulary serious offence.

(2) A foreigner cannot be expelled to a country where he was sentenced to or faces the death penalty. Likewise, a foreigner cannot be expelled to a state where he is threatened with torture.'

(...)."

Zur Frage des Zugangs zum slowakischen Asylverfahren vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass dieser nicht dem Standard der österreichischen Rechtsordnung entspreche. Die Sanktion bei einer Versäumung der in Art. 4 Abs. 2 lit. b des slowakischen Flüchtlingsgesetzes vorgesehenen Frist von 24 Stunden (nämlich die Verweigerung des Zugangs zum Asylverfahren) sei überschießend. Die Versäumung der in Artikel 5 Abs. 1 des slowakischen Flüchtlingsgesetzes normierten Frist von 24 Stunden könne bedeuten, dass für eine Berufung nur eine unangemessen kurze Berufungsfrist zur Verfügung stünde.

Zur Frage des direkten wie indirekten Refoulementschutzes verwies die belangte Behörde darauf, dass die festgestellten rein tatsächlichen Abschiebungshindernisse in der slowakischen Republik nicht bestandkräftig genug seien, um das in § 4 Abs. 2 AsylG normierte Schutzerfordernis zu erfüllen. Die Rechtslage zum Refoulementschutz sei unsicher, weil sich die Tatbestände der "unmenschlichen" oder "erniedrigenden" Behandlung oder Strafe aus § 15 Abs. 2 des slowakischen Fremdengesetzes nur nach der Meinung von "Rechtsgelehrten und höchsten Richtern" aus dem dort verwendeten Begriff "Folter" ableiten ließen, diese verfassungskonforme Interpretation aber noch nicht auf die Ebene der slowakischen Vollzugsbeamten, mit denen der mitbeteiligte Asylwerber unmittelbar konfrontiert wäre, herabgelangt sei. Die Mühe der Provozierung einer dem Wortlaut des einfachen Gesetzes widersprechenden Judikatur könne dem Asylwerber aber nicht zugemutet werden. Auch das einfachgesetzlich nicht normierte Verbot der Kettenabschiebung könne derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit im Wege des Artikel 11 der slowakischen Verfassung abgeleitet werden. Der dort ausgesprochene Vorrang der internationalen Abkommen über Menschenrechte und Grundfreiheiten sei nicht unmittelbar wirksam und könne nur vom slowakischen Verfassungsgericht hergestellt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - gemäß § 38 Abs. 5 AsylG zulässige und auch rechtzeitige - Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen (inhaltlicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 1999 hat der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG Gelegenheit gegeben, zu folgenden Gründen für eine mögliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides Stellung zu nehmen:

"Nach vorläufiger Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Umschreibung der Gründe in § 4 Abs. 3a AsylG, aus welchen der Bundesminister für Inneres mit Verordnung Staaten bezeichnen kann, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren, zugleich verdeutlicht, welche qualitativen Voraussetzungen er bei einem 'Asylverfahren ..., das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt' im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG vor Augen hatte. Dieselben Qualitätskriterien könnten auch für das in § 4 Abs. 2 AsylG genannte 'Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention' gelten, das dem Asylwerber nach dieser Gesetzesstelle im Drittstaat offen stehen muss.

Die festgestellte Verfahrensrechtslage in der Slowakischen Republik vermag die genannten qualitativen Anforderungen möglicherweise insofern nicht zu erfüllen, als im beschleunigten Verfahren nach dem Art. 10 des slowakischen Flüchtlingsgesetzes die Berufungsfrist nur drei Werktage beträgt (vgl. zu den Anforderungen an eine Rechtsmittelfrist die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a., vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., und vom 15. Juni 1999, G 56/99) und dieses beschleunigte Verfahren nicht nur als mögliche Sanktion für eine Versäumung der Antragsfrist, sondern generell als Konsequenz für Asylanträge, die von den Behörden der Slowakischen Republik als offensichtlich unbegründet angesehen werden, vorgesehen ist.

Weil unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall die Antragsfrist im slowakischen Asylverfahren eingehalten werden könnte, nicht auszuschließen ist, dass der Asylantrag der mitbeteiligten Partei von den Behörden der Slowakischen Republik als offensichtlich unbegründet angesehen und in dem für diesen Fall vorgesehenen beschleunigten Verfahren behandelt würde, welches wegen der kurzen Berufungsfrist möglicherweise nicht den Voraussetzungen des § 4 AsylG entspricht, ist fraglich, ob im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG ein Schutz im sicheren Drittstaat vorliegt."

Der beschwerdeführende Bundesminister hat dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Stellungnahme vom 7. Jänner 2000 Folgendes entgegengehalten:

"In bezug auf den ersten Aspekt der in Rede stehenden Rechtsauffassung, wonach nämlich der Verordnungsermächtigung des Abs. 3a ein interpretativer oder gar modifizierender Gehalt im Hinblick auf die Auslegung der Absätze 2 und 3 des § 4 Asylgesetz 1997 zukomme, hält der Bundesminister für Inneres seine schon in der Beschwerdeschrift vom 12. Mai 1999, Zahl 4.354.492/2-III/13/99, geäußerte und begründete Ansicht aufrecht, wonach dieser Abs. 3a sich ausschließlich an den Verordnungsgeber richtet und ihm bis zur Erlassung derartiger Verordnungen normativer Gehalt für Einzelverfahren nicht zukommt. Diese normative Unabhängigkeit erklärt sich für den Bundesminister für Inneres aus dem Umstand der Sachangemessenheit strengerer Voraussetzungen für die Erlassung einer sichere Drittstaaten bezeichnenden Verordnung im Vergleich mit den eine Individualprüfung determinierenden Normen, da es im Falle der Geltung einer solchen Verordnung notwendigerweise zu einem summarischen Verfahren kommen würde, weshalb für eine generelle Norm im gegebenen Kontext höhere Qualitätsparameter zu verlangen sein werden denn auf Grund des aktuellen Systems der strikten Einzelfallprüfung. Der Bundesminister für Inneres geht zwar davon aus, dass ein Staat, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3a AsylG erfüllt, regelmäßig den Kriterien der §§ 4 Abs. 2 und 3 leg. cit. entsprechen wird, sodass ein entsprechender Befund im Einzelfall die Drittstaatsicherheit des betreffenden Staates erweisen würde, doch kann sich dieser Beweis im Rahmen eines konkreten Verfahrens auch aus anderen Umständen ergeben: so würde etwa an die Stelle der in § 4 Abs. 3a Z 4 AsylG genannten Voraussetzung ohne weiters ein Aufenthaltsrecht in einem weiteren sicheren Staat treten können, wenn dieses mit der Befugnis, sich für die Dauer von Asylverfahrenshandlungen in den Erststaat begeben zu dürfen, gekoppelt wäre. Die Asylbehörde ist somit im Einzelfall nach wie vor an § 4 Abs. 2 AsylG gebunden; die Kriterien des § 4 Abs. 3a leg. cit. können nur als Orientierung gelten.

Nach Auffassung des Bundesministers für Inneres würde aber selbst die unterstellte direkte Anwendbarkeit des Kriterienkataloges des Abs. 3a nicht in Konflikt mit der Existenz eines Schnellverfahrens im herangezogenen Drittstaat kommen. Mit anderen Worten, es ist für den Bundesminister für Inneres nicht ersichtlich, mit welcher der im Kriterienkatalog des Abs. 3a statuierten Voraussetzungen für das Vorliegen eines sicheren Drittstaates die Existenz eines Schnellverfahrens mit dreitägiger Berufungsfrist daselbst inkompatibel sein könnte. Auch der vorliegende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes lässt diese Frage eigentlich offen, da keinerlei konkrete Beziehung zwischen dem normativen Gehalt des für den Verwaltungsgerichtshof möglicherweise im vorliegenden Fall direkt anwendbaren Abs. 3a und dem slowakischen Schnellverfahren hergestellt wird.

Der einzige Ansatzpunkt in Abs. 3a für die angedeutete Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes scheint dessen Ziffer 3 zu sein, wonach nämlich in einem sicheren Drittstaat die Entscheidung der zur Prüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden können muss. Dass dies in der Slowakei möglich ist, wird nun aber auch durch die Existenz von Kurzverfahren daselbst nicht dementiert. Der Gesetzgeber verlangt explizit nur die abstrakte Möglichkeit, die Rechtssache vor eine Überprüfungsinstanz bringen zu können. Qualitätsstandards für ein solches gefordertes Rechtsmittelverfahren werden hingegen keine aufgestellt, sondern wird die bloße abstrakte Existenz der Möglichkeit, Rechtsmittel einzubringen, statuiert.

Insbesondere eignet sich die gegenständliche Formulierung in Abs. 3a in ihrer minimalistischen Ausgestaltung keineswegs dazu, sie normativ etwa, wie es der vorliegende Beschluss andeutet, mit den Erwägungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofes in seinen Erkenntnissen über die Kurzverfahren gemäß § 32 Asylgesetz 1997 auszufüllen. Der Verfassungsgerichtshof hatte damals ja nicht darüber abzusprechen, ob eine bestimmte Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens etwa den Anforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention oder eines sonstigen internationalen Instrumentes entsprach, sondern wurde zur Beurteilung einer Sonderverfahrensbestimmung der Standard dessen, was in Österreich unter rechtsstaatlichem Verwaltungsverfahren verstanden wird, angelegt. Dazu ist aber zu bemerken, dass traditionell die Rechtsstaatlichkeit des österreichischen Verwaltungsverfahrens eine weltweite Avantgardeposition einnimmt (dabei ist nur an die historische Vorreiterrolle Österreichs in Bezug auf die Existenz eines formellen Verwaltungsverfahrensrechtes zu erinnern). Es kann somit nicht umstandslos davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des § 4 Asylgesetz 1997 diesen außerordentlichen Rechtsstaatlichkeitsstandard, wie er für Österreich charakteristisch ist, quasi exportieren wollte.

Ein zentrales Argument dafür, dass der österreichische Gesetzgeber zur Bejahung der Drittstaatsicherheit nicht das Erfüllen österreichischer Rechtsschutzstandards in anderen Staaten voraussetzt, liegt in der Existenz des § 5 Asylgesetz 1997. Dessen normative Rechtfertigung besteht ja darin, dass der Gesetzgeber voraussetzt, dass jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union asylrechtlich solchen Qualitätsstandards entspricht, welche die Frage der Drittstaatsicherheit in solchen Staaten bereits positiv vorentscheiden. Die Staaten der Europäischen Union verfügen jedoch über die verschiedensten Annäherungen an das Problem rechtsstaatlicher Verwaltungsverfahren und ist es nicht absurd, anzunehmen, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof viele in anderen europäischen Ländern bestehende Normen aufheben würde, würden sie in dieser Form in Österreich in Geltung stehen. Was insbesondere die Frage der Kurzverfahren betrifft, so reicht die Existenz eines einzigen Staates der Europäischen Union, welcher derartig kurze Rechtsmittelfristen aufweist, um, in systematischer Zusammenschau mit § 5 Asylgesetz 1997, darzutun, dass der Gesetzgeber solch kurze Rechtsmittelfristen als mit dem Konzept eines sicheren Drittstaates vereinbar qualifiziert hat.

Hier verweist der Bundesminister für Inneres nun als Beispiel auf den Fall Belgiens, welches in Kurzverfahren Berufungsfristen von drei Tagen, bzw. sogar von nur einem Tag kennt. Wenn der Gesetzgeber nun jedoch diesen Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens indirekt über § 5 (durch Ausschluss jeder materiellen Prüfung der Drittstaatsicherheit) als sicheren Drittstaat qualifiziert hat, so kann daraus nur folgen, dass er eben nicht davon ausgeht, dass ein Staat, um als sicherer Drittstaat zu gelten, die rechtsstaatlichen Qualitätsfordernisse, wie sie der Verfassungsgerichtshof für Österreich vorschreibt, erfüllen muss.

Aus diesem Grund stellt es für den Bundesminister für Inneres keinen sachgerechten Zugang zur Beurteilung der Drittstaatsicherheit dar, sich auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Kurzverfahren auf Grund der österreichischen Verfassungsrechtslage zu stützen."

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei schlossen sich in ihren Stellungnahmen der vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes an.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Amtsbeschwerde geltend, dass die belangte Behörde den Regelungsinhalt des § 4 Abs. 3a AsylG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999 (im Folgenden: AsylG) verkannt habe und bei der Prüfung der Drittstaatsicherheit nach § 4 Abs. 2 AsylG unrichtig davon ausgegangen sei, dass sie in Ermangelung einer Verordnung des Bundesministers für Inneres über sichere Drittstaaten nun selbst jene "Vorfragen" zu lösen hätte, die der § 4 Abs. 3a AsylG für jene voraussetze.

§ 4 Abs. 1 bis 3 AsylG in der hier nicht mehr anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 (im Folgenden: a.F.) lautete:

"(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages besteht, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind.

(3) Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen dieser Konvention eingerichtet sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrecht und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, ratifiziert und eine Erklärung nach Art. 25 dieser Konvention abgegeben hat."

Nach der auf den hg. Erkenntnissen vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, und vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, aufbauenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum § 4 AsylG a.F. hatte die Asylbehörde bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 AsylG a.F. zunächst die Rechtslage im potenziellen Drittstaat - das kann nur ein solcher sein, in den der Fremde freiwillig einreisen oder notfalls zwangsweise, etwa auf Grund eines Schub- bzw. Rücknahmeabkommens, verbracht werden kann - zu ermitteln. Eine Feststellung über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vermutung im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG a.F. setzte nach dem insoweit klaren Inhalt dieser Bestimmung (arg: "... und gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen dieser Konvention eingerichtet ... hat") die Prüfung und Bewertung der Asylrechtslage des Drittstaates voraus. Als Vermutung darüber, wie diese Rechtslage beschaffen sei, konnte § 4 Abs. 3 AsylG a.F. nicht gedeutet werden. Nach der Art ihrer Voraussetzungen konnte die Vermutung aber auch nicht darauf bezogen werden, dass die Bedingungen, an die die Rechtsordnung des Drittstaates die Schutzgewährung knüpft, im zu beurteilenden Einzelfall erfüllt seien. Gegenstand der Vermutung des § 4 Abs. 3 AsylG a.F. war vielmehr, dass der Drittstaat den Schutz, den er nach seiner Rechtslage zu gewähren hat, auch tatsächlich gewährt. Ermittlungen über die Effektivität des in seiner Rechtsordnung vorgesehenen Schutzes - im Besonderen über die Beachtung der entsprechenden Rechtsvorschriften in der Praxis der Behörden und Organe des Drittstaates - sollten ohne Anhaltspunkte für die Notwendigkeit solcher Ermittlungen nicht stattzufinden haben, wenn sich der Drittstaat in der in § 4 Abs. 3 AsylG a.F. umschriebenen spezifischen Weise rechtlich gebunden hatte.

Der § 4 AsylG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999, der nach der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 7 AsylG auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, lautet:

"Unzulässige Asylanträge wegen Drittstaatsicherheit

§ 4. (1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der oder die Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder" - (ergänze: "2") - "FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(3) Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind in einem Staat regelmäßig darin gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert hat.

(3a) Der Bundesminister für Inneres kann mit Verordnung Staaten bezeichnen, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren (Abs. 2), weil

1. ihre Behörden aus Österreich zurückgewiesenen, zurückgeschobenen oder abgeschobenen Fremden, die im Drittstaat Schutz vor Verfolgung suchen, uneingeschränkt Zugang zum Asylverfahren gewähren und solche Fremde - auch im Wege über andere Staaten - nicht in den Herkunftsstaat abschieben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind;

2. die Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen einzelfallbezogen geführt, insbesondere die Asylwerber persönlich einvernommen werden, erforderlichenfalls Dolmetscher beigezogen werden und die Entscheidung (Spruch) den Asylwerbern in einer ihnen verständlichen Sprache mitgeteilt wird;

3. die Entscheidung der zur Prüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden kann;

4. die Asylwerber im Hoheitsgebiet des Staates bleiben können, bis die Entscheidung der Überprüfungsinstanz getroffen oder die Entscheidung der Behörde endgültig geworden ist.

(3b) Gewähren mit Verordnung gemäß Abs. 3a bezeichnete Staaten regelmäßig keinen effektiven Schutz vor Verfolgung mehr, so hat der Bundesminister für Inneres dies mit Verordnung festzustellen. Außerdem kann der Bundesminister für Inneres mit Verordnung bestimmte Staaten bezeichnen, die regelmäßig keinen effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren.

(3c) Vor der Erlassung von Verordnungen gemäß Abs. 3a und 3b hat der Bundesminister für Inneres eine Stellungnahme des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zu diesem Vorhaben einzuholen.

(3d) Asylwerber, die aus in ihrer Person gelegenen Umständen behaupten, in einem durch eine Verordnung gemäß Abs. 3a bezeichneten Staat keinen Schutz im sicheren Drittstaat zu genießen (Abs. 2), haben diese Umstände glaubhaft zu machen.

(4) Schutz in einem sicheren Drittstaat ist unbeachtlich, wenn

  1. 1. die Asylwerber EWR-Bürger sind oder
  2. 2. den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde oder

    3. den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde.

(5) Können Fremde, deren Asylantrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen."

Die belangte Behörde gelangte zur Überzeugung, dass der Gesetzgeber mit der Umschreibung der Gründe in § 4 Abs. 3a AsylG, aus welchen der Bundesminister für Inneres mit Verordnung Staaten bezeichnen könne, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewährten, zugleich verdeutlicht habe, welche qualitativen Voraussetzungen er bei einem "Asylverfahren ..., das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt" im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG vor Augen habe. Dieselben Qualitätskriterien hätten auch für das in § 4 Abs. 2 AsylG genannte "Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention", das dem Asylwerber nach dieser Gesetzesstelle im Drittstaat offen stehen müsse, zu gelten. Der beschwerdeführende Bundesminister hält dem entgegen, dass der § 4 Abs. 3a AsylG wegen des an eine Verordnung über die Drittstaatsicherheit anschließenden, jeweils bloß summarischen Einzelfallverfahrens strenger sei als die eine individuelle Prüfung der Drittstaatsicherheit determinierenden Normen.

Aus gesetzessystematischer Sicht ist zunächst festzuhalten,

dass mit dem Ersatz der Wendung des § 4 Abs. 3 AsylG alter Fassung

"... und gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen

dieser Konvention eingerichtet ... hat" durch die nunmehrige

Wendung des § 4 Abs. 3 AsylG "... und gesetzlich ein Asylverfahren

eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt" keine inhaltliche Änderung der Vorschrift vorgenommen wurde, weil die Umsetzung der gesetzlichen Regelung des Drittstaates in die Wirklichkeit (im Sinne eines ihr entsprechenden Vollzuges) nach wie vor keine Voraussetzung für die sogenannte Vermutung, der Drittstaat gewähre effektiven Schutz vor Verfolgung, sondern Teil der aufgestellten Vermutung, also das Ergebnis dieser gesetzlichen Feststellungsvereinfachung, ist (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284). Auf die Annahme, dass ein Staat "effektiven Schutz vor Verfolgung" gewährt, zielt auch die Bezeichnung derartiger Staaten im Verordnungsweg gemäß § 4 Abs. 3a AsylG, wobei die in § 4 Abs. 3a Z 1 bis 4 AsylG näher dargestellten Voraussetzungen für diese Annahme (arg. "weil") bereits nach dem Wortlaut dieser Bestimmung auch die erforderlichen allgemeinen Merkmale für den - sowohl dem § 4 Abs. 3 als auch dem § 4 Abs. 2 AsylG zu Grunde liegenden - Begriff des "Schutzes vor Verfolgung", das ist eines effektiven Schutzes, enthalten.

Daher ist es für das Vorliegen des in § 4 Abs. 1 AsylG genannten Schutzes u.a. erforderlich, dass im Drittstaat die in § 4 Abs. 3a Z 2 AsylG umschriebenen Maßnahmen zur Sicherung des rechtlichen Gehörs, die in Z 3 leg. cit. geforderte Einrichtung einer Überprüfungsinstanz und das Erfordernis nach Z 4 leg. cit., dass der Asylwerber im Drittstaat bleiben kann, bis die Entscheidung der Überprüfungsinstanz getroffen oder die Entscheidung der Behörde endgültig geworden ist, erfüllt sind.

Die festgestellte Verfahrensrechtslage in der Slowakischen Republik vermag diese Anforderungen insofern nicht zu erfüllen, als im beschleunigten Verfahren nach dem Art. 10 des slowakischen Flüchtlingsgesetzes - welches nicht nur als mögliche Sanktion für eine Versäumung der Antragsfrist, sondern generell als Konsequenz für Asylanträge, die von den Behörden dieses Drittstaates als offensichtlich unbegründet angesehen werden, vorgesehen ist - die Berufungsfrist nur drei Werktage beträgt:

Der Verfassungsgerichtshof hat in den auch von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a., und vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., sowie im Erkenntnis vom 15. Juni 1999, G 56/99, ausgesprochen, dass Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweisen müssen, weshalb die unangemessen kurze (zweitägige) Berufungsfrist des § 32 Abs. 1 AsylG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) verfassungswidrig sei. Im zitierten Erkenntnis vom 24. Juni 1998 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass "eine Frist von einer Woche ... als Mindestmaß anzusehen" sein dürfte. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen und dieses Minimum bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben ist, wenn sie dem negativ beschiedenen potenziellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln behafteten Verfahren, adäquat ist. Diese Erwägung mag darüber hinaus als Ausdruck allgemein gültiger rechtsstaatlicher Grundsätze aufzufassen sein, entscheidend ist aber im vorliegenden Zusammenhang, dass damit ein für die Auslegung österreichischer Gesetze verbindlicher Maßstab konkretisiert wird, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ein Verwaltungsverfahren, in dem es um die hier in Rede stehenden Schutzgüter geht, geeignet erscheint, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.

Auch im vorliegenden Fall gilt es, eine österreichische gesetzliche Regelung auszulegen und zu prüfen, welchen Anforderungen ein Rechtsmittel, durch das "die Entscheidung der zur Überprüfung von Asylanträgen zuständigen Behörde vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden kann" (§ 4 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 3a Z 3 AsylG), nach dem Sinn dieser Regelung genügen muss. Unbeschadet des Grundsatzes, dass die in § 4 AsylG genannten Verfahren nicht unbedingt alle Qualitätskriterien erfüllen müssen, die das österreichische Asylverfahren aufweist (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, in dem der Verwaltungsgerichtshof zur alten - insoweit vergleichbaren - Gesetzeslage in Österreich ausgesprochen hat, "dass der Anforderungskatalog des § 4 Abs. 2 AsylG vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtslage zu sehen ist, sodass ein Staat jedenfalls dann als 'sicher' gelten kann, wenn er den österreichischen Rechtsschutzstandard gewährleistet"), ist daher für die gemäß § 4 AsylG, im Besonderen an Hand der in dessen Regelungen zum Ausdruck kommenden Anforderungen an ein effizientes Rechtsschutzverfahren, vorzunehmende Bewertung der Berufungsfristen auch des slowakischen Asylverfahrens von den Anforderungen auszugehen, die der Verfassungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen ganz allgemein an die Ausgestaltung eines Rechtsmittels (mit einer handhabbaren Rechtsmittelfrist) gestellt hat, um von einem effektiven Rechtsschutz sprechen zu können.

Demgegenüber vermag sich der Verwaltungsgerichtshof aus den schon dargestellten Gründen der Argumentation des beschwerdeführenden Bundesministers nicht anzuschließen, wonach der eine Überprüfungsinstanz für Asylanträge voraussetzende § 4 Abs. 3a Z 3 AsylG nur bei der Erlassung einer Verordnung im Sinne des § 4 Abs. 3a AsylG zu beachten sei und keine Qualitätsstandards für die Prüfung der Drittstaatsicherheit im Einzelfall impliziere. Der Verwaltungsgerichtshof ist - im Gegensatz zum beschwerdeführenden Bundesminister - auch nicht der Ansicht, zur Erfüllung des Erfordernisses, die Sache müsse "vor eine Überprüfungsinstanz gebracht werden" können, genüge nach dem Willen des Gesetzgebers "die bloße abstrakte Existenz" einer solchen Möglichkeit ohne das vom Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Rechtsmittelfrist näher bestimmte "Mindestmaß an faktischer Effizienz". Dass sich dieser auch im vorliegenden Fall anzulegende Maßstab auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des slowakischen Asylverfahrens auch bei Bedachtnahme auf die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in anderer Weise als für das abgekürzte Berufungsverfahren nach dem österreichischen Asylgesetz konkretisieren lasse und die bloß dreitägige Berufungsfrist dem erwähnten Maßstab daher im vorliegenden Fall entsprechen könnte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen und im besonderen auch vom beschwerdeführenden Bundesminister nicht dargelegt worden.

Die unter Hinweis auf den § 5 AsylG vorgetragene Überlegung des beschwerdeführenden Bundesministers, dass der Gesetzgeber sehr kurze Rechtsmittelfristen als mit dem Konzept eines sicheren Drittstaates für vereinbar halte, weil etwa auch Belgien in Kurzverfahren Berufungsfristen von drei Tagen bzw. einem Tag vorsehe, stützt sich auf die dem § 5 Abs. 3 AsylG zu Grunde liegende Vorstellung, dass Staaten, die auf Grund eines Staatsvertrages zur Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sind, immer auch "sichere Drittstaaten" sind (vgl. 1494 BlgNR 20. GP 3).

Der § 5 AsylG lautet:

"Unzulässige Asylanträge wegen vertraglicher Unzuständigkeit

§ 5. (1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist.

(3) Eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."

Durch den Beitritt zum Dubliner Übereinkommen und durch die damit verbundene Zuständigkeitsregelung wurde aber nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zum Ausdruck gebracht, dass im Konzept sicherer Drittstaaten bestimmte Einzelaspekte des Schutzniveaus in Vertragsstaaten, die von diesem Konzept im Hinblick auf die speziellere staatsvertragliche Regelung gar nicht umfasst sind, von Bedeutung sein sollen.

Weil nicht auszuschließen ist, dass der Asylantrag der mitbeteiligten Partei von den Behörden der Slowakischen Republik als offensichtlich unbegründet angesehen und in dem für diesen Fall vorgesehenen beschleunigten Verfahren behandelt würde, welches nach den obigen Ausführungen wegen der unverhältnismäßig kurzen Berufungsfrist nicht den Voraussetzungen des § 4 AsylG entspricht, liegt kein Schutz im sicheren Drittstaat im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG vor. Die belangte Behörde hat über diese Rechtslage ausreichende Feststellungen getroffen. Der Bundesminister für Inneres hat in seiner Amtsbeschwerde auch darauf Bezug genommen und zugestanden, dass das beschleunigte Verfahren in der Slowakischen Republik auch von vornherein im Falle der Annahme eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages zur Anwendung kommen könne.

Die belangte Behörde hat den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid schon aus diesem Grund im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

Eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der in § 15 des slowakischen Fremdengesetzes vorgesehene Refoulementschutz den Anforderungen des § 4 AsylG gleichfalls nicht entspricht, und die in diesem Zusammenhang erforderliche Prüfung der Frage, inwieweit aus Bestimmungen der slowakischen Verfassung allenfalls ein weiter gehender Abschiebungsschutz abzuleiten ist, als er im Wortlaut der zitierten Bestimmung des slowakischen Fremdengesetzes seinen Ausdruck findet, erübrigen sich somit.

Die Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz der mitbeteiligten Partei gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Februar 2000

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