Normen
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1997 §12 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1997 §12 Abs3;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §34;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. November 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß "§§ 31, 33 und 37 Abs. 1" Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 30. Juli 1991 unerlaubt nach Österreich eingereist. Am 20. September 1991 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Am 19. Mai 1992 sei dem Beschwerdeführer die Erteilung eines Sichtvermerkes versagt worden. Da er das Bundesgebiet nicht aus eigenem verlassen habe, sei er in Schubhaft genommen und über ihn ein bis 11. Juni 2002 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. Am 21. Juli 1992 sei er in die Türkei abgeschoben worden. Am 24. September 1992 sei das Aufenthaltsverbot aufgehoben worden. Über seinen am 20. November 1992 von der Türkei aus gestellten Antrag sei ihm am 14. April 1994 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Mit dieser Bewilligung sei er am 7. Juli 1994 in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge sei dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung mehrmals, zuletzt bis 31. Dezember 1996, verlängert worden.
Es sei zutage gekommen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen nur geschlossen habe, um sich die Einreise und den Aufenthalt zu verschaffen. Mit Urteil vom 30. August 1996 sei die Ehe für nichtig erklärt worden. Im Zug dieses Verfahrens sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer für die Eheschließung ein Entgelt von S 240.000,-- bezahlt habe.
Der Antrag des Beschwerdeführers (vom 5. Dezember 1996) auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung sei am 14. Februar 1997 in erster Instanz (wegen rechtsmissbräuchlicher Eheschließung) abgewiesen worden. Der dagegen gerichteten Berufung sei am 7. April 1997 keine Folge gegeben worden.
In weiterer Folge sei über den Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 1997 ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (wegen rechtsmissbräuchlicher Eheschließung) verhängt worden. Dieser Bescheid sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0290, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden.
Am 24. März 1998 habe der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung beantragt. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 17. September 1998 rechtskräftig abgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Weiters habe er bisher nichts unternommen, um "einen allfälligen weiteren Aufenthalt zu regeln". Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei bewirke für den Beschwerdeführer laut Auskunft des Arbeitsmarktservice keine Aufenthaltsberechtigung. Daran könne auch der vom Beschwerdeführer beim Arbeitsmarktservice gestellte Feststellungsantrag nichts ändern.
Der Beschwerdeführer halte sich somit unerlaubt im Bundesgebiet auf.
Da sich der Beschwerdeführer seit 1991 überwiegend im Bundesgebiet aufhalte, werde durch die Ausweisung "zumindest" in dessen Privatleben eingegriffen. Dieser Eingriff halte sich jedoch in Grenzen, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit drei Jahren nicht mehr rechtmäßig sei und er seit dieser Zeit keiner legalen Beschäftigung nachgehe.
Den persönlichen Interessen stehe die große Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Dezember 1996 gegenüber. Dieses Verhalten stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Dies umso mehr, als der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunehme. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die gegenständliche Ausweisung ist nach der insoweit unbedenklichen Ansicht der belangten Behörde mit einem Eingriff in die privaten Interessen des Beschwerdeführers verbunden.
Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.
Dieser Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht beizupflichten:
2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der insoweit unbestrittenen Feststellungen sowie der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer unterliege nicht dem auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei aus dem Jahr 1963 gestützten Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80, nicht seit Dezember 1996, sondern gemäß § 6 Abs. 3 AufG, BGBl. Nr. 466/1992 i.d.F. BGBl. Nr. 351/1995, erst seit der Abweisung seines zuletzt gestellten Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung in erster Instanz mit Bescheid vom 14. Februar 1997 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
2.2. Das über den Beschwerdeführer am 23. April 1997 verhängte Aufenthaltsverbot wurde mit hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0290, aufgehoben, wobei der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf sein Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 97/18/0097, verwies. Nach dieser zu § 18 Abs. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 (im Folgenden: FrG 1992), ergangenen Judikatur kann die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung (konkret: das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) gefährde. Um eine solche Prognose treffen zu können, ist nicht allein auf dieses Fehlverhalten des Fremden Bedacht zu nehmen, sondern - unter der Voraussetzung seitherigen Wohlverhaltens - auch auf den seit Verwirklichung dieses Fehlverhaltens verstrichenen Zeitraum. Je länger die Eheschließung zurückliegt, umso mehr Gewicht ist dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitpunkt für die zu treffende Prognose zuzumessen. Der Gerichtshof stellte klar, dass die beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mehr als fünfeinhalb Jahre zurückliegende rechtsmissbräuchliche Eheschließung im Hinblick auf sein sonstiges Wohlverhalten die Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung, nicht mehr rechtfertige.
2.3. Zu diesem Zeitpunkt wäre mangels Gefährdung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland auch dessen - auf Grund des damals bereits mehrjährigen Inlandsaufenthaltes jedenfalls mit einem Eingriff in die persönlichen Interessen verbundene - Ausweisung gemäß § 19 FrG 1992 nicht zulässig gewesen (vgl. das zur Zulässigkeit einer Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. ergangene, wegen der insoweit gleich gelagerten Problematik auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0184).
2.4. Trotz seines rechtswidrigen Aufenthaltes wäre ab 1. Jänner 1998 (Inkrafttreten des FrG) das Verfahren über einen Antrag des Beschwerdeführers (der nach der Aktenlage auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen blieb) auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu führen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zlen. 98/19/0195, 0196).
3.1. Das FrG regelt das Verhältnis zwischen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung u.a. wie folgt:
"§ 12 ...
(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für den selben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.
§ 15 (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht überschreitenden Frist zu äußern,
(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; der Ablauf der Frist des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, wird dadurch bis zum Abschluss dieses Verfahrens gehemmt. Sobald sich ergibt, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.
(3) Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, dass deren Verhängung nunmehr unterbleibt."
Der Gesetzgeber des Fremdengesetzes hat somit dafür gesorgt, dass Fremde, die weder ausgewiesen noch mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden dürfen, - unabhängig von der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes - im Regelfall einen weiteren Aufenthaltstitel erlangen können. Daraus ist ersichtlich, dass er die von einem allenfalls rechtswidrigen Aufenthalt solcher Fremden ausgehende Gefahr so gering einschätzt, dass sie der Erlassung eines Aufenthaltstitels nicht entgegensteht.
3.2. Der - rechtzeitig gestellte - Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung wurde noch vor Inkrafttreten des FrG abgewiesen. Sein Aufenthalt war nach der diesbezüglichen Entscheidung der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 14. Februar 1997 nicht mehr rechtmäßig. Wie dargestellt, war jedenfalls zu Beginn dieses rechtswidrigen Aufenthaltes (die Erlassung des - vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen - Aufenthaltsverbotes erfolgte am 23. April 1997) weder die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes noch die Ausweisung des Beschwerdeführers zulässig.
Wenn ein Fremder zu einem bestimmten Zeitpunkt weder ausgewiesen noch mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden darf, stellt die Tatsache allein, dass er sich auch weiterhin - obschon über einen längeren Zeitraum - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, keine die Erlassung einer Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig machende Gefährdung öffentlicher Interessen dar, zumal ein solcher Fremder in einem Fall wie dem vorliegenden zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung - gemäß § 14 Abs. 2 FrG vom Inland aus - berechtigt ist.
Der rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 14. Februar 1997 rechtfertigt somit entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht die Ausweisung des Beschwerdeführers im Grund des § 37 Abs. 1 FrG.
4. Da die belangte Behörde die Rechtslage aus den dargestellten Gründen verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Es erübrigt sich somit ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer auf Grundlage des auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei aus dem Jahr 1963 gestützten Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zum Aufenthalt berechtigt sei.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Juni 2000
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