VwGH 99/12/0294

VwGH99/12/029427.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. Elizabeth Pira-Stemberger und Dr. Brigitte Bierbaumer-Vergeiner, Rechtsanwälte in Salzburg,

Fischer von Erlachstraße 47, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 27. September 1999, Zl. 133918-HC/99, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §4 Abs4 Z3;
AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §4 Abs4 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der 1948 geborene Beschwerdeführer erlernte den Beruf eines Maurers, den er bis 1969 ausübte; dann trat er als Telefonmonteur in den Postdienst und war bis zu seiner mit Ablauf des 31. Juli 1998 erfolgten Ruhestandsversetzung gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 im Bereich der Post und Telekom Austria AG, Direktion S, Verwendungsgruppe PT 8, zuletzt wegen gesundheitlicher Beschwerden als "Lagerführer bei den Telekom Querschnitten" tätig.

Im Ruhestandsversetzungsbescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichteten Personalamtes vom 20. Juli 1998 wurde lediglich angegeben, dass der Beschwerdeführer seine dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne, weil ihm schwere körperliche Belastungen mit ständig mittelschwerer Hebe- und Trageleistung, verbunden mit häufigem Bücken und Strecken, bei überwiegendem Stehen und Gehen nicht mehr zumutbar seien. Ein anderer Arbeitsplatz könne ihm auf Grund dieses Gesundheitszustandes nicht mehr zugewiesen werden. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass bei ihm die Erwerbsunfähigkeit als Voraussetzung für die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG nicht vorliege. Dem der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden handschriftlichen anstaltsärztlichen Gutachten vom 4. Juni 1998 ist - soweit leserlich - im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit 1978 an einem Bandscheibenschaden, der bereits zweimal operiert worden sei, und seit einem Jahr an Inkontinenz leide; er trage daher ein Mieder und brauche ständig "Vorlagen".

Weiters befindet sich bei den Akten ein auf Grund der Vorbefunde erstelltes zusammenfassendes Gutachten des Amtssachverständigen des beim Vorstand eingerichteten Personalamtes, Dr. G., der zum Ergebnis gelangt, der Beschwerdeführer könne aus medizinischer Sicht noch folgende Tätigkeiten ausüben:

"Körperlich leichte Tätigkeiten in dynamischer Arbeitshaltung ohne Hebe-Trageleistung, gelegentliches Bücken und Strecken und Treppensteigen, gelegentliche Computerarbeit, Tätigkeit isoliert und in Arbeitsgruppe, kein Kundenverkehr, nur Tagdienst, einfacher Zeitdruck, keine Änderungen gegenüber den bisherigen geistigen Anforderungen. Keine Tätigkeiten mit überwiegendem Stehen oder Gehen und kein Besteigen von Leitern oder Masten."

Auf Grund der Ruhestandsversetzung durch das Personalamt beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG wurde mit Bescheid vom 14. August 1998 der (damaligen) Dienstbehörde erster Instanz der Ruhegenuss des Beschwerdeführers mit monatlich S 12.788,30, ausgehend davon, dass beim Beschwerdeführer keine Erwerbsunfähigkeit, und zwar weder im Sinne des § 9 Abs. 1 noch nach § 4 Abs. 7 PG vorliege, berechnet.

In der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung vom 21. August 1998 vertrat er die Auffassung, dass er auf Grund seines physischen und psychischen Gesundheitszustandes in keiner Weise in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Berufung wurde von der Behörde erster Instanz dem beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichteten Personalamt am 31. August 1998 vorgelegt.

Zur befundmäßigen Abklärung der Frage der Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers wurde von dem zuletzt genannten Personalamt mit 15. September 1998 ein Facharzt für Orthopädie in S als Gutachter bestellt.

Das von diesem aus orthopädischer Sicht unter Verwertung von Vorgutachten erstellte Gutachten vom 17. November 1998 führte zu folgender Zusammenfassung und Diagnose:

"1. Chronische Lumbalgie und Ischialgie rechts, bedingt durch ausgeprägte Bandscheibenprotrusion / Bandscheibenprolaps L4/5, L5/S1 und foramineller Stenose L4/5 und L5/S1 und dadurch bedingte Wurzelirritation.

Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 1979 und Bandscheibenlaseroperation im Jänner 1998.

Sekundäre Stenose des Spinalkanales mit berichteter Inkontinentia alvi (siehe Bestätigung Dr. R.).

2. Chronisches Cervikalsyndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung ohne akute oder chronische Wurzelirritationszeichen bei höhergradiger Osteochondrose C5/C6.

  1. 3. Ausgeprägtes Übergewicht
  2. 4. Steatosis Hepatis, Hyperurikämie."

Auf Grund dieses Gutachtens führte das beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichtete Personalamt aus, dass der Beschwerdeführer nach Auffassung des Sachverständigen nicht mehr in der Lage sei, einer gleichwertigen, kontinuierlichen Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil er nur mehr leichte Halbtagstätigkeiten unter größter Nachsicht eines möglichen Dienstgebers ausüben könne. Der Beschwerdeführer erfülle damit die Voraussetzungen für eine Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG, nicht aber sei Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 7 PG gegeben. Dieser Auffassung zufolge wurde mit Bescheid vom 30. November 1998 die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG vorgenommen.

In der vom Beschwerdeführer zur Frage seiner Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 7 PG mit 29. Dezember 1998 abgegebenen Stellungnahme vertrat er unter Vorlage einer privatärztlichen Bestätigung die Auffassung, dass er auf Grund seiner gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Nach wie vor befinde er sich in laufender ärztlicher Behandlung, um überhaupt die Schmerzbelastung halbwegs erträglich halten zu können. Zudem hätten sich seine Probleme mit der Stuhlinkontinenz (ständiges Tragen von Einlagen) seit seiner Pensionierung im August 1998 noch weiter verschlechtert. Dieser Punkt sei zwar im Gutachten des Orthopäden kurz angesprochen, jedoch keiner genaueren Erläuterung unterzogen worden. Beiliegend übersende er neuerlich eine ärztliche Bescheinigung seines Hausarztes, der entgegen den fachspezifischen Untersuchungen seine gesundheitliche Situation im "Gesamten" beurteilt und behandelt habe. Er ersuche "sehr eindringlich", seine schlechte gesundheitliche Situation nicht nur nach fachlichen Einzelgutachten, sondern zusammenfassend als "Ganzes" in die bescheidmäßige Feststellung seiner tatsächlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit einzubeziehen.

Zur Berufung wurde eine Stellungnahme des vorher bereits genannten Amtssachverständigen Dr. G. eingeholt, der - ohne Bezugnahme auf die Problematik der Inkontinenz des Beschwerdeführers - im Wesentlichen ausgehend von den orthopädischen Behinderungen leichte Arbeiten mit Wechselbelastung im Gehen, Stehen und Sitzen mit einer Tragebelastung bis 5 kg für den Beschwerdeführer für möglich erachtet. Bestimmte einfache Tätigkeiten sollten dem Beschwerdeführer bei seiner gegebenen Unterweisbarkeit möglich sein. Abschließend weist der Amtssachverständige darauf hin, dass auf Grund des Wirbelsäulenleidens des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 20. April 1998 lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers von 40 % anerkannt worden sei.

In seiner Stellungnahme vom 7. April 1999 bestreitet der Beschwerdeführer die Aussagen des Amtssachverständigen Dr. G. zu seiner beruflichen Einsatzmöglichkeit unter Hinweis auf ein von ihm vorzulegendes fachärztliches (neurochirurgisches) Gutachten. In diesem am 3. Mai 1999 erstellten und vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten wird im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beschwerdeführer "ist seit Dezember 1997 wegen eines Bandscheibenleidens in meiner Behandlung, es handelt sich um einen Zustand nach Bandscheibenoperation im Segment L4-5 links mit einer massiven Vernarbung im Operationsbereich (Fibrose).

Der neurologische Befund ergibt einen nicht auslösbaren Patellarsehnenreflex links mit positivem Lasegue bei 40 Grad, Fingerkuppen-Bodenabstand nach vorne 50 cm, seitlich 70 cm, Sensibilitätsstörungen im Segment L5 links, zusätzlich auch Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen.

Auf Grund dieser Befunde ist" der Beschwerdeführer "nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auszuüben, da insbesondere bei jeder Wirbelsäulenbelastung bereits nach kurzer Zeit starke Beschwerden auftreten.

Hiermit sind auch Tätigkeiten nicht möglich, die ein längeres Sitzen vor einem Computer notwendig machen, weiters sind auch Tragebelastungen, sowie Kälteexpositionen und längere Tätigkeiten ohne wechselnde Belastung der Wirbelsäule nicht möglich."

Der daraufhin neuerlich befasste Amtssachverständige Dr. G. geht in seiner Stellungnahme vom 9. August 1999 neuerlich auf die Inkontinenzproblematik des Beschwerdeführers nicht ein und hält sein seinerzeitiges Gutachten vom 14. Juli 1998 mit Ergänzung vom 5. März 1999 - ohne nähere Begründung und ohne den Beschwerdeführer jemals selbst untersucht zu haben - aufrecht. Letztlich auf Grund dieser Stellungnahme erging nach Überleitung der Kompetenz nach § 21 Abs. 3 des Poststrukturgesetzes, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/1999, auf die belangte Behörde der angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch:

"Über Ihre Berufung vom 21. August 1998 gegen den Bescheid der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion S, Personalamt, vom 14. August 1998, GZ 309643-01/98, wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, idgF, in Verbindung mit §§ 4, 6, 7 und 62 b Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340 idgF (in der Folge als PG 1965 bezeichnet) dahingehend entschieden, dass Ihnen ab 1. August 1998 ein Ruhegenuss von monatlich brutto 13 700,80 S und ab 1. Jänner 1999 von 13 906,30 S gebührt."

Zur Begründung wird nach Darstellung des bereits wiedergegebenen Verfahrensablaufes in etwas gekürzter Form unter Bezugnahme auf die letzte Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7. April 1999 und die von ihm am 3. Mai 1999 übermittelte fachärztliche Bestätigung lediglich weiter angegeben, dass diese Unterlagen dem Amtssachverständigen Dr. G. "zur Beurteilung übergeben" worden seien. Nach dessen Ausführungen vom 9. August 1999 seien im vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Befund keine neuen Diagnosen, sondern nur bereits bekannte Diagnosen enthalten. Es bleibe daher - nach Auffassung des Amtssachverständigen - sein Leistungskalkül vom 14. Juli 1998 mit Ergänzung vom 5. März 1999 voll aufrecht. Demnach sei der Leidenszustand des Beschwerdeführers nicht so ausgeprägt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, körperlich leichte und einfache Tätigkeiten mit Wechselbelastung der Wirbelsäule auszuüben. Daraus ergebe sich schlüssig, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 4 Abs. 7 PG nicht dauernd erwerbsunfähig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach seinem gesamten Vorbringen sieht sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhestandsbezüge in gesetzlicher Höhe durch unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG sowie der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung verletzt.

Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billiger Weise zugemutet werden kann.

Nach § 4 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bilden 80 v. H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage. Abs. 3 dieser Bestimmung in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, der am 1. Mai 1996 in Kraft getreten ist, lautet:

"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 Prozent um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden."

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der nach BGBl. I Nr. 35/1998 am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, mwH) ist die im Ruhestandsversetzungsverfahren in der Regel auf Grundlage ärztlicher Gutachten (siehe § 14 Abs. 4 BDG 1979; vgl. aber auch § 36 Abs. 1 PG) von der Aktivdienstbehörde zu beurteilende Rechtsfrage der Dienstfähigkeit mit der bei der Ruhegenussbemessung von der Pensionsbehörde zu beurteilenden Rechtsfrage der regelmäßigen Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht ident. Der schon bisher im § 9 Abs. 1 PG verwendete Begriff der Erwerbsfähigkeit ist dabei der weitere und bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (d.h., es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist); es kommt aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (siehe die diesbezüglich vergleichbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 PG 1965 bei Zach, Das Pensionsrecht, Band 3, Grenz-Verlag, insbesondere die Erkenntnisse vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150, vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0214, oder vom 25. Februar 1998, Zl. 96/12/0340).

Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0353).

In dieser Hinsicht besteht zum Erwerbsunfähigkeitsbegriff iS des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG (anders als - wie vorher dargelegt - in Bezug auf die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufes, der nur nach § 9 Abs. 1 PG zu prüfen ist) kein Unterschied.

Die Unterschiedlichkeit des Begriffsinhaltes "Dienstfähigkeit" im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 und "Erwerbsfähigkeit" nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG schließt nicht aus, dass medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Ruhegenussbemessungsverfahren zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch hinreichend fundiert sind) bei der Beurteilung der für die Ruhegenussbemessung maßgebenden Frage der Erwerbsunfähigkeit miteinzubeziehen sind (vgl. das zu § 9 Abs. 1 PG ergangene hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025, das Aussagen zum Verhältnis zwischen Ruhestandsversetzungsverfahren und Zurechnungsverfahren enthält und in verfahrensrechtlicher Hinsicht wegen der Gemeinsamkeit der Erwerbsunfähigkeitsbegriffe im § 4 Abs. 4 Z. 3 PG und im § 9 Abs. 1 leg. cit. mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar ist). Für die Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen ist sowohl hinsichtlich der Dienstfähigkeit als auch der Erwerbsfähigkeit der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebend.

Bei der Beurteilung der Fähigkeit, einen regelmäßigen Erwerb nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG ausüben zu können, können aber auch medizinische Aspekte maßgebend sein, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr (weil deren Erhebung beispielsweise für die Frage der Dienstunfähigkeit gar nicht notwendig war) entscheidend waren und für deren Geltendmachung der Beamte daher im Ruhestandsversetzungsverfahren (- im Gegensatz zum Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG - vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0180) gar keine Veranlassung hatte (vgl. zu einer ähnlichen Problematik bezüglich der Frage der Kausalität eines Dienstunfalles im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 98/12/0391). Hiezu erscheint - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu einer wortidenten Landesrechtslage in seinem Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 99/12/0152, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH und die diesbezüglichen Ausführungen von Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, Punkt 2.4.2 mit weiteren Hinweisen, zum Ausdruck gebracht hat - auch die Auseinandersetzung mit der Frage der Eingliederungsmöglichkeit eines frühpensionierten Beamten am Arbeitsmarkt im Hinblick auf bei ihm aus medizinischen Gründen notwendigerweise zu erwartende leidensbedingte Krankenstände bzw. medizinisch-objektivierte Schmerzzustände sowie sonstige (gesundheitliche) Behinderungen angezeigt.

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

Bei der Beurteilung des Begriffes der Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage. Entgegen der Vorgangsweise im Beschwerdefall hat nicht der ärztliche Sachverständige diese Frage zu beurteilen und festzustellen, sondern die zur Entscheidung berufene Behörde. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes die fachkundigen Grundlagen zu liefern, die eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Leidenszustand im Hinblick auf die abstrakte Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess ermöglichen.

Im Beschwerdefall mangelt es weiters schon an einer medizinisch hinreichenden Abklärung der beim Beschwerdeführer gegebenen Inkontinenz und an einer Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Einsatzfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt sowohl unter Berücksichtigung seiner Bandscheiben- bzw. Wirbelsäulenproblematik als auch insbesondere unter Beachtung der medizinisch noch abzuklärenden Inkontinenz des Beschwerdeführers gegeben ist. Weiters ist im Beschwerdefall keinerlei Auseinandersetzung mit der für die Beurteilung der Fähigkeit zu einem regelmäßigen Erwerb wesentlichen Frage der zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände bzw. medizinisch objektivierten Schmerzzustände erfolgt.

Im Beschwerdefall ist darüber hinaus noch darauf hinzuweisen, dass beim Beschwerdeführer als Bediensteten der "vorletzten" Verwendungsgruppe PT 8, also einer Verwendungsgruppe, der bei der Zumutbarkeitsprüfung nach § 9 Abs. 1 PG keine bedeutsame Ausschlusswirkung unter dem Gesichtspunkt der sozialen Geltung des ausgeübten Berufes beizumessen ist, die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG vorgenommen wurde, weil dem Beschwerdeführer kein Erwerb mehr zumutbar war.

Der angefochtene Bescheid war aber bereits aus den vorher dargestellten Überlegungen, weil die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage der Erwerbsunfähigkeit ausreichende weitere Erhebungen zum Leidenszustand des Beschwerdeführers und zu seiner allenfalls noch gegebenen Eingliederungsmöglichkeit am Arbeitsmarkt unterlassen hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu beheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, die nicht gesondert zu vergüten ist. Was den Kostenausspruch zu Lasten des Bundes betrifft, wird auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 28. April 2000, Zl. 99/12/0352, hingewiesen.

Für das fortgesetzte Verfahren wird im Hinblick auf den mit dem Pensionsreform-Gesetz 2000, BGBl. I Nr. 95, erfolgten Wegfall der Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG gemäß Art. 3 Z. 2 leg. cit. bemerkt, dass der Beschwerdeführer unter den mit der Übergangsbestimmung des § 62 j Abs. 2 PG erfassten Personenkreis fällt.

Wien, am 27. September 2000

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