VwGH 96/12/0340

VwGH96/12/034025.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichteten Personalamtes vom 7. November 1996, Zl. 102947-33/96, betreffend Zurechnung nach § 9 PG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1;
AVG §37;
AVG §52;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1948 geborene Beschwerdeführerin steht als Fachinspektorin i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie war bis zu ihrer mit Ablauf des 31. August 1995 erfolgten Ruhestandsversetzung im Bereich der Post- und Telegraphendirektion für die Steiermark beim Fernmeldebetriebsamt Graz tätig.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens wurde die Beschwerdeführerin auf Grund des Gutachtens des "Anstaltsarztes" vom 6. Juni 1995, das sich auf Befundberichte eines Facharztes für Frauenheilkunde vom 8. Mai 1995, eines Facharztes für Orthopädie vom 16. Mai 1995, eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 17. Mai 1995 und eines Facharztes für Innere Medizin vom 29. Mai 1995 stützte, gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt. Anschließend an den Befund des "Anstaltsarztes" findet sich folgende behördliche Feststellung:

"Dem Beamten kann in unserem Wirkungsbereich kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse zugemutet werden kann."

Der Ruhestandsversetzungsbescheid selbst war nicht bei den vorgelegten Verwaltungsakten.

In einem Schreiben an die "Generaldirektion" vom 22. Jänner 1996 beantragte die Post- und Telegraphendirektion für die Steiermark unter Hinweis auf den ärztlichen Sachverständigenbeweis, der hinsichtlich der Frage der Erwerbsunfähigkeit durch den "Anstaltsarzt" am 26. September 1995 erstellt worden sei und nach dem die Beschwerdeführerin auf Grund von Coxarthrosen, des Cervical- und Lumbalsyndroms, sowie des Morbus Scheuermann zu einer zumutbaren Erwerbstätigkeit unfähig sei und sowohl die körperliche als auch geistige Mobilität höhergradig eingeschränkt sei, und unter Vorlage der für die Ruhestandsversetzung maßgebenden ärztlichen Gutachten die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG.

Im Gutachten des "Anstaltsarztes" waren - wie bereits in seinem der Ruhestandsversetzung zugrunde gelegten Gutachten - als Diagnose auch "rez. endogene depressive Affektstörungen, Depressionen" und als weitere Beeinträchtigungen "Coxarthrosen, Cervical- und Lumbalsyndrom, WS-Veränderung

(Morb. Scheuermann), Erschöpfung nach Streß, Zust. nach Ellbogenop. li. mit Ulnarisverlagerung" angegeben; die Notwendigkeit einer dauernden und intensiven psychiatrischen und orthopädischen Behandlung wurde bejaht sowie die körperliche und geistige Mobilität als höhergradig beschränkt bezeichnet. Die belangte Behörde erachtete aber die vorhandenen medizinischen Beurteilungen weder für schlüssig noch überzeugend. Sie beauftragte einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (Univ.-Prof. Dr. N.) unter Beistellung der bisher vorliegenden Gutachten ein weiteres Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu erstatten und insbesondere 13 konkrete Fragen zu beantworten.

Der als Gutachter herangezogene Facharzt Dr. N. erstattete sein Gutachten mit Datum 28. März 1996 auf Grund einer Untersuchung am 23. Februar 1996. Demnach seien dem Gutachter leichte Arbeiten der Beschwerdeführerin möglich erschienen, wobei aber an ihre Konzentrations- und Merkfähigkeit keine erhöhten Ansprüche gestellt werden dürften. Ein forciertes Arbeitstempo sei ihr ebenso wie Nachtarbeit nicht zumutbar.

Im Parteiengehör legte die Beschwerdeführerin darauf ein privatfachärztliches Gutachten vom 19. Mai 1996, beruhend auf einer Untersuchung vom 18. April 1996, vor. In diesem Gutachten wurde die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin aus neurologischer Sicht mit Einschränkungen bejaht, ihr aber aus psychiatrischer Sicht Erwerbsunfähigkeit attestiert.

Nach Befassung der Beschwerdeführerin wurde ein berufskundliches Sachverständigengutachten eingeholt, gegen das von der Beschwerdeführerin mit 2. Juli 1996 unter Vorlage von zwei weiteren fachärztlichen Gutachten Einwendungen erhoben wurden.

Bei diesem Verfahrensstand erging mit Datum vom 26. Juli 1996 eine bescheidmäßig gegliederte Erledigung, bei der aber unklar war, ob sie als Entscheidung der belangten Behörde oder allenfalls als Entscheidung des Bundesministers für Finanzen zu werten ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde daher mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1996, Zl. 96/12/0287, mangels Erkennbarkeit, von welcher Behörde der Bescheid erlassen worden war, zurückgewiesen.

Inhaltlich gleichlautend mit der vorher genannten Erledigung vom 26. Juli 1996 erging dann der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin um Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 PG abgewiesen wurde.

Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, zur Beurteilung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin die Unfähigkeit zur Ausübung eines zumutbaren Erwerbs eingetreten sei, sei der Facharzt und gerichtlich beeidete Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie, Univ.-Prof. Dr. N., um Erstellung eines Gutachtens ersucht worden. Nach dessen schlüssigen Ausführungen im Gutachten vom 28. März 1996 sei die Beschwerdeführerin unter Beachtung bestimmter Einschränkungen weiterhin in der Lage, kontinuierliche Erwerbstätigkeiten zu verrichten.

Mit Schreiben vom 4. April 1996 habe die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Jahren nicht erfüllt seien und ihr eine Ablichtung des Sachverständigengutachtens übermittelt. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin innerhalb offener Frist mit Schreiben vom 18. April 1996 Einwendungen erhoben und zur Unterstützung ihrer Angaben ein privatfachärztliches Gutachten vom 19. April 1996 vorgelegt. Diese Fachärztin habe im wesentlichen die gleiche Diagnose wie Dr. N. gestellt, jedoch angemerkt, daß mit einer kontinuierlichen Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei. Auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten Dris. N., daß leichte Arbeiten ohne erhöhte Ansprüche an die Konzentrations- und Merkfähigkeit möglich seien, sei die Fachärztin nicht eingegangen. Im Hinblick auf die ohnehin anerkannten Einschränkungen sei daher hinsichtlich der ärztlicherseits möglichen Erwerbstätigkeiten von den Feststellungen Dris. N. auszugehen gewesen.

In weiterer Folge habe die belangte Behörde mit schriftlicher Zustimmung der Beschwerdeführerin die vorliegenden ärztlichen Aussagen und ihre Eingabe dem gerichtlich beeideten Sachverständigen für Berufskunde und Arbeitstechnik, Herrn H., zur Kenntnis gebracht und diesen um Erstattung eines Gutachtens ersucht.

Nach den ausführlich begründeten Feststellungen im berufskundlichen Gutachten vom 1. Juni 1996 seien der Beschwerdeführerin entsprechend dem medizinischen Leistungskalkül leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, wie beispielsweise die einer Kanzleikraft, Registraturkraft oder Archivkraft in Vollbeschäftigung zumutbar. Für diese Verweisungstätigkeiten sei ein Anlernen, welches innerbetrieblich erfolge, erforderlich. Die Voraussetzungen für eine Unterweisung bzw. Einschulung seien gegeben. Derartige Arbeitsplätze gebe es in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel, bei Geldunternehmen, Kammern, Sozialversicherungsanstalten, Versicherungsunternehmen und im öffentlichen Dienst. In der allgemeinen Einschätzung würden die für möglich erachteten Verweisungsberufe eine dem zuletzt ausgeübten Tätigkeitsbild gleichwertige Geltung haben.

Mit Schreiben vom 13. Juni 1996 sei der Beschwerdeführerin der gesamte Sachverhalt zur Kenntnis gebracht und eine Ablichtung des berufskundlichen bzw. arbeitspsychologischen Gutachtens übermittelt worden.

In der dazu eingebrachten Stellungnahme vom 2. Juli 1996, der die Beschwerdeführerin zwei fachärztliche Atteste angeschlossen habe, ersuche sie um nochmalige Prüfung der Gebührlichkeit einer Zurechnung von Jahren. Nach dem Gutachten des behandelnden Arztes sei es seit April 1996 zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerdesymptomatik gekommen. Das sei aber für die Frage der Gebührlichkeit einer Zurechnung von Jahren nicht von entscheidender Bedeutung. Dafür seien vielmehr die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand maßgebend. Trete eine allfällige Unfähigkeit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erst durch eine spätere Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein, könne dadurch eine Zurechnung nicht bewirkt werden. Auch die von diesem Arzt getroffene Feststellung, daß geregelte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin führen könnten, sei angesichts der Ausführungen des Sachverständigen für Arbeitstechnik und Berufskunde, Herrn H., daß die Beschwerdeführerin beispielsweise die für sie noch in Frage kommende Tätigkeit einer Registraturkraft in wechselnder Körperhaltung ausführen könne, nicht geeignet, das berufskundliche Gutachten zu entkräften. Die von einem Facharzt für Orthopädie in seiner Beurteilung vom 27. Juni 1996 angeführten Gesundheitsstörungen stellten kein Novum dar und seien bereits im Vorgutachten vom 16. Mai 1995 berücksichtigt worden.

Zusammenfassend sei auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens festzustellen, daß die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der vorliegenden schlüssigen ärztlichen Aussagen und des überzeugenden berufskundlichen Gutachtens in der Lage sei, regelmäßige, ihr zumutbare Erwerbstätigkeiten auszuüben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zurechnung von Jahren nach § 9 Abs. 1 PG durch unrichtige Anwendung dieser Gesetzesbestimmung sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

In Ausführung dessen verweist die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf das im Zusammenhang mit ihrer Ruhestandsversetzung eingeholte anstaltsärztliche Gutachten, das im angefochtenen Bescheid gar nicht erwähnt worden sei. Dem Gutachten Dris. N. vom 28. März 1996, auf das sich die belangte Behörde im wesentlichen allein stütze, sei aber weder eine Auseinandersetzung mit dem anstaltsärztlichen Gutachten zu entnehmen, noch enthalte es eine Angabe, ob es überhaupt für den maßgebenden Pensionierungszeitpunkt Gültigkeit habe. Das mit dem fachärztlichen Gutachten Dris. N. vom 28. März 1996 zum Ausdruck gebrachte günstigere gesundheitliche Ergebnis könne die Folge einer durch die Ruhestandsversetzung zwischenzeitig eingetretenen gesundheitlichen Besserung bei der Beschwerdeführerin sein. Auch die Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten fachärztlichen Gutachten sei nicht hinreichend erfolgt. Ein weiteres Problem bestehe im "Ineinandergreifen" zwischen ärztlichem und berufskundlichem Gutachten. Die ärztlicherseits vorgenommene Schematisierung bezüglich der Befähigung für "leichte, mittlere, schwere Arbeiten" sei höchst problematisch. Es könne sein, daß sie für den rein körperlichen Bereich noch einigermaßen tauglich sei; für den psychischen Bereich gelte das jedoch nicht. Es wäre mindestens absolut unerläßlich gewesen, auch bei einer solchen äußerst groben Schematisierung zwischen dem physischen und psychischen Bereich zu trennen. Das sei im Gutachten Dris. N. nicht geschehen und es sei jedenfalls festzustellen, daß der berufskundliche Sachverständige allein die die physische Seite betreffende schematische Angabe der Ausführbarkeit von leichteren Arbeiten im Rahmen seiner Begutachtung umgesetzt habe. Am deutlichsten komme das in seiner Beurteilung der Möglichkeit zur Einschulung und Umschulung zum Ausdruck. Er bejahe diese mit der Hinzufügung, daß vom psychiatrischen Sachverständigen "diesbezüglich keine Ausschlußgründe genannt" worden seien. Tatsächlich habe Dr. N. jedoch Einschränkungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit konstatiert. Das seien aber zweifellos Fähigkeiten, die bei einer Einschulung und Umschulung in erhöhtem Maß erforderlich seien. Gleichzeitig entscheide sich dabei naturgemäß, ob es überhaupt zu einem dauernden Dienstverhältnis komme. Wenn der Dienstgeber bei einer Einschulung oder Umschulung Mängel der Konzentrations- und Merkfähigkeit feststelle, werde er mit Recht davon ausgehen, daß er keinen für seine Zwecke tauglichen Arbeitnehmer vor sich habe. Bei denkrichtiger Auseinandersetzung mit den Gutachtensergebnissen hätte daher die belangte Behörde zwingend zum Ergebnis kommen müssen, daß die Beschwerdeführerin jedenfalls und mindestens wegen mangelnder Befähigung zur Einschulung oder Umschulung erwerbsunfähig sei. Dies im übrigen ebenfalls in voller Übereinstimmung mit den alltäglichen Lebenserfahrungen. Wer aus psychischen Gründen, zufolge "depressiver Verstimmungszustände, Antriebsstörungen, erhöhter Müdigkeit, Nachlassen der Belastungsfähigkeit sowie der Konzentrations- und Merkfähigkeit" (Feststellungen im Gutachten Dris. N.) zur bisherigen Berufsausübung unfähig geworden sei, von dem werde zumindest im Regelfall nicht angenommen werden können, daß er nun erfolgreich die Umschulung und Umstellung für einen anderen Beruf werde bewältigen können. Etwas anderes werde höchstens in zwei Fällen denkbar sein, nämlich einerseits dann, wenn das Arbeitsklima im bisherigen Dienstverhältnis eine maßgebliche Bedeutung gehabt habe (gestörtes Verhältnis zu Kollegen bzw. Vorgesetzten) oder dann, wenn die neue Beschäftigung ganz wesentlich einfacher sei. Diese letztere Voraussetzung werde allerdings kaum je mit der Maßgabe erfüllt sein, daß die Alternative neue berufliche Tätigkeit der früheren auch gleichwertig sei.

Die weiters im Sinne des § 9 Abs. 1 PG maßgebliche Frage der Zumutbarkeit gehöre zweifellos in den Bereich der rechtlichen Beurteilung, die allein der Behörde obliege. Daß ein Sachverständiger (Berufskundler) "Verweisungsberufe" angebe, die nach seiner Beurteilung ausgehend vom medizinischen Gutachten noch ausgeübt werden könnten, beantworte allein die Zumutbarkeitsfrage noch nicht. Von allen vom berufskundlichen Sachverständigen angegebenen "Verweisungsberufen" nenne die belangte Behörde in der Bescheidbegründung nur den der "Registraturkraft", ohne sich mit der konkreten Zumutbarkeit auseinanderzusetzen. Der berufskundliche Sachverständige habe als weitere mögliche Berufe noch Kanzleikraft und Archivkraft angeführt. Für all diese Berufe habe er nur eine Zusammenfassung der Beschreibung gegeben. Aus dieser sei die erforderliche Qualifikation und vor allem auch die Wertigkeit der Berufe nicht ausdrücklich erkennbar. Daß sich der berufskundliche Sachverständige so gut wie nur mit den physischen Anforderungen beschäftigt habe, lasse den Schluß zu, daß er die intellektuellen Anforderungen als vernachlässigbar angesehen habe. Dies stimme auch mit seiner Tätigkeitsbeschreibung überein. Es würden darin praktisch nur manipulative Arbeiten angeführt, worüber höchstens noch hinausgehe, daß Akten "angelegt" würden und "wiederkehrende Arbeiten im Schriftverkehr mit Maschine und Hand nach Schema" sowie "einfache statistische Arbeiten" erledigt werden müßten. Hiemit könnten aber zweifellos keine qualifizierten Arbeiten in Registratur, Archiv oder Kanzlei gemeint sein. Da die Beschwerdeführerin im aktiven Bundesdienstverhältnis Beamtin des Fachdienstes gewesen sei, habe sie eine einschlägige Prüfung ablegen müssen und damit ganz zweifellos eine qualifizierte Tätigkeit ausgeübt, unmittelbar unter der Kategorie der B-wertigen Tätigkeiten und deutlich abgesetzt von den einfacheren Tätigkeiten, wie sie im Sachverständigengutachten angegeben und beschrieben worden seien. Diese Tätigkeiten seien nämlich lediglich als D- oder E-wertig anzusehen, während die Beschwerdeführerin C-Beamtin gewesen sei. Damit sei die erforderliche Gleichwertigkeit zweifellos nicht gegeben. Es würde für die Beschwerdeführerin einen drastischen beruflichen Abstieg bedeuten, wenn sie einen der "Verweisungsberufe" laut berufskundlichem Sachverständigengutachten auszuüben hätte.

Nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG), BGBl. Nr. 340, in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 426/1985, hat die oberste Dienstbehörde dem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen.

Nach § 9 Abs. 1 PG ist Voraussetzung für die von der Beschwerdeführerin begehrte Zurechnung, daß der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist. Maßgebender Zeitpunkt für diese Beurteilung sind die Verhältnisse bei der Ruhestandsversetzung (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1987, Zl. 87/12/0083, oder vom 29. Februar 1988, Zl. 87/12/0170). Bei der Beurteilung des Begriffes der Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage. Daraus folgt, daß nicht der ärztliche Sachverständige die Erwerbsunfähigkeit festzustellen hat, sondern die zur Entscheidung dieser Rechtsfrage berufene Behörde. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es bloß, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes fachtechnisch geschulte Hilfe zu leisten (vgl. beispielsweise Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1988, Zl. 88/12/0022, oder vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/12/0142).

Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist bezogen auf die dienstlichen Aufgaben bzw. die Frage der Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu sehen. Dementgegen ist der Begriff der Erwerbsfähigkeit wesentlich umfassender. Er bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen (- d.h., daß es nicht maßgebend ist, ob dem Beamten beispielsweise eine solche Tätigkeit konkret vermittelt werden kann - vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140). Es kommt aber - abgesehen von der Frage der Zumutbarkeit - darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten vorliegen. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1994, Zl. 94/12/0150).

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin mit 31. August 1995 auf Grund des damals erstellten anstaltsärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt wurde. Nach der bei den Akten befindlichen Feststellung in Verbindung mit der Tatbestandsvoraussetzung nach § 14 Abs. 3 BDG 1979 kann jedenfalls davon ausgegangen werden, daß es im Hinblick auf die körperliche und geistige Verfassung der Beschwerdeführerin nicht möglich war, ihr im Bereich ihrer Dienstbehörde einen gleichwertigen, zumutbaren Arbeitsplatz zuzuweisen.

Wenn die Beschwerdeführerin aber meint, auch bei Beurteilung ihrer Erwerbsunfähigkeit sei eine Verweisungsmöglichkeit nur auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz gegeben, so findet sich dafür im § 9 Abs. 1 PG kein rechtlicher Ansatz. Maßgebend für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 PG ist vielmehr, ob überhaupt noch eine Erwerbsfähigkeit im gesundheitlichen Sinn gegeben ist und - wenn diese Frage zu bejahen ist - ob die Möglichkeit des Einsatzes der (Rest-)Erwerbsfähigkeit noch zumutbar ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die vom gesundheitlichen Standpunkt noch ausübbaren Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (vgl. diesbezüglich beispielsweise Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1987, Zl. 86/12/0015, vom 18. Jänner 1988, Zl. 87/12/0123, vom 20. September 1988, Zl. 86/12/0114, 88/12/0021 und 88/12/0022, sowie vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140).

Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob die von der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der vom berufskundlichen Gutachter genannten Verweisungsberufe getroffenen Feststellungen deshalb ausreichen, weil die Beschwerdeführerin im Verfahren bezüglich der sozialen Komponente der Zumutbarkeit nichts Wesentliches vorgebracht hat. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im Verfahren selbst durch Vorlage weiterer fachärztlicher Gutachten nur ihre Erwerbsfähigkeit an sich bestritten. Den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten fachärztlichen Gutachten, die von einer Verschlechterung ihrer Beschwerden berichten, begegnete die belangte Behörde mit der rechtlich zutreffenden Feststellung, daß für die Beurteilung der Zurechnungsvoraussetzungen die gesundheitlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zur Zeit ihrer Versetzung in den Ruhestand maßgebend gewesen seien. Für diesen Zeitpunkt existiert aber nur das Gutachten des Anstaltsarztes. In dem von der belangten Behörde der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten fachärztlichen Gutachten Dris. N. werden ausgehend von der Darstellung der "derzeitigen Beschwerden" und dem am 23. Februar 1996 aufgenommenen Befund die Diagnose gestellt und die von der belangten Behörde gestellten 13 Fragen beantwortet. Weder aus der Fragestellung der belangten Behörde noch aus der Beantwortung ist aber ersichtlich, daß hiebei Bezugspunkt der gesundheitliche Status der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung gewesen wäre. Es kann auch nicht gesagt werden, daß aus der im fachärztlichen Gutachten Dris. N. erfolgten verkürzten bzw. zusammengefaßten Wiedergabe des seinerzeit erstellten anstaltsärztlichen Gutachtens bzw. zweier weiterer Befunde eine klare medizinisch begründete Aussage hinsichtlich des maßgeblichen Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Ruhestandsversetzung getroffen hätte werden können.

Davon ausgehend erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den weiters von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmängeln.

Da die belangte Behörde im Verfahren offenbar vorerst ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung hinsichtlich des Zeitpunktes für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin es unterlassen hatte, in der Fragestellung das von ihr zusätzlich zum anstaltsärztlichen Gutachten eingeholte Gutachten Dris. N. auf die Notwendigkeit einer rückbezogenen Beurteilung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin aufmerksam zu machen und eine solche durch das dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Gutachten Dris. N. oder in sonstiger Weise auch nicht erfolgt ist, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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