VwGH 99/05/0273

VwGH99/05/027326.4.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Ilse Gärtner in Puchenau, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger, Dr. Klaus Dorninger, Dr. Klaus Steiner, Mag. Marcus Bumberger, Mag. Klaus Renner und Mag. Felix Kraupa, Rechtsanwälte in Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. November 1999, Zl. BauR-020359/10-1999-Gr/Vi, betreffend Wiedereinsetzung in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. E. Halbweis-Eder KG in Linz, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, Klosterstraße 1, 2. Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
BauO OÖ 1994 §31 Abs2;
BauO OÖ 1994 §32 Abs1;
BauRallg;
VwGG §46 Abs1 impl;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs1 Z1;
BauO OÖ 1994 §31 Abs2;
BauO OÖ 1994 §32 Abs1;
BauRallg;
VwGG §46 Abs1 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der zweitmitbeteiligten Landeshauptstadt wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem am 14. Juli 1998 bei der Baubehörde eingelangten Ansuchen hatte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für den Einbau einer Umlüftung für die Apotheke samt Nebenräumen im Gebäude in Linz, Landstraße 70, beantragt. Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin dieses Gebäudes, Wohnungseigentum ist eingetragen.

Über dieses Ansuchen wurde mit Kundmachung vom 3. August 1998 für den 14. September 1998, 10.00 Uhr, eine mündliche Verhandlung im Gebäude Landstraße 70 anberaumt. Die Ladung der bekannten Beteiligten - unter ihnen auch der Beschwerdeführerin - erfolgte gemäß § 32 Abs. 1 OÖ BauO 1994 durch Anschlag der Kundmachung u.a. im Haus Landstraße Nr. 70. Persönlich war die Beschwerdeführerin nicht geladen worden, an der Bauverhandlung hat sie nicht teilgenommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 16. September 1998 wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt.

Mit Schriftsatz vom 30. September 1998, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, hatte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Bauverhandlung erhoben, gleichzeitig erhob sie Einwendungen dahingehend, dass die Aggregate mit Sicherheit eine Lärmentwicklung erzeugen würden. Die Anbringung der Aggregate an der Außenfassade des Hauses sei deshalb unzulässig, weil dafür nicht die erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer des Hauses vorliege. Weiters brachte sie die Berufung gegen die Baubewilligung ein. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung begründetete die Beschwerdeführerin damit, dass sie vom Verhandlungstermin am 14. September 1998 keine Kenntnis gehabt habe. Die Kundmachung sei weder ihr noch anderen Wohnungseigentümern zugestellt worden, lediglich ein Aushang sei am schwarzen Brett des Hauses erfolgt. In der Zeit vom 3. August bis 12. September 1998 sei in der Firma der Beschwerdeführerin Betriebsurlaub gewesen, der 13. September 1998 sei ein Sonntag gewesen. In diesem Zeitraum habe sich die Beschwerdeführerin, wie andere in ihrer Firma tätige Personen, nicht im gegenständlichen Haus aufgehalten. Es sei ihr in diesem Zeitraum auch nicht zumutbar gewesen, das Haus in Linz, Landstraße Nr. 70, aufzusuchen, zumal dort im Bereich der Apotheke und auch im Bereich des Büros der Beschwerdeführerin schon Umbauarbeiten im Gange gewesen seien, welche eine starke Lärm- und Schmutzbelästigung mit sich brachten. Am Montag, den 14. September 1998, sei die Beschwerdeführerin um etwa 9.00 Uhr in ihr Büro gekommen und habe dieses um 10.00 Uhr wieder verlassen müssen, da sie einen Arzttermin vereinbart hatte. Von einer Bauverhandlung habe sie bei dieser Gelegenheit nichts gemerkt.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1998 bewilligte der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt der Beschwerdeführerin die beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung.

In der Folge brachte die Erstmitbeteiligte gegen diesen Bescheid die Vorstellung ein, der die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. März 1999 Folge gegeben hat. Der Bescheid des Magistrates wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0106, den Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 1999 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme. Die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 31 Abs. 2 OÖ BauO 1994 liege vor, da Teile der bewilligten Umlüftung unmittelbar im Bereich des Fensters des Büros der Beschwerdeführerin an der Außenfassade angebracht werden sollten.

In der Folge hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. November 1999 der Vorstellung der Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 22. Oktober 1998 mit der Feststellung Folge gegeben, dass die Erstmitbeteiligte durch den genannten Bescheid in ihren Rechten verletzt werde. Ausgehend von der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Beschwerdeführerin Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zukomme, führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, es könne keine Rede davon sein, dass die Wiedereinsetzungswerberin an der Versäumung der mündlichen Bauverhandlung nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sie ein nicht unerhebliches Verschulden an der Versäumung der mündlichen Verhandlung treffe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, einen Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde gestellt. Auch die zweitmitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf das dem Wiedereinsetzungsantrag zu Grunde liegende Baubewilligungsverfahren ist auf Grund des Einbringens des Baugesuchs am 14. Juli 1998 die OÖ BauO 1994 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 anzuwenden. Zufolge des Art. II Abs. 3 dieser Novelle sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen. Wenn nun sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligten Parteien darauf hinweisen, mit dem Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 sei die Bewilligungspflicht des § 24 Abs. 1 Z. 6 lit. a (Aufstellung von Maschinen oder anderen Anlagen in Gebäuden oder sonstigen Bauten) ersatzlos gestrichen worden, weshalb auch kein Beseitigungsauftrag gemäß § 49 OÖ BauO 1994 erlassen werden könnte und somit der Beschwerdeführerin kein Rechtsschutzinteresse zukomme, so ist darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren, in dem noch eine Berufung offen ist und das deshalb nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht davon ausgegangen werden kann, dass kein Rechtsschutzinteresse gegeben ist. Überdies ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführerin in einem allfälligen zivilgerichtlichen Verfahren auf Grund des Wohnungseigentumsgesetzes eine andere Rechtsposition zukäme, wenn eine in erster Instanz erteilte Baubewilligung auf Grund einer Berufung von der Behörde zweiter Instanz versagt würde, als wenn, da es sich um ein Bewilligungs- und anzeigefreies Vorhaben handeln soll, gar keine Entscheidung der Baubehörde vorliegt. Im Übrigen wäre es der Erstmitbeteiligten freigestanden, sollte sie ernsthaft der Meinung gewesen sein, dass der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages kein Rechtsschutzbedürfnis zukomme - mit der Zurückziehung ihres Baugesuches dem Wiedereinsetzungsantrag den Boden zu entziehen. Da sie das bisher nicht getan hat, geht offensichtlich auch die Erstmitbeteiligte davon aus, dass dem Ausgang des Rechtsstreites über die Wiedereinsetzung mehr als akademische Bedeutung zukommt.

Entsprechend der Bindungswirkung, die verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse entfalten (§ 63 Abs. 1 VwGG), ist die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin in dem dem Wiedereinsetzungsantrag zu Grunde liegenden Baubewilligungsverfahren Parteistellung im Sinne des § 31 Abs. 2 OÖ BauO 1994 zukommt. Inhaltlich ist sie davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin an der Versäumung der mündlichen Verhandlung ein mehr als nur ein minderer Grad des Versehens anzulasten ist, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurde.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998 ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, dass keine Berufung zulässig sei.

Gemäß § 32 Abs. 1 letzter Satz OÖ BauO 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 70/1998 konnte die Ladung zur Bauverhandlung auch für bekannte Beteiligte durch Anschlag der Kundmachung in den betroffenen Häusern an einer den Hausbewohnern zugänglichen Stelle (Hausflur) erfolgen. Eine derartige Kundmachung ist im Beschwerdefall erfolgt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 94/05/0318) ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte.

Der Urlaub vom 3. August bis 13. September 1998 war weder unvorhergesehen noch unabwendbar. Es liegt daher kein Ereignis vor, das einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnte.

Da die Beschwerdeführerin ihren eigenen Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge davon wusste, dass im Bereich der Apotheke Umbauarbeiten im Gange waren, die eine starke Lärm- und Schmutzbelästigung mit sich brachten, hätte es die ihr zumutbare Sorgfaltspflicht überdies geboten, Nachschau zu halten oder halten zu lassen, ob nicht hinsichtlich dieser Arbeiten eine Bauverhandlung anberaumt oder eine andere Verfügung getroffen wurde.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist die Vorstellungsbehörde bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides gehalten, die Beweiswürdigung der Gemeindebehörde ihrerseits einer Überprüfung zu unterziehen und die Entscheidung der Gemeindebehörde aufzuheben und die Angelegenheit an die Gemeindebehörde zurückzuverweisen, wenn sich die Beweiswürdigung der Gemeindebehörde als nicht schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt ergeben sollte.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Landeshauptstadt war abzuweisen, weil sie nicht als obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 3 VwGG anzusehen ist, wurde doch der von ihr erlassene Bescheid von der Aufsichtsbehörde aufgehoben.

Wien, am 26. April 2000

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