VwGH 99/05/0106

VwGH99/05/010631.8.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Ilse Gärtner in Puchenau, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger, Dr. Klaus Dorninger, Dr. Klaus Steiner, Mag. Marcus Bumberger, Mag. Klaus Renner und Mag. Felix Kraupa, Rechtsanwälte in Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. März 1999, Zl. BauR-020359/1-1999/GR/Vi, betreffend Wiedereinsetzung in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Elisabeth Halbweis-Eder KG in Linz, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, Klosterstraße 1, 2. Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z6 lita;
BauO OÖ 1994 §31 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z6 lita;
BauO OÖ 1994 §31 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 14. Juli 1998 bei der Baubehörde eingelangten Ansuchen beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für den Einbau einer Umlüftung für die Apotheke samt Nebenräumen im Gebäude in Linz, Landstraße 70, auf dem Grundstück Nr. 1524, KG Linz. Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin dieses Gebäudes, Wohnungseigentum ist eingetragen. Über dieses Ansuchen wurde mit Kundmachung vom 3. August 1998 für den 14. September 1998, 10.00 Uhr, die mündliche Bauverhandlung im Gebäude Landstraße 70, anberaumt. Die Ladung der bekannten Beteiligten - unter ihnen auch der Beschwerdeführerin - erfolgte gemäß § 32 Abs. 1 Oö BauO 1994 durch Anschlag der Kundmachung u.a. im Haus Landstraße Nr. 70. Anlässlich der Bauverhandlung, an welcher die Beschwerdeführerin nicht teilgenommen hat, führte der bautechnische Amtssachverständige aus, die geplanten Geräte sollten in den Geschäftsräumen der Apotheke im Kellergeschoß, Erdgeschoß und Zwischengeschoß eingebaut werden. Die Kälteanlagen im Freien würden im Bereich des Durchganges bzw. des Hofes des Objektes installiert. In bautechnischer Hinsicht sei sowohl die Montage als auch die Aufstellung der geplanten Geräte ohne Bedeutung. Unter anderem sei folgende Auflage vorzuschreiben: Durch den Um- oder Zubau der zusätzlich belasteten tragenden Altbauteile sind vom Bauführer oder einer anderen gesetzlich dazu befugten Person, die dem Magistrat Linz - Bauamt vor Baubeginn namhaft zu machen ist, auf ihre Tragfähigkeit und ihren Bauzustand zu untersuchen und die nicht ausreichend tragfähigen Teile sind zu verstärken, abzufangen oder durch entsprechend dimensionierte neue Teile zu ersetzen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 16. September 1998 wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt.

Mit Schriftsatz vom 30. September 1998, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand gegen die Versäumung der Bauverhandlung, gleichzeitig erhob sie Einwendungen dahingehend, dass die Aggregate mit Sicherheit eine entsprechende Lärmentwicklung von sich geben würden. Die Anbringung dieser Aggregate an der Außenfassade des Hauses sei deshalb unzulässig, weil dafür nicht die erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer des Hauses vorliege. Überdies brachte sie die Berufung gegen die Baubewilligung ein. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin vom Verhandlungstermin am 14. September 1998 keine Kenntnis gehabt habe. Die Kundmachung sei weder ihr noch anderen Wohnungseigentümern zugestellt worden, es sei lediglich ein Aushang am Schwarzen Brett des Hauses erfolgt. In der Zeit vom 3. August bis 12. September 1998 sei in der Firma der Beschwerdeführerin Betriebsurlaub gewesen, der 13. September 1998 sei ein Sonntag gewesen. Die Beschwerdeführerin habe sich in diesem Zeitraum wie andere in ihrer Firma tätige Personen nicht im gegenständlichen Haus aufgehalten. Es sei ihr in diesem Zeitraum auch nicht zumutbar gewesen, das Haus in Linz, Landstraße 70, aufzusuchen, zumal dort im Bereich der Apotheke und auch im Bereich des Büros der Beschwerdeführerin schon Umbauarbeiten im Gange gewesen seien, welche eine starke Lärm- und Schmutzbelästigung mit sich brachten. Am Montag dem 14. September 1998 sei die Beschwerdeführerin um etwa 9.00 Uhr in ihr Büro gekommen und habe dieses um 10.00 Uhr wieder verlassen müssen, da sie einen Arzttermin vereinbart hatte. Von einer Bauverhandlung habe sie bei dieser Gelegenheit nichts gemerkt. Einige Tage später, als vor dem Fenster ihres Büroraumes Geräte montiert worden seien, habe sie in der Folge Frau Mag. Halbweis-Eder angerufen und gefragt, was hier los sei. Diese habe ihr mitgeteilt, dass eine Bauverhandlung stattgefunden habe, bei welcher alles bewilligt worden sei. Da die Beschwerdeführerin erst einige Tage nach dem 14. September 1998, nämlich genau am 16. September 1998, von der abgehaltenen Bauverhandlung Kenntnis erlangt habe, sei es ihr durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis unmöglich gewesen, an der Verhandlung teilzunehmen. Es habe sie auch kein Verschulden daran getroffen, dass sie den Verhandlungstermin nicht kannte, da die Zeit, in welcher die Kundmachung ausgehängt war, genau in den Betriebsurlaub gefallen sei. Überdies sei in der Kundmachung fälschlicherweise nur eine Bewilligung zum Einbau einer Umlüftung in der Apotheke angeführt worden. Tatsächlich seien aber, wie nunmehr jeder sehen könne, auch außen, nämlich an der Außenfassade des Hauses im Bereich eines der Bürofenster der Beschwerdeführerin, große Aggregate angebracht worden, die offensichtlich zu dieser Lüftungsanlage gehörten.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine Bestellkarte einer Arztpraxis für Montag den 14. September 1998 um 10.30 Uhr angeschlossen.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1998 bewilligte der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt der Beschwerdeführerin die beantragte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen diesen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei.

In der Folge brachte die Erstmitbeteiligte gegen diesen Bescheid Vorstellung an die belangte Behörde ein, in der sie darauf hinwies, dass kein Wiedereinsetzungsgrund vorliege, die Wiedereinsetzungswerberin habe selbst vorgebracht, dass sie am 14. September 1998 um 9.00 Uhr in ihrem Geschäft anwesend gewesen sei und das Haus um 10.00 Uhr verlassen habe. Die Kundmachung im Haus Landstraße 70 sei für jedermann ersichtlich gewesen.

Mit Bescheid vom 24. März 1999 gab die belangte Behörde der Vorstellung der Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid vom 22. Oktober 1998 mit der Feststellung Folge, dass die Erstmitbeteiligte durch den genannten Bescheid in ihren Rechten verletzt werde, der Bescheid des Magistrates wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführerin komme im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zu, die Zustimmung der Grundeigentümer sei nicht erforderlich, da es sich weder um einen Neu-, Zu- oder Umbau handle, die Beschwerdeführerin sei auch nicht Nachbarin im Sinne des § 28 Abs. 2 Z. 2 Oö BauO 1994, da diese Bestimmung deshalb nicht zur Anwendung gelange, weil das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben zufolge der Anbringung der Außengeräte an der hofseitigen Außenwand in ca. 3 m Höhe nicht auf das Innere einer selbständigen Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Räumlichkeit oder auf einen damit verbundenen anderen Teil der Liegenschaft beschränkt sei, handle es sich bei der Außenfassade im Allgemeinen doch um eine Gemeinschaftsanlage. Mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin hätte der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin zurückweisen müssen. Lediglich der Klarheit halber sei festzustellen, dass auch die im § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG angeführten Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben seien, weil die Beschwerdeführerin an der Versäumung der mündlichen Verhandlung ein über einen minderen Grand des Versehens hinausgehendes Verschulden treffe, da sie ihren eigenen Angaben zufolge Kenntnis davon hatte, dass im Zeitraum vom 3. August bis 12. September 1998 bereits Bauarbeiten im Bereich des Büros im Gange waren. Derartige Bauarbeiten würden einen halbwegs vernünftig denkenden Wohnungs- bzw. Geschäftsraumeigentümer nicht dazu verleiten, das Betreten seiner Wohnung bzw. seines Büros als unzumutbar einzustufen, sondern ihn vielmehr dazu bringen, an Ort und Stelle nach dem Rechten zu sehen. Dabei hätte der Beschwerdeführerin die Kundmachung der Anberaumung der mündlichen Verhandlung wohl auffallen müssen.

Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben zufolge jedenfalls am 14. September 1998 eine Stunde vor Beginn der mündlichen Bauverhandlung das Geschäftslokal betreten und hätte bei entsprechend sorgfältiger Vorgangsweise noch Kenntnis von der Bauverhandlung erlangen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die beiden mitbeteiligten Parteien, jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt die funktionelle Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, weil gemäß § 72 Abs. 4 AVG gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Rechtsmittel zulässig sei.

Die Vorstellung im Sinne des Art. 119a Abs. 5 B-VG ist ein Rechtsmittel an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde, deren Ergreifung Voraussetzung für die Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0268). In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ist daher die unmittelbare Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gegen den Bescheid eines Gemeindeorganes, das in letzter Instanz zuständig war, unzulässig. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes,

6. Auflage, S. 270, Rz 630), gegen den ein Rechtsmittel gemäß § 72 Abs. 4 AVG ausgeschlossen ist. Er ist daher von - vom Antragsteller verschiedenen - Parteien des Verwaltungsverfahrens in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches einer Gemeinde mit Vorstellung an die Landesregierung zu bekämpfen, bevor der Verwaltungsgerichtshof angerufen wird (vgl. den bereits zitierten hg. Beschluss vom 19. November 1996). Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die mit Bescheid des Magistrates Linz vom 22. Oktober 1998 in erster und letzter Instanz bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der Mitbeteiligten vor einer allfälligen Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtsmittels mit Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde bekämpft werden musste.

Die Beschwerdeführerin ist nicht Eigentümerin eines an den Bauplatz unmittelbar angrenzenden Grundstückes, sondern Miteigentümerin des Baugrundstückes sowie des darauf befindlichen Gebäudes; Wohnungseigentum ist einverleibt. Gemäß § 28 Abs. 2 Z. 2 Oö BauO 1994 ist die Zustimmung des Grundeigentümers (der Miteigentümer) nur bei Neu-, Zu- oder Umbauten von Gebäuden, nicht jedoch bei sonstigen bewilligungspflichtigen Bauführungen erforderlich. Im Beschwerdefall liegt weder ein Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden vor, das Bauvorhaben unterliegt vielmehr der Bewilligungspflicht nach § 24 Abs. 1 Z. 6 lit. a Oö BauO 1994 in der hier maßgebenden Fassung vor der Oö Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl. Nr. 70. Zu einer derartigen Bauführung ist keine Zustimmung der Grundeigentümer notwendig. Zu klären ist noch, ob der Beschwerdeführerin Nachbareigenschaft im Sinne des § 31 Abs. 2 Oö BauO 1994 zukommt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"Sind die Miteigentümer der Grundstücke, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz 1975 und ist ihre Zustimmung nach § 28 Abs. 2 Z. 2 nicht erforderlich, gelten auch diese Miteigentümer als Nachbarn, wenn ihre Wohnung (Räumlichkeit oder damit verbundener Teil der Liegenschaft) unmittelbar an jene Räumlichkeit oder jenen Teil der Liegenschaft angrenzt, in der oder auf dem das beantragte Bauvorhaben durchgeführt werden soll."

Unbestritten ist, dass Teile der gegenständlichen Anlage unmittelbar im Bereich des Fensters des Büros der Beschwerdeführerin an der Außenfassade angebracht werden sollen. Es kommt daher der Beschwerdeführerin Nachbarstellung im Sinne des § 31 Abs. 2 Oö BauO 1994 zu. Da die belangte Behörde dies verkannte, und die angenommene mangelnde Parteistellung der Beschwerdeführerin den die Aufhebung des Bescheides des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt tragenden Grund darstellt, der auch im fortgesetzten Verfahren Bindungswirkung entfaltet, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Auf die weiteren, im angefochtenen Bescheid lediglich der Klarstellung halber vorgenommenen Ausführungen ist schon deshalb, weil sie im fortgesetzten Verfahren keine Bindungswirkung entfalten, nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. August 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte