VwGH 99/05/0266

VwGH99/05/02667.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Dr. Edda Winkler in Seeboden, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig und Dr. Renate Napetschnig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Sterneckstraße 3/II, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. Oktober 1999, Zl. 8 B-BRM-371/1/1999, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Georg Kerschbaumer in Zlan, Stockenboier Straße 105,

2. Gemeinde Seeboden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Krnt 1969 §17;
BauO Krnt 1969 §21;
BauO Krnt 1996 §18;
BauRallg;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §4;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §9;
VVG §1;
VwRallg;
BauO Krnt 1969 §17;
BauO Krnt 1969 §21;
BauO Krnt 1996 §18;
BauRallg;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §4;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §9;
VVG §1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 4. September 1997 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für einen 2,85 m mal 4,88 m großen Zubau, beinhaltend einen Stiegenaufgang zum bestehenden Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück Nr. 717/3, KG Seeboden. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des westlich an das zu bebauende Grundstück anschließenden Grundstückes Nr. 717/1. Auf Grund der Kundmachung vom 15. Oktober 1997, in welchem über das Bauvorhaben eine mündliche Verhandlung für den 24. Oktober 1997 anberaumt wurde, brachte die Beschwerdeführerin gegen das Bauvorhaben Einwendungen vor. Insbesondere führte sie aus, dass das gegenständliche Bauvorhaben die Abstandsflächen zum Grundstück der Beschwerdeführerin nicht einhalte. Durch den geplanten, nordseitig gelegenen Stiegenhausanbau gingen für das bestehende Wohn- und Geschäftshaus Parkplätze verloren. Bereits das bestehende Gebäude verfüge über keine ausreichende Zufahrt, da anlässlich der Erteilung der Baubewilligung für die Aufstockung im Jahre 1977 im Baubewilligungsbescheid die Auflage aufgenommen worden sei, dass die Zufahrt zum Teil über das Grundstück des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin erfolge und hiefür ein Übereinkommen zu treffen sei. Ein derartiges Übereinkommen sei nie getroffen worden.

Mit Bescheid vom 23. März 1998 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin hat die mitbeteiligte Gemeinde das Gutachten eines amtstechnischen Sachverständigen vom 25. Jänner 1999 eingeholt, der ausführte, der Stiegenhauszubau sei der Größe und Form des Grundstückes angepasst, die Abstandsfläche des Zubaues rage auf der Westseite bis zu 1 m in das Nachbargrundstück. Auf Grund der vorhandenen Bebauung und des Verwendungszweckes des bestehenden Gebäudes ergebe sich für ein außen liegendes neues Stiegenhaus zur Erschließung der erwähnten Wohnungen nur die gewählte Möglichkeit, dieses an der Nordwestseite anzubauen. Auf Grund der Ausmaße, Ausgestaltung und Formensprache des Zubaues, des bestehenden vorhandenen Objektes und der umliegenden Gebäude werde auch das Ortsbild in keiner Hinsicht verletzt oder beeinträchtigt. Weiters würden auch keine, auf dem eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehende oder auf dem eigenen Grundstück zu errichtende Gebäude beeinträchtigt bzw. werde ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1 erster und zweiter Satz KBV nicht verhindert. Eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus den §§ 4 bis 7 KBV ergebenden Abstände werde durch den Zubau nicht verhindert, da dieser auch von seinen Ausmaßen her einen untergeordneten Zubau darstelle und auf Grund seiner Höhe und Situierung sowie der daraus resultierenden Abstandsfläche nicht geeignet sei, die vorerwähnte Bebauung zu verhindern. Das Gleiche treffe auch auf eine nach dem Bebauungsplan mögliche Verbauung von unbebauten Nachbargrundstücken bei Einhaltung der sich aus den §§ 4 bis 7 KBV ergebenden Abstände zu. Der Stiegenhauszubau könne ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsfläche nicht errichtet werden.

Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, die dazu ausführte, sie verweise auf ihre Berufung, ein Lageplan 1 : 500 sei im Wesentlichen mangelhaft und unrichtig. Ein Gerichtsverfahren betreffend die Grenzkatastergrundstücke Nr. 717/3 und 717/1, KG Seeboden, sei noch anhängig, es sei merkwürdig, dass das Verfahren nicht bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens ausgesetzt werde.

Mit Bescheid vom 15. Juni 1999 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. Oktober 1999 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat eine Gegenschrift

eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Allen österreichischen Bauordnungen ist gemeinsam, dass die Rechtsstellung des Nachbarn im baubehördlichen Bewilligungsverfahren beschränkt ist; der Nachbar hat nur dort ein durchsetzbares Mitspracherecht, wo seine durch baurechtliche Vorschriften geschützte Rechtssphäre bei Verwirklichung des Bauvorhabens beeinträchtigt werden könnte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0093, u.v.a.). Auf das gegenständliche Baubewilligungsverfahren sind die Bestimmungen der Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 (K-BO 1996), anzuwenden. Gemäß § 23 Abs. 3 leg. cit. dürfen Anrainer im Sinn des Abs. 2 gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

  1. a) die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;
  2. b) die Bebauungsweise;
  3. c) die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;
  4. d) die Lage des Vorhabens;
  5. e) die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;
  6. f) die Bebauungshöhe;
  7. g) die Brandsicherheit;
  8. h) den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
  9. i) den Emissionsschutz der Anrainer.

    Auf Grund des eingeschränkten Mitspracherechtes von Nachbarn im Baubewilligungsverfahren kann selbst eine objektive Rechtswidrigkeit eines Bescheides dann nicht zur Aufhebung dieses Bescheides führen, wenn dem Nachbarn hinsichtlich jener Bestimmung, die zu Unrecht missachtet wurde, kein Mitspracherecht zukommt. So ist zwar im Beschwerdefall auf Grund der vorgelegten Planunterlagen davon auszugehen, dass durch das geplante Bauvorhaben (Stiegenhauszubau) sehr wohl mindestens 1 Stellplatz (nämlich Nr. 13) verloren geht, und die Zufahrt zum Altbestand insofern nicht rechtlich gesichert ist, als diesbezüglich nach der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1977 kein Übereinkommen geschlossen wurde. Die Baubewilligung aus dem Jahre 1977, mit der die Aufstockung des Gebäudes des Bauwerbers bewilligt wurde, ist aber entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin mangels Erfüllung einer bestimmten Auflage nicht rechtsunwirksam, vielmehr wäre die Behörde gehalten gewesen, auf der Erfüllung dieser Auflage zu bestehen und sie allenfalls zu vollstrecken. Auflagen sind nämlich, sobald von der Bewilligung Gebrauch gemacht worden ist, grundsätzlich gegenüber dem Inhaber der Bewilligung vollstreckbar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. November 1981, Zl. 06/0640/80, und vom 9. November 1999, Zl. 99/05/0147). Der Rechtsbestand einer Baubewilligung, mit der eine Auflage als Nebenbestimmung erlassen wurde, bleibt bei Nichterfüllung der Auflage unberührt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist daher die Baubewilligung für die Aufstockung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses im Jahre 1977 in Rechtskraft erwachsen und gehört dem Rechtsbestand an, obwohl eine bestimmte Auflage nicht erfüllt wurde. Zu dem so bewilligten Gebäude kann auch ein Zubau bewilligt werden.

    Hinsichtlich des Bestehens einer geeigneten Zufahrt und dem Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen steht dem Nachbarn, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, kein subjektiv-öffentliches Recht zu. Im Baubewilligungsverfahren konnten daher diese Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen, die Beschwerdeführerin ist gehalten, die Benützung ihres Grundstückes auf dem Zivilrechtsweg zu verhindern.

    Die Bestimmung über die Abstände von Grundstücksgrenzen und von Gebäuden, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen, ergeben sich entweder aus den §§ 4 bis 10 der Kärntner Bauvorschriften oder aus einem Bebauungsplan. Das Recht des Nachbarn auf Einhaltung des Seitenabstandes ist im Falle der Gewährung einer Ausnahme insofern relativiert, als dem Nachbarn ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine (vom Bauwerber begehrte) Ausnahme gewährt wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 97/05/0251).

    Die Bestimmung des § 9 der hier maßgeblichen Kärntner

    Bauvorschriften hat folgenden Wortlaut:

    "§ 9

    Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen

(1) Die sich aus §§ 4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen ist zu verringern, wenn in einem vorhandenen Baubestand bereits Abstände verwirklicht sind, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 abweichen, Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird.

(2) Die Tiefe der Abstandsflächen ist überdies zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn

a) im Hinblick auf die Lage und Form des Grundstückes sowie eine zweckmäßige Bebauung und den Verwendungszweck des Gebäudes keine Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit oder des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden,

b) bei auf dem eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehenden sowie auf dem eigenen Grundstück zu errichtenden Gebäuden, die Aufenthaltsräume enthalten, ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1 erster und zweiter Satz nicht verhindert wird,

c) eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird und

d) eine nach einem Bebauungsplan mögliche Verbauung von unbebauten Nachbargrundstücken bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird."

Aus dem Gutachten des Bausachverständigen, das während des Berufungsverfahrens eingeholt wurde, ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar, dass das Bauvorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, und die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 lit. a bis d KBV vorliegen, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte. Diesen Feststellungen des Sachverständigen ist die Beschwerdeführerin nicht begründet entgegen getreten. Mit Recht konnte daher schon der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften hinsichtlich der Verringerung der Abstandsflächen vorliegen.

Da in dem Umfang, in dem der Beschwerdeführerin ein Mitspracherecht zusteht, keine Rechtsverletzung erkannt werden kann, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. März 2000

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