VwGH 99/05/0155

VwGH99/05/015525.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Helmut und der Anna Maria Zörrer in Steyr, beide vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1998, Zl. BauR-012118/3-1998/PE/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. Agspalter OEG in Laussa 83, 2. Gemeinde Laussa, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z36;
BauTG OÖ 1994 §3 Z4;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z36;
BauTG OÖ 1994 §3 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 16. Juni 1995, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 17. Juli 1995, beantragte die erstmitbeteiligte Partei, vertreten durch Josef und Margarete Agspalter, die Errichtung von zwei Windkraftanlagen auf dem Grundstück Nr. 2132, EZ 71, KG Laussa. Über dieses Ansuchen wurden zwei mündliche Verhandlungen, eine am 25. September 1996, die zweite am 29. April 1997 durchgeführt, zu welchen die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. Das eingereichte Projekt wurde jeweils eingehend erörtert, die Sachverständigengutachten wurden in den Verhandlungen dargelegt, die Beschwerdeführer brachten vor, unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgesetzt zu sein.

Die Hersteller und die Erstmitbeteiligte erklärten in der Verhandlung vom 29. April 1997, sie könnten aus technischer Sicht das Angebot machen, in diesem Fall die kritische nördlichere Anlage im Zeitbereich zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr in einer vorherrschenden Windrichtung zwischen Südost und Südwest erst ab einer Windgeschwindigkeit von 6,5 m/Sek. in Betrieb zu nehmen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. August 1997 wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung für zwei Windkraftanlagen erteilt. An die Baubewilligung wurde eine Reihe von Auflagen geknüpft, es wurde unter Punkt 1 vorgeschrieben, dass die nördliche der beiden Windkraftanlagen in einem Abstand von mindestens 30 m vom vorbeiführenden Güterweg zu errichten ist, Auflage Punkt 2 legte fest, dass die nördliche der beiden Windkraftanlagen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr bei einer vorherrschenden Windrichtung zwischen Südost und Südwest erst ab einer Windgeschwindigkeit von 6,5 m/Sek. in Betrieb genommen werden dürfe. Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer mit der Begründung Berufung ein, dass der Lärm der zu errichtenden Anlage zu groß sei. Die Ablehnung richte sich eigentlich nur gegen die nördliche Anlage, weil diese in einem Abstand von 225 m, gemessen vom Wohnhaus, geplant sei.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Dezember 1997 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 16. März 1998 Folge gegeben, der Bescheid des Gemeinderates wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass sich die Lärmbeurteilung nicht auf das "nächstgelegene" Nachbarhaus zu beziehen habe, vielmehr erstrecke sich der Immissionsschutz im Baubewilligungsverfahren auf das gesamte Nachbargrundstück, was zur Folge habe, dass die jeweils maßgeblichen Lärmgrenzwerte schon an der Nachbargrundstücksgrenze eingehalten werden müssen. Die jedenfalls erforderlichen Lärmmessungen hätten demnach auch an dieser Grundgrenze durchgeführt werden müssen. Der Sachverständige für Lärmschutz habe seine Beurteilung aber auf das "Wohnobjekt Zörrer" und damit nicht auf die Grenze der zum bebauenden Grundstück Nr. 2132 nächstgelegenen Parzelle der Beschwerdeführer bezogen. Dementsprechend basiere auch die darauf aufbauende amtsärztliche Begutachtung auf unzutreffenden Prämissen. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Berufungsbehörde bei Vermeidung der aufgezeigten Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens bei der Lärmbeurteilung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, stelle dieser Umstand einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

In der Folge ergänzte der Sachverständige des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, mit Gutachten vom 15. Juni 1998 sein bisheriges Gutachten. Er führte aus, auf Grund des Bescheides der belangten Behörde habe sich die Beurteilung im Bauverfahren auf die nächstgelegene Nachbargrundstücksgrenze zu beziehen. Demzufolge sei es nun von Bedeutung, in welcher Widmungskategorie sich die Liegenschaft der Beschwerdeführer befinde. Im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sei das Wohnobjekt einschließlich einer relativ kleinen umliegenden Fläche von ca. 700 m2 als Gebiet für den zeitweiligen Wohnbedarf und der restliche Teil des Grundstückes als "Grünland" ausgewiesen. Die Grünlandfläche reiche bis zu einem Abstand von ca. 109 m zur nächstgelegenen Windkraftanlage heran. Die zweite Windkraftanlage befinde sich dazu in einem Abstand von 233 m. Die Baulandwidmung "Gebiet für den zeitweiligen Wohnbedarf" sei in fachlicher Hinsicht eindeutig in die Kategorie 2 nach der ÖNORM S 5021-1 einzuordnen, wobei sich der Immissionsgrenzwert am Tag mit LA,eq = 50 dB und in der Nacht mit LA,eq = 40 dB ergebe. Die Einordnung der Grünlandfläche sei bedeutend schwieriger. Im Vergleich mit den Baulandwidmungen bzw. den dortigen Kategorieeinteilungen und unter Heranziehung der tatsächlichen Nutzung werde aus fachlicher Sicht eine Einstufung im Bereich der Kategorie 2 (Parkanlagen, Friedhöfe) vorgenommen. Dies bedeute einen Immissionsgrenzwert von LA,eq = 50 dB. Bei den Grünlandwidmungen werde durch den nicht gesondert zu berücksichtigenden erhöhten Ruheanspruch in den Nachtstunden der Immissionsgrenzwert für die Tages- und Nachtzeit im gleichen Ausmaß angenommen. Bei ungünstigstem Betriebszustand (Erreichen der höchsten Drehzahl) sei ein Wert von LA,eq = 48 dB anzunehmen, in diesem Wert sei eine Erhöhung der Geräusche von 3 dB bereits eingerechnet. Dieser Wert könne sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit erreicht werden. Vergleiche man nun die an der nächstgelegenen Grundgrenze der Beschwerdeführer prognostizierten Immissionswerte beim Betrieb beider Windkraftanlagen bei der maximalen Drehzahl mit der aus der ÖNORM S 5021-1 abgeleiteten Immissionsgrenze für "Grünland", so zeige sich, dass es zu keiner Überschreitung komme. Der Vollständigkeit halber sei noch angeführt, dass bei Windgeschwindigkeiten von mehr als 10 m/Sek. bereits durch die natürlichen Umgebungsgeräusche (Blattrauschen usw.) Lärmsituationen entstehen, die in einer Größenordnung von mehr als 50 dB liegen.

Ausgehend von diesem Gutachten erstellte der Vertreter der Abteilung Landessanitätsdirektion am 22. Juni 1998 ein Gutachten, in dem er darlegte, dass vom Pegelwert her die Geräusche der natürlichen Umgebungsgeräusche und der Windkraftanlagen, ausgehend von prognostizierten Immissionswerten annähernd in gleichen Bereichen lägen, sodass eine isolierte Wahrnehmung zunehmend erschwert bzw. nicht mehr gegeben sei. Ausgehend von der üblichen und im lärmtechnischen Gutachten näher beschriebenen Nutzung von Grünlandflächen sei davon auszugehen, dass die meisten angeführten Nutzungen, wie zB auch die im Konkreten vorliegende landwirtschaftliche Nutzung, jedenfalls mit höheren Immissionen verbunden seien, als die für die Windkraftanlage prognostizierten 48 dB an der Grundgrenze. Bei einem Vergleich der angeführten Grundlagen werde ersichtlich, dass eine Beeinträchtigung am Beurteilungspunkt "Grundgrenze" unter Berücksichtigung des ergänzenden lärmtechnischen Gutachtens nicht abzuleiten sei.

Den Beschwerdeführern wurden diese Gutachten zur Kenntnis gebracht, sie äußerten sich dazu ablehnend und führten insbesondere aus, durch Abschlagen des Waldes unterhalb ihrer Liegenschaft habe sich der Grundgeräuschpegel erheblich verändert. Die Besichtigung vor Ort und eine nochmalige Messung des derzeitigen Grundgeräuschpegels seien erforderlich.

Mit Bescheid vom 18. September 1998 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 21. August 1997 neuerlich als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, aus dem sich bei der Nutzung von Grünlandflächen ergebenden Grundgeräuschpegel sei ersichtlich, dass keine Beeinträchtigung abzuleiten sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Mitspracherecht der Nachbarn ist im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Hinsicht beschränkt: es besteht einerseits nur insoweit, als die jeweilige Rechtsordnung den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt, und andererseits nur insoweit, als der Nachbar rechtzeitig Einwendungen im Rechtssinn erhoben hat (§ 42 AVG).

Gemäß § 31 Abs. 4 der Oö BauO 1994 sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Das geplante Bauvorhaben der Erstmitbeteiligten liegt im Bauland-Sondergebiet für Windkraftanlagen. Nach § 23 Abs. 4 ROG 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 32/1999 sind als Sondergebiete des Baulandes solche Flächen vorzusehen, die für Bauten und Anlagen bestimmt sind, die besonders zu schützen oder deren Standorte besonders zu sichern sind. Dazu gehören Krankenanstalten, Schulen, Kirchen und Klöster, Burgen und Schlösser, Kasernen, Sportstätten, Tourismusbetriebe einschließlich dazugehöriger, ständig bestehender Anlagen, Ver- und Entsorgungsanlagen. Andere Bauten und Anlagen dürfen in diesen Gebieten nur errichtet werden, wenn sie mit dem Zweck der Widmung zu vereinbaren sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, dass für die Baubehörde allein die Widmung des zu bebauenden Grundes ausschlaggebend ist, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, S. 263).

Sondergebiete des Baulandes sehen in Bezug auf Windkraftanlagen keinen Immissionsschutz vor. Aber nach § 3 Z. 4 des Oö Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 67/1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 103/1998, müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden, dass durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden. Nach § 2 Z. 36 leg. cit. sind schädliche Umwelteinwirkungen Einwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im Besonderen für die Benützer der baulichen Anlagen und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen. § 3 Z. 4 in Verbindung mit § 2 Z. 36 des Oö BauTG stellt somit eine Norm dar, die gesundheitlichem Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dient, auf die Einhaltung dieser Bestimmungen steht dem Nachbarn gemäß § 31 Abs. 4 der Oö BauO 1994 ein durchsetzbares subjektives Recht zu (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. November 1999, Zl. 99/05/0195 und die dort zitierte Vorjudikatur). Der Gemeinderat wäre daher gehalten gewesen, prüfen zu lassen, ob an der Grenze des Nachbargrundstückes die nach § 3 Z. 4 des Oö BauTG zulässigen Werte eingehalten werden. Sowohl das ergänzte lärmtechnische als auch das ergänzte medizinische Gutachten waren jedoch auf die Widmung der Grundflächen der Beschwerdeführer, nämlich Grünland, abgestellt, womit sich das Verfahren auf Gemeindeebene schon aus diesem Grund als ergänzungsbedürftig erweist. Da die belangte Behörde das Erfordernis der Bezugnahme der Gutachten auf die Widmung des zu bebauenden Grundstückes nicht erkannte, belastete sie schon aus diesem Grund ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass zwischenzeitlich das Oö Bautechnikgesetz durch die Novelle LGBl. Nr. 103/1998 abgeändert wurde, es wird die dann maßgebliche Rechtslage zu beachten sein.

Da der Standort der baulichen Anlage nicht durch eine Auflage verändert werden kann (siehe Auflage Nr. 1 des Baubewilligungsbescheides), sondern sich eindeutig aus den Bauplänen zu ergeben hat, und für den Fall einer Verschiebung des Standortes die Pläne vom Bauwerber entsprechend zu modifizieren sind, wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, ob sich der von den Bauwerbern gewünschte und den durchgeführten Messungen zu Grunde liegende Standort der Windkraftanlagen eindeutig aus den Plänen ergibt.

Lediglich aus Gründen der Verfahrensökonomie wird darauf hingewiesen, dass sich die in der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnisse Zl. 94/04/0054, 90/04/0061, und 87/04/0046 auf die hg. Judikatur zum gewerblichen Betriebsanlagegenehmigungsverfahren beziehen, sodass die dort angeführten Rechtssätze nicht auf das Bauverfahren anzuwenden sind.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Jänner 2000

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