VwGH 98/20/0510

VwGH98/20/05108.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des SO in Wien, geboren am 25. Juni 1965, vertreten durch Dr. Wolfgang A. Schwarz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juli 1998, Zl. 200.819/0-V/15/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §38;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a idF 1998/I/028;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, der am 27. Juli 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 29. Juli 1997 Asyl. Er wurde am 14. August 1997 niederschriftlich einvernommen.

Die Behörde erster Instanz wies mit ihrem Bescheid vom 14. August 1997 den Asylantrag ab. Das Bundesasylamt sah die Angaben des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig an, weil sich dieser bei seiner Einvernahme mehrmals in wesentliche Widersprüche bezüglich seiner behaupteten Fluchtgründe verwickelt habe. Überdies habe der Beschwerdeführer nur vage Angaben bezüglich der politischen Organisation machen können, welcher sein Vater als führender Funktionär angehört habe. Die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben zu den Umständen seiner Flucht aus Nigeria widersprächen jeglicher Lebenserfahrung und seien auf Grund der ausweichenden Angaben des Beschwerdeführers, die jegliche Konkretheit vermissen ließen, als nicht glaubwürdig anzusehen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, er habe bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt ausgesagt, dass er

"aus politischen Gründen meine Heimat verlassen musste. Die Behörde vermeint, mir vorhalten zu können, ich hätte keine glaubhaften Angaben gemacht. Wäre sie ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen, hätte sie näher nachfragen und auch weitere Informationen einholen müssen, um festzustellen, dass meine Angaben der Wahrheit entsprechen".

Im Übrigen nahm der Beschwerdeführer in seiner Berufung zu den ihm vom Bundesasylamt vorgehaltenen Widersprüchen nicht weiter Stellung, sondern führte lediglich aus, es handle sich um Missverständnisse, die er aufklären könnte.

Die belangte Behörde gab dieser Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und verwies auf die Begründung des Bundesasylamtes, welche schlüssig und zutreffend sei. Die Schilderung des Fluchtweges durch den Beschwerdeführer sei vom Bundesasylamt zu Recht als mit den Grundsätzen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Einklang stehend gewertet worden. Hinsichtlich der Rüge, "die Niederschrift vom 29.7.1997 wäre in mehreren Punkten mangelhaft", sei festzuhalten, dass der Inhalt dem Beschwerdeführer vom Dolmetscher zur Kenntnis gebracht und der Beschwerdeführer dem nichts mehr hinzuzufügen gehabt habe. Das Bundesasylamt sei nicht verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer mit den "Zweifeln an seiner Wahrhaftigkeit" zu konfrontieren. Im Übrigen wäre selbst bei unterstellter Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht ausreichend dargetan. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände im Zusammenhang mit dem Tod seines Vaters hätten sich auf das Jahr 1995 bezogen. Der Beschwerdeführer sei dem gegenüber nach seinen Behauptungen erst im Jahr 1997 aus Nigeria geflohen. Damit könne von einer im Zeitpunkt seiner Flucht aktuellen Verfolgungsgefahr nicht gesprochen werden. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative bestanden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach dem Art. II Abs. 2 lit. d Z 43a EGVG ist auch auf das behördliche Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates das AVG anzuwenden, § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308). Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Berufung darauf beschränkt, pauschal zu behaupten, dass seine Angaben in erster Instanz wahr seien und die ihm im Bescheid des Bundesasylamtes vorgeworfenen Widersprüche lediglich auf Missverständnisse zurückzuführen seien. Der Beschwerdeführer, der unter Beiziehung eines Dolmetschers vernommen worden war, hat aber nach dem Inhalt der Niederschrift nicht zu erkennen gegeben, dass es bei seiner Einvernahme zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre. Er hat auch in der Berufung nicht konkret behauptet, dass bestimmte Passagen vom Dolmetscher unrichtig übersetzt oder ihm nicht ausreichend rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer hat in seiner nahezu inhaltsleeren Berufung auch nicht weiter ausgeführt, worin die lediglich allgemein vorgebrachten Missverständnisse bestünden und in welcher Weise sich die vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüche als "Missverständnisse" auflösen ließen. In der Berufung finden sich keinerlei ergänzende Angaben oder weitere substanziierte Behauptungen einer asylrelevanten Verfolgungssituation des Beschwerdeführers. Es ist daher eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, dass die belangte Behörde von einer mündlichen Verhandlung Abstand nahm, nicht zu ersehen.

Die Beweiswürdigung ist nach ständiger hg. Rechtsprechung ein Denkprozess, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 549f, abgedruckte hg. Judikatur).

Die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ist nicht als unschlüssig zu erkennen. Die Behörde erster Instanz hat zutreffend aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer sich bei seiner Einvernahme hinsichtlich wesentlicher Umstände widersprochen hatte. So gab der Beschwerdeführer zunächst an, zum Zeitpunkt der Verhaftung seines Vaters, der "Nationaler Koordinator für Kampagnen und Kundgebungen des Komitees für Demokratie und Menschenrechte" gewesen sei, anwesend gewesen zu sein. Andererseits behauptete der Beschwerdeführer, ca. drei Monate vor diesem Zeitpunkt anlässlich einer "Attacke" gegen seinen Vater verletzt worden zu sein, was einen sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt für ihn zur Folge gehabt habe. In der Folge gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht gemeint, dass er damals seinen Vater selbst gesehen hätte, sondern "die Familie" habe ihn damals zuletzt gesehen. Mit seiner Aussage "ich lief damals davon" habe er gemeint, "nicht verhaftet" worden zu sein. Außerdem habe er nicht einen "sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt" gemeint, sondern er sei "sechs Monate in ärztlicher Betreuung" gestanden. Er wäre lediglich drei Monate im Krankenhaus gelegen. Die Behörde hat auch zutreffend darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer sich nach seinen eigenen Angaben noch bis zum Jahr 1997 in Nigeria aufgehalten hatte und seinen Aussagen nicht konkret zu entnehmen ist, dass er während dieser Zeit einer konkreten Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hatte nicht nur hinsichtlich der Organisation, für die sein Vater gearbeitet habe, äußerst vage gehaltene Angaben gemacht, sondern auch hinsichtlich der Umstände seiner Flucht und der Fluchtroute völlig unbestimmt gehaltene Aussagen getätigt. Diese Angaben laufen darauf hinaus, dass ein Fremder für den Beschwerdeführer die Flucht bis nach Österreich organisiert und bezahlt habe, wobei der Beschwerdeführer selbst über die einzelnen Stationen und die Fluchtroute überhaupt nicht Bescheid gewusst hätte. Wenn die belangte Behörde mit der Behörde erster Instanz diese Angaben nicht als ausreichend erachtete, um von einer glaubhaften Darstellung einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen, so vermag der Verwaltungsgerichtshof daran im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nichts auszusetzen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein Durchschlagen der gegen den Vater behaupteten Verfolgung auf den Beschwerdeführer selbst angenommen werden kann. Dies wäre lediglich dann der Fall, wenn auf Grund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden müsste, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlung erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden. Dies müsste angesichts des Umstandes, dass nach den Aussagen des Beschwerdeführers sein Bruder nach dem Tod seines Vaters ohne weiter erkennbare nachteilige Konsequenzen wieder enthaftet worden sei und sich der Beschwerdeführer noch weitere zwei Jahre in Nigeria aufgehalten habe, bezweifelt werden. Abgesehen davon, dass der erst mit der Beschwerde vorgelegte Bericht von Amnesty International, worin von drohenden Exekutionen zur Tatzeit in einem Fall möglicherweise noch minderjähriger, wegen bewaffneten Raubes und Mordes verurteilter Personen namens "Eugene Odey und Odey Liku", sohin allgemein vom Gebrauch der Todesstrafe in Nigeria die Rede ist, gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) verstößt, ergibt sich aus diesem vorgelegten Bericht auch nicht, dass eine organisierte asylrelevante Verfolgung gegen Familienangehörige des Beschwerdeführers in Nigeria bestünde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. Juni 2000

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