VwGH 98/17/0091

VwGH98/17/009115.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerden des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die Bescheide je des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Februar 1998, 1. Zl. UVS-05/K/30/00354/97 (hg. Zl. 98/17/0091),

  1. 2. Zl. UVS-05/K/30/00355/97 (hg. Zl. 98/17/0092) und
  2. 3. Zl. UVS-05/K/30/00356/97 (hg. Zl. 98/17/0093), jeweils betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes (mitbeteiligte Partei jeweils E, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
B-VG Art9 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2 impl;
ParkometerG Wr 1974 §1a;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art1 Abs2 Z1;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955;
VStG §2 Abs1;
VStG §2 Abs2;
VStG §24;
VStG §27 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §7 impl;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art9 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2 impl;
ParkometerG Wr 1974 §1a;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art1 Abs2 Z1;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955;
VStG §2 Abs1;
VStG §2 Abs2;
VStG §24;
VStG §27 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §7 impl;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist Geschäftsführer einer GmbH mit dem Sitz in Deutschland.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde wurden jeweils näher bezeichnete erstinstanzliche Straferkenntnisse betreffend Verwaltungsübertretungen nach § 1a des (Wiener) Parkometergesetzes behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt. Mit den erstinstanzlichen Straferkenntnissen je vom 16. Jänner 1997 war dem Beschwerdeführer jeweils zur Last gelegt worden, er habe als zur Vertretung nach außen berufene Person des Zulassungsbesitzers, nämlich der näher genannten GmbH mit dem Sitz in Deutschland, dem jeweils am 7. Dezember 1995 ordnungsgemäß zugestellten Verlangen des Magistrats der Stadt Wien jeweils vom 24. November 1995 innerhalb von zwei Wochen Auskunft darüber zu geben, wem er ein dem (deutschen) Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug überlassen gehabt habe, das zu näher angeführten (unterschiedlichen) Zeiten an einem näher angeführten Ort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien abgestellt gewesen sei, nicht entsprochen.

Die belangte Behörde ging in den im Wesentlichen gleich lautenden Begründungen ihrer Bescheide davon aus, dass zwar Erfüllungsort der Auskunftsverpflichtung nach § 1a (Wiener) Parkometergesetz der Sitz der anfragenden Behörde sei; diese sei jedoch nicht befugt gewesen, eine Lenkeranfrage im Sinne des § 1a (Wiener) Parkometergesetz an eine im Ausland wohnhafte natürliche Person oder auch an eine GmbH mit Sitz in Ausland als Halter eines dort zugelassenen Kraftfahrzeuges zu stellen. Eine "Lenkeranfrage" einer österreichischen Behörde, die für den Fall des nicht fristgerechten oder unrichtigen Beantwortens eine Strafdrohung vorsehe, widerspreche sowohl dem Völkergewohnheitsrecht als auch dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft die Bescheide der belangten Behörde jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

§ 1a des Parkometergesetzes, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 47/1974 in der Fassung Landesgesetzblatt für Wien Nr. 24/1987, lautet:

"(1) Der Zulassungsbesitzer und jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges oder die Verwendung eines mehrspurigen Fahrzeuges überlässt, für deren Abstellen Parkometerabgabe zu entrichten war, hat, falls das Kraftfahrzeug oder das Fahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt war, dem Magistrat darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug oder das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen gehabt hat.

(2) Die Auskunft, welche die Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muss, ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0211 in Interpretation dieser Bestimmung ausgeführt hat, ist Erfüllungsort der durch § 1a (Wiener) Parkometergesetz angeordneten Auskunftspflicht der Sitz der anfragenden Behörde; dort ist die geschuldete Handlung, also die Erteilung der Auskunft vorzunehmen. Dies gilt auch für eine im Postweg übermittelte schriftliche Auskunft (vgl. das erwähnte Erkenntnis vom 15. September 1995).

Ob auf einem anderen Rechtsgebiet - die Gegenschrift der belangten Behörde verweist hier auf § 103 Abs. 2 KFG - ehemals eine davon abweichende Rechtsprechung bestand (vgl. hiezu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156), ist für die Interpretation der hier anzuwendenden, eindeutigen Gesetzeslage nicht von Belang. Auch hat sich der Mitbeteiligte nie auf einen diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

Vor dem Gerichtshof ist nicht (mehr) strittig, dass dem Mitbeteiligten die Auskunftsverlangen der beschwerdeführenden Partei (unter Einschreiten deutscher Behörden) zugestellt wurden (nach dem Ausweis der Akten offenbar an eine Mitbewohnerin). Der Mitbeteiligte, der in seinen Berufungen zunächst von einem Zustellversuch in Wien ausgegangen war, hat auch nicht vorgebracht, eine Zustellung unter der Anschrift in Deutschland hätte - allenfalls wegen Ortsabwesenheit - nicht erfolgen dürfen. Der Mitbeteiligte hat sich (bisher) auch nicht darauf berufen, die ihm erteilte Frist zur Beantwortung des Auskunftsverlangens sei von ihm eingehalten worden. Nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Parteien ist daher davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte die Frist für die ihm zugekommenen Auskunftsverlangen ungenützt verstreichen ließ.

Wie der Verwaltungsgerichtshof seit den Erkenntnissen je vom 27. Oktober 1997, Zl. 96/17/0425 und Zl. 97/17/0336, in ständiger Rechtsprechung erkennt, darf eine Lenkeranfrage nach § 1a (Wiener) Parkometergesetz auch an deutsche Staatsbürger (Zulassungsbesitzer) gerichtet werden. In seinem erwähnten Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/17/0336, hat der Verwaltungsgerichtshof auch eingehend zur Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit und des anzuwendenden Rechts Stellung genommen. Er hat in diesem Erkenntnis dargelegt, dass es sich bei der nach dem Wiener Parkometergesetz zu entrichtenden Abgabe um eine der in Art. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955, erwähnten öffentlichen Abgaben, die von einer Gemeinde erhoben wird, handelt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung ist daher nach diesem Vertrag (und nicht nach dem Amts- und Rechtshilfevertrag BGBl. Nr. 526/1990) zu beurteilen. Danach ergibt sich die völkerrechtliche Berechtigung zur Zustellung im unmittelbaren Postweg aus dem Ergebnis eines Verständigungsverfahrens gemäß Art. 15 des soeben zitierten Vertrages BGBl. Nr. 249/1955 (veröffentlicht in AÖF Nr. 241/1981). Völkerrechtliche Bedenken gegen die Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren Postweg bestehen daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur das erwähnte Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/17/0336) nicht. Schon auf Grund eines Größenschlusses können daher auch keine Bedenken gegen eine Zustellung unter Inanspruchnahme deutscher Behörden bestehen, wobei es - entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift des Mitbeteiligten - nicht darauf ankommt, ob sich die österreichischen Behörden auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt haben.

Soweit der Mitbeteiligte vor dem Gerichtshof (erstmals) vorbringt, die beschwerdeführende Partei habe nicht von sich aus geprüft, ob sich das Fahrzeug mit Wissen und Willen des Zulassungsbesitzers (Halters) in der Wiener Kurzparkzone befunden habe, ist nicht einsichtig, warum dies eine Lenkeranfrage an einen ausländischen Zulassungsbesitzer unzulässig machen sollte. Die beschwerdeführende Partei als anfragende Behörde durfte nämlich - ohne Vorliegen anderer Anhaltspunkte - davon ausgehen, dass das Fahrzeug "mit Wissen und Willen des Zulassungsbesitzers" nach Österreich verbracht wurde. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof schon ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1999, Zl. 99/17/0026), dass auch ein deutscher Staatsbürger ab dem Zeitpunkt, indem er ernsthaft mit der Verbringung des überlassenen Kraftfahrzeuges nach Österreich rechnen musste, Anlass hatte, sich mit den einschlägigen Normen der österreichischen Rechtsordnung vertraut zu machen. Jedenfalls aber hätte die belangte Behörde mangels eines konkreten Vorbringens des Mitbeteiligten die hier ins Treffen geführte Unterlassung weiterer Erhebungen nicht zum Anlass für die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nehmen dürfen. Ein Verbringen des Fahrzeuges ohne "Wissen und Willen des Zulassungsbesitzers" nach Österreich wäre nämlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung derart unwahrscheinlich, dass diesbezügliche Erhebungen nur durch eine konkrete Tatsachenbehauptung indiziert waren.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf die Änderung der Judikatur zu dem hier nicht anzuwendenden § 103 Abs. 2 KFG verweist und daraus ableitet, es könne von einem ausländischen Zulassungsbesitzer nicht verlangt werden, Aufzeichnungen betreffend die Überlassung eines Kraftfahrzeuges zu führen, der erstinstanzliche Bescheid hätte daher auch wegen fehlenden Verschuldens aufgehoben werden müssen, so ist hiezu auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide jeweils mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet hat. Die Bescheide waren infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 15. Mai 2000

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