VwGH 96/10/0142

VwGH96/10/01423.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der E in 6900 Bregenz, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 4. Oktober 1995, 1. Zl. 1-0661/94/K2 (Zl. 96/10/0142) und 2. Zl. 1-1015/94/K2 (Zl. 96/10/0143), betreffend Übertretungen des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

MRKZP 07te Art4;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwRallg;
MRKZP 07te Art4;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 5.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c iVm § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SittenpolG Vlbg), am 17. April 1994 schuldig erkannt. Es wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen sowie eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt.

Zur Begründung des Strafausmaßes verwies die belangte Behörde auf vier rechtskräftige ungetilgte Bestrafungen nach § 18 Abs. 1 lit. c SittenpolG Vlbg. Nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG dürfe eine Freiheitsstrafe zwei Wochen nur dann übersteigen, wenn besondere Erschwerungsgründe vorlägen. Dies sei nach Auffassung der belangten Behörde jedenfalls dann der Fall, wenn drei einschlägige Vorstrafen vorhanden seien. Die Dauer von 20 Tagen sei im gegenständlichen Fall gerechtfertigt, weil auch die letzte rechtskräftige Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe in ähnlicher Dauer nicht ausgereicht habe, die Beschwerdeführerin zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die darin zum Ausdruck kommende außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung der Beschwerdeführerin, und somit der atypisch schwerwiegende Schuldgehalt der Tat, die Höhe der vorliegenden Freiheitsstrafe rechtfertige; es sei unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin durch eine geringere Strafe noch zu beeindrucken sei. Nach § 18 Abs. 3 letzter Satz SittenpolG Vlbg könnten bei besonders erschwerenden Umständen Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden. Nach Auffassung der belangten Behörde sei jene weitere Vorstrafe, die über die drei die Grundlage für die Verhängung der Freiheitsstrafe bildenden Vorstrafen hinausgehe, ein solcher besonders erschwerender Umstand im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung.

Mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin wegen einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c iVm § 4 Abs. 1 SittenpolG Vlbg am 25. September 1994 schuldig erkannt. Es wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Tagen und eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen) verhängt.

Zur Begründung des Strafausmaßes verwies die belangte Behörde auf fünf rechtskräftige ungetilgte Bestrafungen nach § 18 Abs. 1 lit. c SittenpolG Vlbg. Zur Begründung einer zwei Wochen übersteigenden Freiheitsstrafe nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG berief sich die belangte Behörde auf drei einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin. Nach Auffassung der belangten Behörde stellten jene zwei Vorstrafen, die über die drei die Grundlage für die Verhängung der Freiheitsstrafe bildenden Vorstrafen hinausgingen, besonders erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 letzter Satz SittenpolG Vlbg dar. Diese zwei Vorstrafen bildeten die Grundlage für die Verhängung einer Geld- und einer Arreststrafe.

Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerden mit Beschluss vom 19. Juni 1996, B 314, 315/96, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde rügt zunächst unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137, die belangte Behörde habe die Vorstrafen der Beschwerdeführerin sowohl als besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG als auch gleichzeitig als besonders erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 SittenpolG Vlbg herangezogen. Darin liege ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot. Nach dem genannten Erkenntnis hätte die belangte Behörde auch die zur Strafbemessung als Erschwerungsgrund herangezogenen einschlägigen und dieselbe schädliche Neigung indizierenden Vorstrafen der Beschwerdeführerin einzeln anführen müssen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

In der Begründung der angefochtenen Bescheide wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vier bzw. fünf einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin vorliegen. Jeweils drei dieser Vorstrafen wurden von der belangten Behörde bei der Strafbemessung im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG herangezogen. Eine bzw. zwei weitere Vorstrafen wurden von der belangten Behörde bei der Anwendung des § 18 Abs. 3 letzter Satz SittenpolG Vlbg berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinderte das Doppelverwertungsverbot die belangte Behörde nicht daran, bei der nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Beurteilung auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass die Beschwerdeführerin weitere nicht getilgte Vorstrafen nicht von der Begehung der Verwaltungsübertretungen abhalten konnten. Dabei handelte es sich im Verhältnis zu den in der Beurteilung nach § 18 Abs. 3 SittenpolG Vlbg zu Grunde gelegten Vorstrafen nicht um "denselben Umstand" im Sinne des erwähnten Vorerkenntnisses vom 27. November 1995 (vgl. dazu das Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/10/0074). Daher sind auch die besonderen Umstände im Sinne des Erkenntnisses vom 27. November 1995, die es erforderlich machten, die herangezogenen Vorstrafen genau zu bezeichnen, im Beschwerdefall nicht gegeben.

Die Beschwerde vertritt ferner die Auffassung, die angefochtenen Bescheide verstießen auch gegen das Doppelbestrafungsverbot des 7. Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention (ZPMRK). Die wiederkehrende Begehung von Unzuchtshandlungen würden vierfach bestraft. Zunächst einmal stecke schon im Begriff der "Gewerbsmäßigkeit" der Unzucht das Erfordernis der wiederholten Begehung. Daneben sei die Tatwiederholung Voraussetzung für die Verhängung einer Freiheitsstrafe. Ein drittes Mal komme der Umstand der wiederholten Tatbegehung bei der Annahme der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG zur Berücksichtigung. Schließlich verlange auch die Kumulierung des § 18 Abs. 3 SittenpolG Vlbg wiederkehrende Bestrafung.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Nach Art. 4 des

7. ZPMRK ist ein neuerliches Strafverfahren wegen derselben strafbaren Handlung untersagt. Damit wird der Grundsatz des "ne bis in idem" normiert; für den Bereich der Strafbemessung bedeutet dieses Doppelverwertungsverbot insbesondere, dass Merkmale, die die Strafdrohung bestimmen bzw. Tatbestandsmerkmale sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (vgl. etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 66f zu § 19 VStG). In der Annahme des Vorliegens der Gewerbsmäßigkeit bei der Begehung der zu beurteilenden Handlung liegt nicht schon an sich eine Bestrafung wegen "derselben" strafbaren Handlung, weil die Behörde das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit ohne Bedachtnahme auf frühere strafbare Handlungen annehmen durfte (vgl. das Erkenntnis vom 24. Mai 1993, Zl. 93/10/0014) und im konkreten Fall auch nicht ersichtlich ist, dass die Behörde bei der in Rede stehenden Beurteilung auf frühere strafbare Handlungen der Beschwerdeführerin zurückgegriffen hätte. Im Übrigen könnte ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot - unabhängig davon, ob frühere strafbare Handlungen zur Begründung des Tatbestandsmerkmales der Gewerbsmäßigkeit herangezogen wurden - der Umstand als erschwerend gewertet werden, dass sich in dem trotz früherer Verurteilungen fortgesetzten Verhalten die besondere Uneinsichtigkeit und ablehnende Haltung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten manifestiert (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 78 zu § 19 VStG). Dass bei der nach § 12 Abs. 1 VStG und der nach § 18 Abs. 3 SittenpolG Vlbg jeweils vorzunehmenden Beurteilung nicht auf "denselben Umstand" - und somit auch nicht auf "dieselbe strafbare Handlung" im Sinne des Doppelverwertungsverbotes - zurückgegriffen wurde, wurde oben bereits dargelegt.

Soweit die Beschwerde unter Zitierung von Entscheidungen des EGMR die Auffassung vertritt, der Unabhängige Verwaltungssenat sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 MRK, ist sie gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183, zu verweisen. In diesen wurde ausgeführt, dass die Darlegungen keinen Anhaltspunkt für eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit bieten.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 96/03/0350).

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Juli 2000

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