Normen
ASVG §357 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
AVG §33 Abs3;
AVG §6 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §62 Abs1;
ZustG §4;
ZustG §7;
ASVG §357 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
AVG §33 Abs3;
AVG §6 Abs1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §62 Abs1;
ZustG §4;
ZustG §7;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 465,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. Juni 1994 gemäß §§ 410 und 357 Abs. 1 ASVG iVm §§ 71 f. und 32 f. AVG wegen Verspätung zurück.
Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer näher bezeichneten GmbH mit Bescheid vom 28. Juni 1994 gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto dieser GmbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Beitragszuschlag in der Höhe von insgesamt S 156.922,46 zu bezahlen. Mit dem nunmehr vorliegenden Antrag (vom 21. Juni 1995), welcher zuständigkeitshalber vom Büro des Landesrates Dr. Gerhard H. an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse weiter geleitet und dort am 7. Juli 1995 eingelangt sei, habe der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Bescheid vom 28. Juni 1994 zwar am 11. Juli 1994 unter der Adresse "Box 167, 9000 Windhoek/Namibia/Afrika" eingetroffen und von einer gewissen Frau F. übernommen worden sei. Auf Grund einer längeren örtlichen Abwesenheit habe der Beschwerdeführer diesen Bescheid jedoch nie erhalten. Außerdem sei die Postablage an der genannten Adresse für jedermann zugänglich gewesen. Der Beschwerdeführer habe erst nach Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses in Bad Ischl durch seinen Dienstgeber von der bereits eingeleiteten Lohnexekution erfahren und daraufhin am 19. Juni 1995 umgehend bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgesprochen, um den Sachverhalt zu klären. Dabei habe er erstmalig Kenntnis vom Inhalt des Bescheides vom 28. Juni 1994 erhalten.
Rechtlich beurteilte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse diesen Sachverhalt folgendermaßen: Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung sei gemäß § 357 Abs. 1 ASVG iVm § 71 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen bzw. das versäumte Rechtsmittel einzubringen gewesen sei. Da der dem Antrag zu Grunde liegende Bescheid vom 28. Juni 1994 von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erlassen worden sei, hätte diese auch über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden. Der Beschwerdeführer habe nach seinen eigenen Angaben am 19. Juni 1995 anlässlich seiner Vorsprache bei der Kasse vom Sachverhalt Kenntnis erlangt und den entsprechenden Bescheid in Abschrift erhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre daher bis spätestens 3. Juli 1995 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einzubringen gewesen. Der Antrag des Beschwerdeführers sei jedoch nachweislich erst am 7. Juli 1995 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, also nach Ablauf der zweiwöchigen Frist, eingelangt. Anträge, die bei einer unzuständigen Behörde eingebracht würden, seien zwar im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG ohne unnötigen Aufschub an die zuständige Stelle weiter zu leiten, jedoch ausschließlich auf Gefahr des Einschreiters. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweise sich daher als verspätet.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Er brachte im Wesentlichen vor, den Wiedereinsetzungsantrag irrtümlich bei der unzuständigen Behörde eingebracht zu haben, weil ihm die nötigen Anleitungen nicht gegeben worden seien. Außerdem sei die verspätete Weiterleitung seines Antrages schuldhaft erfolgt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass dann, wenn die unzuständige Stelle, nämlich das Büro des Landesrates Dr. Gerhard H., den irrtümlich an sie gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, spätestens am 3. Juli 1995 an die zuständige Behörde, also die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, weitergeleitet hätte, die Frist gewahrt worden wäre. Das Büro des Landesrates habe den Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Juni 1995 jedoch erst am 6. Juli 1995 mit einer Stellungnahme der Rechtsabteilung 5 vom 3. Juli 1995, also verspätet, auf der Post eingeschrieben aufgegeben, sodass der Antrag erst am 7. Juli 1995 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingelangt sei. Die Weiterleitung sei "jedoch ohne unnötigen Aufschub ausschließlich auf Gefahr des Einschreiters" erfolgt.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. November 1995, B 3399/95, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 357 Abs. 1 ASVG gelten für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Verwaltungssachen u. a. die §§ 71 und 72 AVG.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs. 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Da eine andere Behörde als Einbringungsstelle nicht genannt ist, muss der Antrag auf Wiedereinsetzung bei der Behörde eingebracht werden, die nach Abs. 4 zur Entscheidung darüber berufen ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anm. 14 zu § 71). Da der Einspruch gegen den Bescheid eines Versicherungsträgers gemäß § 412 Abs. 1 dritter Satz ASVG bei dem Versicherungsträger einzubringen ist, der den Bescheid erlassen hat, ist dieser Versicherungsträger auch zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung zuständig (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Zl. 87/08/0069). Im Beschwerdefall war der Antrag auf Wiedereinsetzung daher bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse einzubringen, die darüber auch zu entscheiden hatte.
Der Beschwerdeführer hat nach seinen eigenen Angaben am 19. Juni 1995 anlässlich seiner Vorsprache bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse deren Bescheid vom 28. Juni 1994 in Abschrift erhalten; sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre daher spätestens am 3. Juli 1995 mit der Post an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu senden gewesen. Die Tage des Postenlaufes nach § 33 Abs. 3 AVG werden dabei nur insoweit nicht in die Frist eingerechnet, als er sich um den Postenlauf zur richtigen Stelle handelt; der Postenlauf an die unrichtige Stelle ist in die Frist einzurechnen (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0140).
Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Wiedereinsetzung an das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung - Rechtsabteilung 5, Herrn Landesrat Dr. Gerhard H." adressierte, wo er am 23. Juni 1995 einlangte, wäre die zweiwöchige Frist nur gewahrt gewesen, wenn diese - unzuständige - Behörde den Schriftsatz innerhalb der genannten Frist zwecks Weiterleitung an die zuständige Stelle zur Post gegeben hätte (vgl. das Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/03/0241). Im Beschwerdefall wurde der Antrag des Beschwerdeführers von der unzuständigen Behörde allerdings erst nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Rechtsabteilung 5 am 6. Juli 1995 zur Post gegeben und traf am 7. Juli 1995 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ein.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.
Die Pflicht der unzuständigen Behörde zur Weiterleitung von Schriftstücken darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beliebig lange hinausgezögert werden. Das bedeutet aber nicht, dass das Risiko des Einschreiters dann ausgeschaltet und daher seine an eine Frist gebundene Prozesshandlung als rechtzeitig anzusehen wäre, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt die sofortige Weiterleitung möglicherweise zur Folge gehabt hätte, dass das Schriftstück noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde eingelangt oder doch durch die - noch rechtzeitige - Übergabe des Schriftstückes an die Post zur Beförderung die Frist gewahrt geblieben wäre (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0140). Die Wendung "auf Gefahr des Einschreiters" bedeutet, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens bzw. zur Weiterverweisung an die zuständige Stelle auferlegt ist (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 25. September 1990).
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher von der belangten Behörde - unabhängig von der Frage einer etwaigen Pflichtverletzung des Amtes der Landesregierung - zu Recht wegen Verspätung zurückgewiesen.
Vor dem Hintergrund der - nicht widerlegten - Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführer habe den Haftungsbescheid vom 28. Juni 1994 in Afrika gar nicht erhalten, erwiese sich die Zurückweisung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch aus folgenden Überlegungen als zutreffend: Ein Postfach (hier: "Box 167, 9000 Windhoek/Namibia/Afrika") stellt grundsätzlich keine Abgabestelle im Sinne des § 4 des Zustellgesetzes dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Oktober 1996, Zl. 96/11/0137). Der Haftungsbescheid wäre daher gegenüber dem Beschwerdeführer gar nicht erlassen worden. Deshalb fehlte es auch an einem Fristversäumnis, somit an einer Voraussetzung für einen Antrag auf Wiedereinsetzung.
Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Oktober 2000
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