VwGH 99/19/0097

VwGH99/19/009725.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1949 geborenen MM in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1999, Zl. 102.793/21-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1999 wurde der nunmehr als solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewertete Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 7. Dezember 1993 gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag könne im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen sei, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigt habe oder bereits über einen solchen verfügt habe. § 14 Abs. 2 FrG 1997 gleiche dem § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG). Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG werde für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, dass der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt werde, sondern auch, dass die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet werde. Da dem Gesetzgeber des FrG 1997 - Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus den Materialien - nicht zu unterstellen sei, dass die Beweggründe zur Erlassung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 andere gewesen wären als jene, die zur Erlassung des § 6 Abs. 2 AufG geführt hätten, sei die Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus als Erfolgsvoraussetzung zu werten, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich ziehe. Fest stehe, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in der österreichischen Botschaft in Pressburg eingebracht worden sei. Der Beschwerdeführer habe noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung oder über einen Sichtvermerk verfügt. Im Anschluss an die Antragstellung sei der Beschwerdeführer nach Österreich eingereist, um hier die Erteilung der beantragten Bewilligung abzuwarten. Damit sei dem § 14 Abs. 2 FrG 1997 nicht Genüge getan. Der Antrag sei abzuweisen gewesen. Eine Abwägung im Sinne des § 8 Abs. 3 FrG 1997 ergebe, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären Interessen durch die Anwesenheit seiner Ehegattin und seiner beiden Töchter im Bundesgebiet den öffentlichen Interessen hintanzustellen seien, weil sich der Beschwerdeführer seit 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Antragstellung nicht den entsprechenden fremdenrechtlichen Bestimmungen entsprochen habe. Schließlich sei der Beschwerdeführer bewusst nur zur Antragstellung ausgereist. Die Versagung der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung sei im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, er habe noch nie über eine Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt. Die belangte Behörde wertete daher den Antrag des Beschwerdeführers vom 7. Dezember 1993 zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, für den die Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgebend ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist diese Norm des FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. Für die Beurteilung des Vorliegens der in Rede stehenden Erfolgsvoraussetzung ist ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgebend. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt wurden, anzuwenden.

Der Beschwerdeführer tritt nun der Feststellung im angefochtenen Bescheid, er habe sich nach seiner im Ausland erfolgten Antragstellung ständig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen.

Damit ist aber der Erfolgsvoraussetzung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht Genüge getan. Dies hat die Abweisung des Antrages zur Folge. Eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 unter Bedachtnahme auf die in Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien kam aufgrund des vorliegenden, entgegen § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 gestellten Antrages entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0283).

Der Beschwerdeführer beruft sich schließlich auf seine durch Art. 8 MRK geschützten Interessen in Österreich. Er bringt in diesem Zusammenhang vor, er sei im Jahr 1993 nach Österreich eingereist. Er lebe mit seiner vierköpfigen Familie in Wien. Sowohl seine Ehegattin als auch eine seiner Töchter hätten gültige Niederlassungsbewilligungen. Eine weitere Tochter besuche seit Jahren in Österreich die Schule und werde nun eine Niederlassungsbewilligung erhalten. Es seien ihr bereits zuvor Niederlassungsbewilligungen erteilt worden. Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt im Inland nie aufgegeben. Die belangte Behörde habe es unterlassen zu begründen, aus welchen Überlegungen sie von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen ausgegangen sei.

Diesen Ausführungen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:

Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 auf die privaten und familiären Interessen derjenigen Fremden bereits Rücksicht genommen, die sich in Österreich rechtmäßig niedergelassen hatten. Andererseits ging der Gesetzgeber offenbar bewusst davon aus, dass jene Fremde, die noch nie im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen waren, gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ihren Antrag vor einer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen haben.

Aus Anlass des Beschwerdefalles sind auch keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahin entstanden, dass die Umschreibung der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 zu eng wäre und damit gegen Art. 8 MRK verstieße. Der Eingriff in ein gedachtes durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Neuzuwanderung zur Wahrung seiner persönlichen Interessen im Bundesgebiet wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein solches Recht überhaupt zusteht.

Da nach dem Vorgesagten eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde nicht geboten war, geht die Rüge eines Begründungsmangels bei der "Interessensabwägung" ins Leere.

In diesem Zusammenhang vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das im ersten Rechtsgang ergangene hg. Erkenntnis vom 5. August 1998, Zl. 95/21/0314, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Erkenntnis hatte der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die im ersten Rechtsgang erfolgte, auf § 5 Abs. 1 AufG gestützte Abweisung des gegenständlichen Antrages rechtswidrig sei, weil bei einer auf diesen Versagungsgrund gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen zu erfolgen gehabt hätte. Gerade das ist aber bei dem hier in Rede stehenden Versagungsgrund des § 14 Abs. 2 FrG 1997 nach dem Vorgesagten nicht der Fall.

Schließlich führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass die Versagung der Niederlassungsbewilligung aus dem Grunde des § 14 Abs. 2 FrG 1997 zu einem Wertungswiderspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu so genannten "Scheinehen" führte.

Nach dieser Rechtsprechung überwögen nach dem Verstreichen von mehr als fünf Jahren nach Abschluss der Scheinehe regelmäßig die privaten Interessen des Fremden die durch das Eingehen einer solchen Ehe gestörten öffentlichen Interessen. Das dem Antragserfolg des Beschwerdeführers hier schädliche Verhalten, nämlich die Niederlassung im Bundesgebiet ohne Berechtigung nach seiner Antragstellung vom Ausland aus, sei als geringerer Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen zu werten als der Abschluss einer Ehe nur zum Schein, um sich eine Niederlassungsbewilligung zu verschaffen.

Insofern der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen auf das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0097, Bezug nehmen sollte, ist ihm zu entgegnen, dass dieses Erkenntnis die Frage zum Gegenstand hatte, ob das (länger als siebeneinhalb Jahre zurückliegende) Eingehen einer so genannten "Scheinehe" noch die in § 18 Abs. 1 FrG 1992 umschriebene Prognose rechtfertigt, sein Aufenthalt werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen gefährden. Diese Frage verneinte der Verwaltungsgerichtshof für das Aufenthaltsverbotsverfahren im Hinblick auf das schon lange zurückliegende Fehlverhalten und das zwischenzeitige Wohlverhalten des dortigen Beschwerdeführers.

Die gemäß § 18 Abs. 1 FrG 1992 zu treffende Prognose im Aufenthaltsverbotsverfahren (vgl. zu der gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 zu treffenden Gefährdungsprognose im Zusammenhang mit "Scheinehen" aber auch das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1998, Zl. 96/19/2766) ist von der Frage, ob ein Fremder seine Erstniederlassungsbewilligung vom Ausland aus zu beantragen und die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abzuwarten hat, zu trennen. Die Notwendigkeit einer Ausreise zur Antragstellung und eines Abwartens der Entscheidung im Ausland beeinträchtigt die Rechtsstellung eines Fremden auch regelmäßig geringer als die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, welches ja die Erlangung einer Bewilligung auch über einen vom Ausland aus gestellten Antrag während seiner Geltungsdauer jedenfalls ausschließt.

Insoweit der Beschwerdeführer allerdings einen Wertungwiderspruch darin erblicken wollte, dass derjenige, der durch Eingehen einer Scheinehe eine Aufenthaltsbewilligung erlangt hatte, eben deshalb einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung im Inland stellen kann, so ist ihm zu entgegnen, dass sich diese Konsequenz aus der Rechtskraft einer (allenfalls unrichtigen) Entscheidung einer Behörde ergibt. Es erscheint jedoch nicht unsachlich, dass der Begünstigte einer, wenngleich rechtswidrigen, so doch rechtskräftigen Entscheidung die ihm daraus erwachsenden Vorteile so lange in Anspruch nehmen kann, als diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört.

Schließlich steht der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers die in § 10 Abs. 4 FrG 1997 vorgesehene Möglichkeit, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, nicht entgegen. Ein subjektives Recht des Fremden auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels besteht allerdings nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 98/19/0311). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im Falle des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG 1997 vorliegen oder nicht.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. Juni 1999

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