VwGH 99/18/0106

VwGH99/18/010619.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der K V, (geb. 20.5.1981), vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 1. Februar 1999, Zl. III 20/99, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangene Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 1. Februar 1999 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß §§ 33 Abs. 1, 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin halte sich im Bundesgebiet seit ihrer Einreise im Jahr 1997 ohne erforderliche gültige Aufenthaltsbewilligung, somit rechtswidrig im Sinn des § 31 Abs. 1 FrG auf. In ihrem Fall komme ein "Ausweisungsverbotsgrund" gemäß § 35 FrG nicht zum Tragen. Auf Grund ihres Aufenthalts im Bundesgebiet seit 1997, ihrer Ehe mit einem in Österreich erlaubt aufhältigen, gut integrierten türkischen Staatsangehörigen und ihres gemeinsamen Kindes (geb. 1998) - wobei die Beschwerdeführerin mit den genannten Personen auch in einem gemeinsamen Haushalt lebe - liege ein mit der Ausweisung verbundener relevanter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben gemäß § 37 Abs. 1 FrG vor; die Beschwerdeführerin fungiere als Hausfrau und Mutter. Das Gewicht ihrer "privat/familiären" Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werde aber durch die Kürze und Rechtswidrigkeit ihres Aufenthaltes sowie durch den Umstand verringert, dass sie sich während eines rechtswidrigen Aufenthaltes (mit Mann und Kind) integriert habe. Der durch die Ausweisung dennoch erfolgende Eingriff in ihr Privat- und Familienleben sei im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziels, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung, dringend geboten. Vom Ermessen des § 33 Abs. 1 FrG werde zum Nachteil der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf Gebrauch gemacht, dass § 14 Abs. 2 erster Satz FrG einzuhalten sei, wonach die rechtmäßige Einwanderung in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu erfolgen habe, und die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet "aus dem Grund ohnehin verlassen" müsse.

Zu ihrem Berufungsvorbringen werde die Beschwerdeführerin auf die Ausführungen im bekämpften Bescheid verwiesen. Allfällige erstinstanzliche Verfahrensmängel seien durch die Berufungsmöglichkeit, von der die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht habe, und den Berufungsbescheid saniert. Auf die beantragte Einvernahme ihres Ehemannes und dessen Vaters über die "private Situation" der Beschwerdeführerin und die Situation in der Türkei werde "wegen Unnotwendigkeit verzichtet". Die Beschwerdeführerin habe ihre private Situtation in ihrer Berufung ausführlich geschildert, und die belangte Behörde gehe ohnehin von diesem Vorbringen aus. Ihre Situation in der Türkei sei für das gegenständliche Administrativverfahren irrelevant, weil diesbezüglich das in Österreich geführte Privat- und Familienleben maßgeblich sei und weil eine Ausweisung nicht anordne, wohin der Fremde auszureisen habe, allenfalls abgeschoben werde. Daraus, dass sie sich bis auf den rechtswidrigen Aufenthalt nichts habe zu Schulden kommen lassen, könne die Beschwerdeführerin nichts gewinnen, weil eben gerade ihr rechtswidriger Aufenthalt ein gesetzlicher Ausweisungsgrund sei. Dass die Beschwerdeführerin auf Grund der Verhältnisse in der Türkei diese habe verlassen müssen und keine Zeit mehr gehabt habe, sich um eine legale Einreise nach Österreich zu kümmern, würde den Gegenstand eines Asylverfahrens darstellen, wenn die Beschwerdeführerin einen Asylantrag gestellt hätte. Zu ihrem Vorbringen, es sei der Beschwerdeführerin nicht zumutbar (mit oder ohne Kind) Österreich in Richtung Türkei zu verlassen, werde darauf hingewiesen, dass mit der Ausweisung nicht angeordnet werde, wohin die Beschwerdeführerin auszureisen habe. Ihr Hinweis auf "Art. 7 des ARB 1/80" ziehe schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin die dort genannte Voraussetzung, dass sie von Österreich die Genehmigung erhalten hätte, zu ihrem Ehegatten zu ziehen, nicht erfülle.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Vorlage einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass sie sich seit Jänner 1997 in Österreich aufhält, und lässt die Auffassung der Behörde, dass ihr Aufenthalt seither rechtswidrig sei, unbekämpft. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe vor ihrer Einreise ihre Heimat (nach der Vertreibung aus ihrem Dorf) fluchtartig verlassen müssen und ihren einzigen Ausweg darin gesehen, bei ihrem Ehemann Schutz zu suchen, und auch keine Zeit mehr gehabt, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in ihrer Heimat abzuwarten, ist entgegenzuhalten, dass es nach der maßgeblichen Bestimmung des § 33 Abs. 1 FrG nicht darauf ankommt, aus welchem Grund der Fremde über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das zu § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, im Hinblick auf die insoweit nicht geänderte Rechtslage auch für § 33 Abs. 1 FrG einschlägige Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 95/18/1370). Vor diesem Hintergrund besteht gegen die Ansicht der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt, kein Einwand.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den Bescheid im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG. Die belangte Behörde hätte auf Grund der von ihr getroffenen Feststellungen im Interesse der Beschwerdeführerin und ihrer Familie die Ausweisung nicht verfügen dürfen. Die Beschwerdeführerin stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Ihr Unterhalt sei gesichert, sie sei in Österreich - wo ihre gesamte Familie lebe - in einem Familienverband integriert. Sie habe bis auf ihre rechtswidrige Einreise keine Gesetzesübertretungen begangen, auch habe sie sich "unverzüglich angemeldet und der Fremdenpolizei Meldung erstattet". In ihrem Heimatland sei die Existenz der Beschwerdeführerin und die ihres Kindes massiv gefährdet; sie habe dort keine Arbeit, keine Wohnung und kein Vermögen; weiters sei es ihr unmöglich, sich und ihr Baby in der Türkei zu erhalten. Die Beschwerdeführerin sei krankenversichert, sie sei mit der Erziehung ihres (am 23.3.1998 geborenen) Sohnes beschäftigt und gehe keiner illegalen Tätigkeit nach. Ihr Ehemann verfüge über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung, er sei in Österreich vollständig integriert und genieße hier "ein Bleiberecht". In ihrem Heimatland habe die Beschwerdeführerin "niemanden mehr", der sie und ihren Sohn unterstützen würde.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltsannahme zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber darauf hingewiesen, dass nach der hg. Rechtsprechung den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zlen. 98/18/0248, 0249). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren zur Gänze unberechtigten Aufenthalt in der Dauer von etwa zwei Jahren gravierend beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung vermag die Beschwerdeführerin durch ihr Vorbringen betreffend ihr Heimatland nicht abzuschwächen. Der durch § 37 Abs. 1 gewährleistete Schutz bezieht sich nur auf das in Österreich geführte Privat- und Familienleben; weiters wird mit einer Ausweisung nicht ausgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz aus dem Jahr 1992, welche auf die Rechtslage nach dem FrG übertragbar ist, das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/18/0266, mwH). Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe bis auf ihre rechtswidrige Einreise keine Gesetzesübertretungen begangen, kann dies im Lichte des § 37 Abs. 1 FrG nicht zu ihren Gunsten ausschlagen, weil dieser Umstand weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0424). Schließlich kann ihr Ehemann auch von Österreich aus - für Gegenteiliges gibt weder die Beschwerde noch der vorgelegte Verwaltungsakt einen Anhaltspunkt - den notwendigen Unterhalt für die Beschwerdeführerin und ihr Kind erbringen. Von daher begegnet das Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, keinem Einwand.

2.3. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die von ihr beantragten Einvernahmen nicht durchgeführt und damit in Bezug auf § 37 Abs. 1 FrG den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, nicht zielführend.

3. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 1999

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