VwGH 99/11/0092

VwGH99/11/009224.8.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerden der B F in F, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen die Bescheide 1. des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 19. Februar 1999, Zl. Ib-277-161/98 (hg. Zl. 99/11/0092), und 2. des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 21. April 1999, Zl. 421. 732/1-II/B/8/99 (hg. Zl. 99/11/0175), beide betreffend Aussetzung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §37;
AVG §38;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002 ;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §3 Abs1 Z4;
FSG 1997 §35 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §37;
AVG §38;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002 ;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §3 Abs1 Z4;
FSG 1997 §35 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs3;
KFG 1967 §75 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 21. April 1999 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 19. Februar 1999 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 25. November 1998 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 Führerscheingesetz (FSG) aufgefordert, innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Zustellung des Bescheides ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B gemäß § 8 FSG vorzulegen; gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

1.2. Mit dem zur Zl. 99/11/0092 angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg wurde das Berufungsverfahren betreffend Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 38 AVG bis zum rechtskräftigen Abschluss eines beim Bezirksgericht Feldkirch anhängigen Strafverfahrens ausgesetzt. Dieser Aussetzungsbescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass eine Berufung an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr zulässig sei.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Der belangte Landeshauptmann von Vorarlberg hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Zurückweisung oder Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.3. Die Beschwerdeführerin hat gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 19. Februar 1999 der Rechtsmittelbelehrung entsprechend auch eine Berufung an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr eingebracht. Mit dem zur Zl. 99/11/0175 angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Der belangte Bundesminister hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und hierüber erwogen:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung zu § 123 KFG 1967 zum Ausdruck gebracht, dass ein vom Landeshauptmann als Berufungsbehörde in einem Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung (das abgesehen von der hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme einer Entziehung für mindestens fünf Jahre ein letztinstanzliches Verfahren ist) erlassener verfahrensrechtlicher Bescheid wie etwa ein Aussetzungsbescheid nach § 38 AVG mit Berufung an den zuständigen Bundesminister bekämpft werden kann und dass eine gegen diesen verfahrensrechtlichen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen ist (vgl. den Beschluss vom 6. September 1994, Zl. 94/11/0234).

Auf Grund der durch das FSG gegebenen Rechtslage kommt dem Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr - abgesehen davon, dass er als Berufungsbehörde bei erstinstanzlichen Bescheiden von (im Devolutionsweg zuständig gewordenen) Landeshauptmännern sowie als deren sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu entscheiden hat - keine Zuständigkeit zur Erlassung von Berufungsbescheiden in Angelegenheiten betreffend Entziehung von Lenkberechtigungen mehr zu.

Bemerkt sei, dass sich die vom Landeshauptmann von Vorarlberg in seiner Gegenschrift zu Z. 99/11/0092 zur Stützung seines Antrages auf Zurückweisung der Beschwerde zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das KFG 1967 und noch nicht auf das FSG bezieht.

Der Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 21. April 1999 war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen dessen Unzuständigkeit aufzuheben.

2.2. Die Aufhebung des Berufungsbescheides des unzuständigen Bundesministers macht den Weg zur Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg frei.

2.2.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 25. November 1998 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 FSG aufgefordert, innerhalb von vier Monaten von der Zustellung des Bescheides an ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B vorzulegen; gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem zu Zl. 99/11/0092 angefochtenen Bescheid wurde das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem beim Bezirksgericht Feldkirch anhängigen Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz wegen Besitzes von Suchtmitteln ausgesetzt.

2.2.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet, das (nach Zurücklegung des Strafantrages durch die Staatsanwaltschaft Feldkirch, Stellung eines Fortsetzungsantrages durch die Beschwerdeführerin, Erlassung einer Strafverfügung und Erhebung eines Einspruches) anhängige Strafverfahren betreffe als Hauptfrage eine im Entziehungs-(Aufforderungs-)Verfahren zu beurteilende Vorfrage.

Aus § 14 Abs. 1 und 3 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung BGBl. II Nr. 322/1997 ergebe sich, dass die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur Personen abgesprochen werden könne, die von einem Suchtmittel abhängig sind oder den Konsum dieses Mittels nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind; ferner Personen, die in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, sofern ihre Fähigkeit zum Lenken nicht durch eine verkehrspsychologische und fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen ist.

Wie immer das Strafverfahren wegen geringfügigen Konsums von Cannabiskraut ausgehen möge, habe dies keinen Einfluss auf die Beurteilung ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Der Ausgang des Strafverfahrens betreffe keine Vorfrage des Entziehungsverfahrens.

2.2.3. Vorauszuschicken ist, dass ungeachtet des Umstandes, dass im FSG - zum Unterschied zu § 75 Abs. 1 KFG 1967 - nicht ausdrücklich normiert ist, dass ein Entziehungsverfahren nur eingeleitet werden darf, wenn (begründete) Bedenken gegen den aufrechten Bestand einer Erteilungsvoraussetzung bestehen, sich an der Rechtslage insofern nichts geändert hat. Wollte man diese Voraussetzung für die Einleitung eines Entziehungs- verfahrens als nicht geboten erkennen, so könnte trotz bestehender Bedenken die Einleitung unterbleiben oder ein Entziehungsverfahren auch ganz grundlos eingeleitet werden. Beide Varianten scheiden - teils aus Gründen der Verkehrssicherheit, teils aus rechtsstaalichen Rücksichten - aus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120).

2.2.4. Die Beschwerdeführerin ist hingegen im Recht, wenn sie den Standpunkt vertritt, der Ausgang des Strafverfahrens betreffe keine Vorfrage des Entziehungsverfahrens. Im Strafverfahren ist darüber zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin im Oktober 1998 mehrfach geringe Mengen von Cannabiskraut konsumiert hat. Von Anhaltspunkten für eine Abhängigkeit oder dem Unvermögen zur Einschränkung des Konsums auf ein die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigendes Maß sowie vom Lenken eines Kraftfahrzeuges in beeinträchtigtem Zustand war im Verwaltungsverfahren nie die Rede.

Wie sich aus der FSG-GV ergibt, berührt ein geringfügiger Suchtmittelgenuss - wie auch ein geringfügiger Alkoholgenuss ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges - die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, läge ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten - wenn auch verbotenen - Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen. Aus der Aktenlage ergibt sich nichts, was in die Nähe der Annahme eines solchen Zustandes führte.

2.2.5. Der Aussetzungsbescheid ist aus den zu 2.2.4. genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. August 1999

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