Normen
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §6 Z4;
AVG §19 Abs2;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
AsylG 1997 §27 Abs1;
AsylG 1997 §6 Z4;
AVG §19 Abs2;
AVG §67d;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er reiste am 19. Juli 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 21. Juli 1997 Asyl. Er brachte vor, Anfang des Jahres 1997 sei es zu Kämpfen zwischen den Angehörigen der "IJAW" und den Angehörigen seiner Volksgruppe, der "ITSEKIRI" gekommen. Neben anderen Angehörigen sei im April 1997 auch sein Vater im Verlauf der Kämpfe getötet worden. Von Militärangehörigen, die gekommen seien, um die Kämpfe zu beenden, sei schließlich ein Ausgehverbot verhängt worden. Als Angehörige des feindlichen Stammes dennoch in sein Haus eingedrungen seien und seine Freundin getötet hätten, sei der Beschwerdeführer trotz des Ausgehverbotes geflüchtet. Wegen Verletzung des Ausgehverbotes sei er von Militärangehörigen angehalten, geschlagen und drei Tage lang inhaftiert worden. Im Gefängnis sei er von anderen Häftlingen bewusstlos geschlagen worden. Er sei schließlich aus dem Gefängnis entlassen und zur Behandlung in ein Spital gebracht worden, von wo er geflüchtet sei und sein Heimatland verlassen habe.
Mit dem Bescheid vom 5. September 1997 hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 1991 mit der Begründung abgewiesen, dass seinen wiederholt widersprüchlichen Angaben kein Glaube geschenkt werden könne. In der gegen diesen Bescheid am 25. November 1997 erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:
"Es ist zwar richtig, dass die Verhängung eines Ausgehverbotes infolge von bürgerkriegsähnlichen Zuständen ein legitimes Mittel eines Staates zu Hintanhaltung von weiteren Ausschreitungen darstellt und die Missachtung dieses Verbotes bestraft werden kann, ohne dass diese Bestrafung eine Verfolgungshandlung im Sinne der GFK darstellt. In meinem konkreten Fall wurde ich aber zur Missachtung des Ausgehverbotes gezwungen, da es Angehörigen des verfeindeten IJAW-Stammes gelang, gewaltsam in mein Haus einzudringen. Infolgedessen wurde meine Freundin ermordet und hatte ich daher keine Alternative als die Flucht und damit die Verletzung des Ausgehverbotes.
Wie der VwGH in mehreren Entscheidungen erkannt hat, ist eine Verfolgung dem Heimatstaat auch dann zuzurechnen, wenn sie zwar nicht von seinen Organen direkt gesetzt wird, der Heimatstaat aber nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (...).
Auf meinen konkreten Fall bezogen bedeutet dies, dass es den Angehörigen des verfeindeten IJAW-Stammes wiederholt gelang, die Ausgangssperre zu umgehen und die staatlichen Stellen nicht nur keinerlei Maßnahmen setzten, diese Übergriffe zu unterbinden, sondern selbst Ziel der Angriffe waren und nicht in der Lage waren, der Situation Herr zu werden. Unter dem Blickwinkel der oben zitierten Judikatur, ist meinem Vorbringen nicht von vornherein jegliche asylrechtliche Relevanz abzusprechen.
Wie ich weiters angab, war ich im Gefängnis und wurde ich im Zuge der Verhaftung von den Regierungstruppen und im Gefängnis von Mithäftlingen misshandelt (...). Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass ich, um mein Leben zu retten, aus dem Gefängnis floh. Auf Grund dessen habe ich im Falle meiner Rückkehr damit zu rechnen, dass ich vor ein Militärtribunal gestellt werde."
Während des Berufungsverfahrens teilte die kriminaltechnische Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz dem Bundesasylamt in Graz am 19. März 1998 mit, dass bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schulausweis Fälschungs- bzw. Verfälschungsmerkmale festgestellt worden seien. Mit Ladungsbescheid vom 18. Mai 1998 ersuchte das Bundesasylamt Graz den Beschwerdeführer in der Angelegenheit "ergänzende Einvernahme im Asylverfahren" am 3. Juni 1998 beim Bundesasylamt zu erscheinen. Diese Ladung wurde dem Beschwerdeführer nach Aktenlage am 22. Mai 1998 durch Hinterlegung zugestellt. Der Beschwerdeführer konnte der Ladung jedoch keine Folge leisten, weil er sich - wie er unwidersprochen vorbringt - in der Zeit vom 5. Mai 1998 bis zum 5. Oktober 1998 in der Justizanstalt Leoben in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befand.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 4 AsylG 1997 mit folgender Begründung abgewiesen:
"Wie bereits ausgeführt, leistete der Berufungswerber dem Ladungsbescheid, welcher nachweislich ordnungsgemäß zugestellt wurde, nicht Folge und erstattete er auch keine Erklärung für sein Fernbleiben, weshalb eine der Sachverhaltsermittlung dienende ergänzende Einvernahme des Berufungswerbers unterbleiben musste. Durch dieses Verhalten hat der Berufungswerber aber unmissverständlich seinen mangelnden Willen, an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken, zum Ausdruck gebracht und lässt dieser Umstand den Schluss zu, dass der Asylantrag missbräuchlich gestellt wurde, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, mit der für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss komme, dass die vorliegende Beschwerde verspätet sei, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wurde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der vorgelegten Entlassungsbestätigung der Justizanstalt Leoben vom 5. Oktober 1998 hat der Beschwerdeführer vom 30. September 1998 bis zum 5. Oktober 1998 eine über ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßt, wobei eine Untersuchungshaft vom 5. Mai 1998 bis zum 30. September 1998 angerechnet worden ist. Die von der belangten Behörde am 7. August 1998 gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Zustellgesetz vorgenommene Hinterlegung des angefochtenen Bescheides war nicht wirksam, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz schon deshalb nicht vorlagen, weil aktenkundig war (S. 91 des Aktes), dass und wo sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung in Haft befand.
Die Heilung des Zustellmangels durch tatsächliches Zukommen des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer gemäß § 7 Zustellgesetz kann frühestens nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 5. Oktober 1998 erfolgt sein, sodass der beim Verwaltungsgerichtshof am 12. November 1998 eingelangte Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 26 Abs. 3 VwGG rechtzeitig war. Bei diesem Ergebnis war der in eventu gestellte Wiedereinsetzungsantrag nicht zu behandeln.
2. Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung - unter Abstandnahme eigener Beweiswürdigung und eigener Feststellungen über die vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe -ausschließlich auf § 6 Z 4 AsylG 1997 gestützt. Dadurch, dass diese rechtliche Begründung erstmals im Berufungsverfahren herangezogen wurde, ist der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt worden (vgl. das zu § 4 AsylG ergangene hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0165).
§ 6 Z 4 AsylG 1997 lautet:
"Asylanträge gemäß § 3 sind als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat
- 1. ...
- 4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken (...)."
Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer der Ladung des Bundesasylamtes vom 18. Mai 1998 keine Folge geleistet hat, kann entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht der Schluss gezogen werden, § 6 Z 4 leg. cit. sei erfüllt, weil sich aus dem bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers konkrete Hinweise auf eine, seinem Herkunftsstaat zuzurechnende mögliche Verfolgungsgefahr ableiten lassen, sodass von einem eindeutig jeder Grundlage entbehrenden Asylantrag im Sinne der zitierten Gesetzesstelle keine Rede sein kann. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch nicht weiter begründet, weshalb sonstige Hinweise auf Verfolgungsgefahr nicht vorliegen sollten. Damit erübrigt es sich, auf die Fragen einzugehen, ob der Beschwerdeführer dadurch, dass er der ohne Aufforderung der Berufungsbehörde ergangenen Ladung der Behörde erster Instanz keine Folge leistete, seine Mitwirkungspflicht gemäß § 6 Z 4 Asylgesetz 1997 verletzen konnte bzw. ob die Ladung (an den in Haft befindlichen Beschwerdeführer) überhaupt wirksam war.
Im Hinblick auf das ergänzende Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung konnte der Sachverhalt auch nicht im Sinne des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung als geklärt erscheinen, sodass die belangte Behörde gemäß § 67 d AVG gehalten war, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0339). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 45/1965, hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Juli 1999
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