VwGH 97/04/0176

VwGH97/04/01763.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der JG in W, vertreten durch S & P, Rechtsanwälte in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Juli 1997, Zlen. UVS-04/G/21/00142/97 und UVS-04/G/21/00233/97, jeweils betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

B-VGNov 1974 Art3;
GewO 1994 §2 Abs1 Z9;
B-VGNov 1974 Art3;
GewO 1994 §2 Abs1 Z9;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Juli 1997 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es als Inhaberin einer näher beschriebenen gewerblichen Betriebsanlage zu verantworten, dass für diese bescheidmäßig vorgeschriebene (im Einzelnen genannte) Auflagen am 9. Mai 1996 nicht eingehalten worden seien. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit rechtskräftigem Bescheid vom 25. November 1994 sei die genannte Betriebsanlage zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart einer Frühstückspension unter Vorschreibung von insgesamt 53 Auflagen genehmigt worden. Anlässlich einer kommissionellen Überprüfungsverhandlung in der Betriebsanlage am 9. Mai 1996 sei festgestellt worden, dass im Einzelnen genannte Auflagen dieses Bescheides nicht eingehalten worden seien. Von der Beschwerdeführerin werde dies auch nicht in Abrede gestellt. Sie habe vielmehr vorgebracht, sie betreibe eine in die Gruppe der häuslichen Nebenbeschäftigung fallende, durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betriebene Privatzimmervermietung mit maximal zehn Betten. Sie habe zwar im Jahre 1994 den Entschluss gefasst, nach entsprechenden Adaptierungsarbeiten eine Privatzimmervermietung mit mehr als zehn Betten zu führen und dafür vorerst den genannten Betriebsanlagengenehmigungsbescheid erwirkt. Es sei ihr aber erst im Jänner 1997 gelungen, finanzielle Mittel für die erforderlichen Adaptierungsarbeiten aufzubringen. Am 9. Mai 1996 habe sie jedenfalls den zulässigen Umfang einer Privatzimmervermietung im Rahmen der häuslichen Nebenbeschäftigung nicht überschritten. Der Unabhängige Verwaltungssenat gehe von den Angaben der Beschwerdeführerin aus, dass von den 14 vorhandenen Betten lediglich zehn der Beherbergung von Gästen gedient hätten, die übrigen jedoch dem Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin selbst und ihrer Tochter. Der Umstand, dass die Wohnung gelegentlich nur zeitweilig dem Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin diene, spreche für sich noch nicht gegen das Vorliegen einer häuslichen Nebenbeschäftigung. Auch werde die Privatzimmervermietung durch die Beschwerdeführerin selbst bzw. durch die mit ihr im gemeinsamen Haushalt wohnende Tochter V., also durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betrieben. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens könne dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der in Rede stehenden Privatzimmervermietung lediglich um eine häusliche Nebenbeschäftigung handle. Wie sich nämlich aus den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für 1995 und 1994 ergebe, habe die Beschwerdeführerin ihre gesamten Jahreseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung, also aus ihrer Privatzimmervermietung erzielt, wobei aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1960, Zl. 624/59, hervorgehe, dass auch bereits die nur überwiegende Ziehung des Unterhaltes aus der angelasteten Tätigkeit dieser das Merkmal der Nebenbeschäftigung nehme. Dass die Situation im Jahre 1996 anders gewesen sein sollte als in den Jahren 1994 und 1995, werde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 liege daher nicht vor; der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretungen sei als erwiesen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 97/04/0176 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Juli 1997 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe vom 15. Dezember 1995 bis 9. Mai 1996 in Wien 6, M.-Straße 57-59, durch die Beherbergung von Gästen zu einem Preis von S 200,-- bzw. S 250,-- pro Nacht und Person das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Herberge ausgeübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung insoferne in Abrede gestellt, als sie behaupte, es handle sich bei der in Rede stehenden Beherbergung um eine zulässige, von der Gewerbeordnung ausgenommene Privatzimmervermietung. Der Unabhängige Verwaltungssenat trete dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe lediglich zehn Fremdenbetten zur Beherbergung von Gästen bereit gestellt, nicht entgegen. Diese Wohnung diene - wenn auch gelegentlich nur zeitweise - dem Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin sowie dem Wohnbedürfnis der Tochter der Beschwerdeführerin. Auch werde die Privatzimmervermietung durch die Beschwerdeführerin und durch die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter V., somit durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betrieben. Dennoch könne aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden, dass die Privatzimmervermietung lediglich eine häusliche Nebenbeschäftigung darstelle. Wie sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für 1994 und 1995 ergebe, habe die Beschwerdeführerin nämlich ihre gesamten Jahreseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung, also aus ihrer Privatzimmervermietung erzielt, wobei aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1960, Zl. 624/59, hervorgehe, dass auch bereits die nur überwiegende Ziehung des Unterhaltes aus der angelasteten Tätigkeit dieser das Merkmal der Nebenbeschäftigung nehme. Dass die Situation im Jahre 1996 anders als in den Jahren 1994 und 1995 gewesen sein sollte, werde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Es mangle daher an einer wesentlichen Voraussetzung für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994; der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung sei als erwiesen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 97/04/0177 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

III.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

Er hat sodann erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide im Recht auf Parteiengehör, auf ordnungsgemäße Sachverhaltsfeststellung, im Recht auf Nichtbestrafung nach § 367 Z. 25 GewO 1994 bzw. nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 sowie im Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens nach § 19 VStG verletzt. Sie bringt hiezu - im Wesentlichen gleichlautend - u.a. vor, die belangte Behörde habe die in Rede stehende Privatzimmervermietung zu Unrecht bloß deshalb als "Hauptbeschäftigung" eingestuft, weil dies die einzige entgeltliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin gewesen sei. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde seien aber alle und nicht nur entgeltliche Tätigkeiten für die Feststellung heranzuziehen, ob eine "häusliche Nebenbeschäftigung" vorliege. In die Gesamtbewertung, in deren Rahmen festzustellen sei, ob die Privatzimmervermietung bloß einen untergeordneten Umfang einnehme, hätten nicht nur entgeltliche, sondern auch alle sonstigen unentgeltlichen Tätigkeiten, insbesondere die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als vierfache Mutter und Hausfrau Eingang zu finden. Die Auffassung der belangten Behörde finde aber auch im zitierten hg. Erkenntnis keine Grundlage, zumal hier nur am Rande die Frage verneint worden sei, dass die (damalige) Beschwerdeführerin aus der angelasteten Tätigkeit überwiegend ihren Unterhalt ziehe. Der Unterhalt könne aber nicht nur durch eigene entgeltliche Tätigkeit gezogen werden, sondern - wie im Falle der Beschwerdeführerin - auch aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht des Ehemannes sowie aus Unterstützungen durch Verwandte. Die geringen Einkünfte der Beschwerdeführerin in den Jahren 1994 und 1995 seien ein Indiz für die dem Umfang nach bloß untergeordnete Tätigkeit der Privatzimmervermietung. Diese Einkünfte reichten bei weitem nicht zur Befriedigung der Unterhaltsbedürfnisse der Beschwerdeführerin hin. Die Auslegung der belangten Behörde stehe aber auch im Widerspruch zum eigentlichen Wortlaut "häusliche Nebenbeschäftigung". Danach dürften nur entgeltlich tätige Personen und nicht auch Hausfrauen eine häusliche Nebenbeschäftigung ausüben. Die Nebenbeschäftigung habe zwar im Rahmen des eigenen Hausstandes zu erfolgen, nach Auffassung der belangten Behörde müsste aber derjene, der eine solche häusliche Nebenbeschäftigung ausüben wolle, zudem auch noch das Haus zur entgeltlichen Arbeit verlassen. Richtigerweise müsste aber gerade im Zusammenhang mit dem Begriff "häuslich" eine Gesamtbewertung Platz greifen, die auch die sonstigen "häuslichen" d.h. unentgeltlichen Tätigkeiten (Kindererziehung, Haushaltsführung) miteinbezieht. Das Erfordernis der "häuslichen Nebenbeschäftigung" solle sicher stellen, dass der Umfang der Tätigkeit kein gewerbliches Ausmaß annehme, sondern von untergeordneter Bedeutung sei. Im Zusammenhang mit der Privatzimmervermietung gewährleiste aber schon die Höchstzahl von zehn Betten und das Erfordernis, dass bloß die Mitglieder des eigenen Hausstandes die Privatzimmervermietung betreiben dürften, eine den Umfang der Gewerbsmäßigkeit nicht überschreitende, untergeordnete Tätigkeit. Im Übrigen sei die behördliche Annahme, die Beschwerdeführerin habe die Zimmer als "Hauptbeschäftigung" vermietet und daraus ihren Unterhalt bezogen, weder durch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gedeckt, noch sei der Beschwerdeführerin Gelegenheit geboten worden, dazu Stellung zu nehmen und vorzubringen, dass sie primär einen Haushalt zu führen und vier Kinder zu betreuen habe und dass ihr Unterhalt primär von ihrem Mann und ihren Verwandten bestritten werde. Vielmehr sei die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Zimmervermietung als "Nebenbeschäftigung" oder als "Hauptbeschäftigung" betrieben habe, in der Verhandlung vor der belangten Behörde überhaupt nicht erörtert worden. Der Vorwurf der mangelnden Nebenbeschäftigung gehe auch aus dem Straferkenntnis der Erstbehörde nicht hervor. Für die Erstattung eines entsprechenden Vorbringens durch die Beschwerdeführerin habe daher im Verwaltungsstrafverfahren kein Anlass bestanden.

Gemäß Art. III der B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, gehören zu den Angelegenheiten des Gewerbes im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG nicht die Angelegenheiten des Berg- und Schiführerwesens sowie die Privatzimmervermietung, das ist die durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübte Vermietung von nicht mehr als zehn Fremdenbetten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 ist dieses Bundesgesetz - unbeschadet weiterer Ausnahmen durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften - auf die nach ihrer Eigenart und ihrer Betriebsweise in die Gruppe der häuslichen Nebenbeschäftigungen fallenden und durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betriebenen Erwerbszweige nicht anzuwenden.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob die in Rede stehende, durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes der Beschwerdeführerin betriebene Vermietung von nicht mehr als zehn Fremdenbetten als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübt wurde.

Die belangte Behörde hat diese Frage mit der Begründung verneint, die Beschwerdeführerin habe den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden zufolge ihre gesamten Jahreseinkünfte aus der Privatzimmervermietung erzielt. Die belangte Behörde vertritt somit die Auffassung, eine häusliche Nebenbeschäftigung könne nur dann angenommen werden, wenn die daraus erzielten Einkünfte jenen aus einer sonstigen Erwerbstätigkeit untergeordnet seien. Diese Auffassung ist unzutreffend.

Maßgeblich für die Qualifikation einer Tätigkeit als häusliche Nebenbeschäftigung ist im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 9 GewO 1994 die Eigenart und die Betriebsweise der betreffenden Tätigkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1995, Zl. 93/04/0125 und Zl. 93/04/0133, und die hier zitierte Vorjudikatur), wobei die Gesetzesmaterialien (RV, 395 BlgNR, 13 GP, 106) darauf hinweisen, "dass es sich um eine im Vergleich zu den anderen häuslichen Tätigkeiten dem Umfange nach untergeordnete Erwerbstätigkeit handeln muß". Vergleichsmaßstab für die Unterordnung der Nebenbeschäftigung sind daher nicht - wie die belangte Behörde meint - eine weitere Erwerbstätigkeit, sondern die anderen häuslichen Tätigkeiten. Im Vergleich zu den anderen häuslichen Tätigkeiten, das sind die in einem Haushalt bei Durchschnittsbetrachtung anfallenden Tätigkeiten, darf die häusliche Nebenbeschäftigung eine umfänglich nur untergeordnete Rolle einnehmen; auf die im konkreten Fall tatsächlich zu besorgenden häuslichen Tätigkeiten kommt es dabei nicht an, weil diese für den hier relevanten typischen Umfang der häuslichen Nebenbeschäftigung nichts besagen können.

Es ist daher für die Qualifikation einer Erwerbstätigkeit als häusliche Nebenbeschäftigung nicht relevant, ob die aus dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte die einzigen Einkünfte des diese Beschäftigung Ausübenden darstellen oder ob er sonstige, diese Einkünfte überwiegende Einkünfte hat. Auch dem hg. Erkenntnis vom 20. November 1960, VwSlg. 5364/A, ist im Übrigen nicht zu entnehmen, dass dieser Umstand für die Qualifikation einer Erwerbstätigkeit als häusliche Nebenbeschäftigung von entscheidender Bedeutung sei.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet. Diese waren daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. März 1999

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