VwGH 96/19/1266

VwGH96/19/126622.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1956 geborenen TK, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. November 1995, Zl. 303.781/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Kroatien 1995 Art2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 5. April 1995 bei der österreichischen Botschaft in Zagreb einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer eine Adresse in Osijek, Kroatien, als Aufenthaltszweck die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Export- bzw. Importkaufmann an. Laut einem auf dem Antragsformular angebrachten Stempel wurde der Antrag vom Antragsteller persönlich eingebracht.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 6. Juni 1995 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch persönliche Übernahme bei der Botschaft in Zagreb am 16. August 1995.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Geschäftsmann und Besitzer eines Unternehmens in Wien seit 1990, damit ein "regelmäßiger Steuerzahler". Wörtlich führte der Beschwerdeführer weiters aus:

"In Oesterreich verbringe ich nur 4 - 5 Tage pro Monat, derzeitig besuche ich meinen Geschaeftspartners, meinen Bank oder bin einfach Durchreisender nach Deutschland und in die Schweiz."

Er besitze drei Personenwagen, die auf das Unternehmen registriert seien und habe beim Grenzübergang deswegen Probleme mit den österreichischen Grenzkontrollbehörden. Er sei in Kroatien gut situiert, wo er auch die übrige Zeit mit seiner Familie verbringe.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 2. November 1995 gemäß § 6 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bei der österreichischen Botschaft in Zagreb eingereicht, von dort sei der Antrag an die Behörde erster Instanz weitergeleitet worden, wo er am 11. April 1995 eingelangt sei. Der Beschwerdeführer sei seit 15. Februar 1995 im 23. Wiener Gemeindebezirk aufrecht gemeldet und aufhältig. Er habe nach der auf seinen Eingaben beruhenden Aktenlage "offensichtlich" den Antrag nicht vor seiner Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Er sei vor und nach der Antragstellung im Bundesgebiet polizeilich gemeldet und aufhältig gewesen.

Er sei zu 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und beziehe aufgrund dieser selbständigen Tätigkeit monatlich S 12.000,--. Daraus ergebe sich für die Berufungsbehörde, daß er zur Arbeitsaufnahme und somit entgegen den Bestimmungen des FrG in das Bundesgebiet eingereist sei und sich in weiterer Folge "illegal" in Österreich aufgehalten habe, da die sichtvermerksfreie Einreise für kroatische Staatsbürger lediglich zu Besuchszwecken gestattet sei. Durch sein Verhalten zeige er, daß er nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren. Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, insbesondere im Hinblick auf die Beispielswirkung auf andere Fremde.

Auch die Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte durch persönliche Übernahme bei der österreichischen Botschaft in Zagreb.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 25. März 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete auszugsweise:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Die Art. 1 und 2 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, lauten:

"Art. 1

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerke des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

Art. 2

Art. 1 findet keine Anwendung auf jene Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen oder dort die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigen. In diesen Fällen ist vor der Einreise die Erteilung eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich."

Diese Bestimmungen sind gemäß Art. 7 Abs. 2 des Abkommens mit 1. August 1995 in Kraft getreten (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 487/1995).

Art. 2 des bis dahin geltenden Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, lautete (auszugsweise):

"Artikel 2

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben, bedürfen eines Sichtvermerkes, der auch die Aufenthaltsberechtigung einschließt. ..."

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, (auch) darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer "zur Arbeitsaufnahme" und damit unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei und sich in weiterer Folge unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Eine Einreise in das Bundesgebiet ohne erforderlichen Sichtvermerk und ein anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet verwirklichen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259, sowie vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1913). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter "Erwerbstätigkeit" im Sinne des Abkommens BGBl. Nr. 487/1995, wie schon unter "Arbeitsaufnahme" im Sinne des Abkommens BGBl. Nr. 365/1965, sowohl eine selbständige als auch eine unselbständige Erwerbstätigkeit zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 95/19/1228).

Da die im § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Antragstellers, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht so weit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen, in dessen Rahmen sie von Amts wegen zu prüfen hatte, ob der Beschwerdeführer ohne einen erforderlichen Sichtvermerk nach Österreich eingereist ist. Die Partei traf dabei die Pflicht, an den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 321, sowie das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 95/19/1311, 1312). Die belangte Behörde, die sich anders als die Behörde erster Instanz auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG stützte, hatte der Partei zu ihren Sachverhaltsannahmen auch Parteiengehör einzuräumen. Hingegen braucht die belangte Behörde die Partei zu jenen Sachverhaltselementen, die diese selbst geliefert hat, nicht zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219).

Wie das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen zeigt, räumte der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz zwar ein, Geschäftsmann und Gesellschafter eines Unternehmens mit Sitz in Wien zu sein, brachte allerdings ausdrücklich vor, in Österreich nur vier bis fünf Tage pro Monat zu verbringen. Daß er während der Dauer seiner Aufenthalte in Österreich als Geschäftsführer des von ihm mitgegründeten Unternehmens tätig wäre, ist dem Berufungsvorbringen hingegen nicht zu entnehmen. Ohne einen entsprechenden Vorhalt durfte die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer jeweils zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet einreist. Der belangten Behörde ist in diesem Punkt daher ein Verfahrensfehler anzulasten.

Das Beschwerdevorbringen, das nicht dem Neuerungsverbot unterliegt, ist allerdings nicht geeignet aufzuzeigen, wie die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr unterlaufenen Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der Beschwerdeführer bringt nämlich vor, im Falle einer Einvernahme durch die belangte Behörde hätte diese feststellen können, daß er "zu geschäftlichen Zwecken, etwa vier bis fünf Tage monatlich, nach Wien" reise, wo er auch ein Unternehmen habe. Es sei im Zeitalter der modernen Telekomunikation keine Schwierigkeit, "unter normalen Umständen" eine Firma auch vom Ausland aus zu leiten "und sich lediglich in gewissen Abständen an Ort und Stelle zu begeben, um nach dem rechten zu sehen". In letzter Zeit würden sich die Erfordernisse eines Besuches in Österreich allerdings häufen. Der Beschwerdeführer sei (bisher) "ausschließlich zu Besuchszwecken" jeweils nach Österreich eingereist und habe "natürlich auch anläßlich dieser Besuche geschäftliche Angelegenheiten geregelt".

Trifft dieses Vorbringen zu, so wäre der Beschwerdeführer, ein Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Österreich, regelmäßig (monatlich) zu geschäftlichen Zwecken nach Österreich eingereist, hätte jeweils einige Tage im Bundesgebiet verbracht und, anläßlich der von ihm behaupteten Besuche auch geschäftliche Angelegenheiten geregelt. Eine Einreise zu geschäftlichen Zwecken und ein, wenn auch kurzer, aber anscheinend regelmäßiger Aufenthalt in Österreich, während dessen ein Geschäftsführer eines Unternehmens mit Sitz in Wien auch geschäftliche Angelegenheiten regelt, ist im Lichte der oben wiedergegebenen Judikatur als Einreise zu Erwerbszwecken selbst dann zu qualifizieren, wenn der Aufenthalt in Österreich auch Besuchszwecken dient. Eine solche Einreise ist nach dem bisher Gesagten jedoch unrechtmäßig.

Da an diese von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrunde gelegte Einreise ein unrechtmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers anschloß und dieser selbst Voraufenthalte in den letzten Monaten vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides einräumt, kann trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer kurz vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Bundesgebiet wieder verlassen und damit sein rechtswidriges Verhalten beendet hat, wegen der dargelegten unrechtmäßigen Einreise und des daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalts (zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit) die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, daß mit diesem Verhalten der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit der Abweisungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG gegeben war.

Eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers kommt vorliegendenfalls im Hinblick auf sein Gesamtverhalten bei Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 nicht in Betracht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 96/19/1187).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde ihren abweisenden Bescheid zu Recht auch auf § 6 Abs. 2 AufG gestützt hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Jänner 1999

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