VwGH 98/18/0013

VwGH98/18/001321.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über den Antrag des A in St. Georgen i.A., vertreten durch Dr. Peter Brodner, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 12, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 2. Oktober 1997, Zl. St 295/97, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

I.

1. Dem Antragsteller wurde mit hg. Beschluß vom 6. November 1997 die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. November 1997 wurde Rechtsanwalt Dr. Peter Brodner in der bezeichneten Rechtssache zum Vertreter des Antragstellers bestellt. Dieser Bescheid wurde dem genannten Rechtsanwalt am 25. November 1997 zugestellt. Mit diesem Tag begann die sechswöchige Frist zur Erhebung der Beschwerde zu laufen (§ 26 Abs. 3 VwGG); sie endete mit 7. Jänner 1998.

2. Mit dem vorliegenden, am 13. Jänner 1998 zur Post gegebenen (beim Verwaltungsgerichtshof am 14. Jänner 1998 eingelangten) Schriftsatz vom 12. Jänner 1998 begehrt der Antragsteller unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Er begründet diesen Antrag wie folgt:

Sein Verfahrenshelfer habe am 25. November 1997, dem Tag der Zustellung des Bestellungs-Bescheides, persönlich - aus nicht nachvollziehbaren Gründen - das Ende der Sechs-Wochen-Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde am 13. Jänner 1998 kalendiert, obwohl diese Frist richtigerweise (unter Berücksichtigung des Feiertages am 6. Jänner 1998) am 7. Jänner 1998 geendet hat. Rechtsanwalt Dr. Brodner sei beim Kalendieren der Frist zutreffend davon ausgegangen, daß diese sechs Wochen ab Zustellung des Bestellungs-Bescheides betrage; er habe aber offensichtlich bei der Ermittlung des letzten Tages der Frist in seinem Kanzleikalender aus Versehen ein Wochenblatt überblättert. Den Rechtsanwalt treffe bei diesem Mißgeschick höchstens ein minderer Grad des Versehens. Festzuhalten sei, daß Dr. Brodner seit Februar 1991 - zunächst als Rechtsanwaltsanwärter, ab Oktober 1994 als Rechtsanwalt - die von ihm wahrzunehmenden Fristen berechne und selbst in den Kanzleikalender eintrage bzw. deren Eintragung durch Dritte kontrolliere und seither noch nie eine von ihm wahrzunehmende Frist versäumt habe.

Dr. Brodner sei der ihm unterlaufene Irrtum aus Anlaß der Verfassung der Beschwerde am 12. Jänner 1998 aufgefallen.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. 9226/A, und seither ständige Rechtsprechung). Demnach ist im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob es sich bei der unrichtigen Eintragung des Endes der Beschwerdefrist durch den Rechtsanwalt um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Dieser Begriff wird als leichte Fahrlässigkeit i.S. des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Wenngleich hiebei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 27. Juni 1990, Zl. 90/18/0077, und vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0257), trifft den Rechtsanwalt an der hier in Rede stehenden Fehlleistung kein Verschulden, das über den Grad leichter Fahrlässigkeit hinausgeht.

3. Der Antragsteller hat mit seinem Wiedereinsetzungsantrag Ablichtungen des "Kanzleikalenders" im Umfang der Kalenderwoche 5. Jänner 1998 bis 11. Jänner 1998 einerseits und der Kalenderwoche 12. Jänner 1998 bis 18. Jänner 1998 andererseits vorgelegt, aus denen sich - bei Fehlen einer diesbezüglichen Eintragung am 7. Jänner 1998 (dem letzten Tag der sechswöchigen Beschwerdefrist) - die auf die vorliegende Rechtssache Bezug habende Eintragung "LT VwGH-Beschwerde Kryezi/Dr. B Vfh." am 13. Jänner 1998 ergibt. Solcherart ist das Überblättern eines Wochenblattes des für Fristvormerkungen bestimmten "Kanzleikalenders" durch den Rechtsanwalt als Ursache des Irrtumes bei der Eintragung des Endes der Beschwerdefrist glaubhaft gemacht. Da eine derartige - dem Rechtsanwalt in seiner mehrjährigen Praxis, dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge, erstmals unterlaufene - Fehlleistung bei der Eintragung von nach Wochen zu berechnenden Fristen, insbesondere wenn, wie vorliegend, zufolge des Jahreswechsels zwei Kalender herangezogen werden müssen, nicht auf ein auffallend sorgloses Handeln zurückzuführen ist, ist das dem Rechtsanwalt und damit dem Antragsteller zur Last liegende Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist bloß als ein die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernder minderer Grad des Versehens i.S. des § 46 Abs. 1 VwGG zu werten (vgl. nochmals den hg. Beschluß Zl. 90/18/0077).

4. Nach dem Gesagten war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

5. Bemerkt wird, daß das Beschwerdeverfahren gesondert unter der Zl. 98/18/0014 geführt wird.

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