VwGH 98/15/0086

VwGH98/15/008617.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. Reinhard Langner, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 124, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. April 1998, Zl. GA RV/083-17/08/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach § 276 Abs. 1 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BAO §93 Abs2;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BAO §93 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Zurückweisung des Antrages nach § 276 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1985 bis 1988 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; ansonsten wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen des Beschwerdeführers, der im Baugewerbe als Einzelunternehmer tätig war, wurde mit Edikt vom 12. Oktober 1989 der Konkurs eröffnet und zum Masseverwalter der Rechtsanwalt Dr. W bestellt. Mit 1. August 1997 hob das zuständige Landesgericht den Konkurs wieder auf.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 28. Jänner 1991 war eine Berufung des Beschwerdeführers betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1985 bis 1988 bzw. 1989 vom 6. Jänner 1991 (bei der Behörde eingelangt am 9. Jänner 1991) deshalb zurückgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer wegen der Einschränkungen seiner Handlungsfähigkeit im Konkursverfahren zur Rechtsmitteleinbringung nicht berechtigt gewesen sei.

Nach abweisender Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 25. April 1991, GZ. 6/4-4137/91-07, erging das diesen Bescheid aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1994, 91/13/0138 (der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt lasse nicht den Schluß zu, daß der Masseverwalter der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung nicht zugestimmt hätte).

In der Folge gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid mit Bescheid vom 9. Dezember 1994, GZ. 6/4-4295/94-07, statt.

Im fortgesetzten Berufungsverfahren erließ das Finanzamt eine mit 5. September 1995 datierte "Berufungsvorentscheidung" betreffend die "Berufung vom 9.1.1991" des Beschwerdeführers. Diese weist im Spruch die Berufung betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer 1985 bis 1989 als unbegründet ab; hinsichtlich der Einkommensteuer 1985 bis 1988 wird der Berufung teilweise Folge gegeben. Der Verwaltungsakt enthält weiters eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung; angeschlossen sind ihm zwei Berechnungsblätter, "Bp 74" und "Bp 74a", mit der Darstellung der Einkommensteuerberechnung für die Jahre 1985 bis 1988.

Die "Berufungsvorentscheidung" ging dem Masseverwalter Dr. W lt. aktenkundigem Rückschein am 15. September 1995 zusammen mit einem "Zustellersuchen" zu. Darin wurde Dr. W unter Bezugnahme auf seine Einsetzung als Masseverwalter ersucht, die angeschlossene Berufungsvorentscheidung einschließlich der Beilagen an den Beschwerdeführer zuzustellen bzw. persönlich auszufolgen.

Mit Schreiben vom 21. September 1995 teilte der Masseverwalter dem Finanzamt mit, daß er dem Beschwerdeführer am 20. September 1995 die ergangene Berufungsvorentscheidung ausgefolgt habe. Einen Zustellnachweis legte er unter einem bei.

Am 21. September 1995 stellte das Finanzamt dem Beschwerdeführer zu Handen des Dr. W mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung angefertigte - mit 19. September 1995 datierte - teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidungen für die Einkommensteuer der Jahre 1985 bis 1988 (zuzüglich eines gem. § 295 Abs. 3 BAO geänderten Bescheides über den Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer 1988) zu. Die Einkommensteuervorschreibungen deckten sich mit jenen der Berufungsvorentscheidung vom 5. September 1995 (dort in den Bp 74 und Bp 74a ausgewiesen).

Am 19. Oktober 1995 langte ein mit 18. Oktober 1995 datierter Schriftsatz des Beschwerdeführers persönlich mit folgendem Wortlaut beim Finanzamt ein:

" Betr.: Berufungsvorentscheidung vom 6.9.1995 zugestellt bzw. übernommen von Dr. W am 20.9.1995

Innerhalb offener Frist von 1 Monat ( = 20. Oktober 1995) bringe ich den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein."

Mit Bescheid vom 21. November 1997 wies das Finanzamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Oktober 1995 als verspätet eingebracht zurück. Die Monatsfrist nach § 276 Abs. 1 BAO sei am 16. Oktober 1995 abgelaufen.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer eine Berufung ein, die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. In der Berufung hatte der Beschwerdeführer u.a. damit argumentiert, daß die am 21. September 1995 zugestellte Berufungsvorentscheidung als Beilage zur Berufungsvorentscheidung vom 5. September 1995 zu werten sei und die Rechtsmittelfrist gegen den als Einheit zu sehenden Bescheid erst am 21. September 1995 zu lauten begonnen habe (der Vorlageantrag vom 18. Oktober 1995 sei damit rechtzeitig gewesen).

Im angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde im wesentlichen den Standpunkt, daß die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 5. September 1995 ein normativer Akt und damit ein Bescheid sei, welcher nachweislich am 15. September 1995 dem bestellten Masseverwalter zugestellt worden sei. Bei der im automatisierten Weg nochmals ergangenen Ausfertigung der Berufungsvorentscheidung vom 19. September 1995 handle es sich nur um einen rein verrechnungstechnischen Vorgang, der nur die kassenmäßige Erfassung der "händischen Entscheidung" darstelle. Dieser Ausfertigung fehle der Bescheidcharakter und als solche berühre diese die materielle Rechtskraft des Bescheides vom 5. September 1995 nicht. Der Vorlageantrag vom 18. Oktober 1995 wende sich ferner unmißverständlich gegen die "händische Berufungsvorentscheidung" vom 5. September 1995 und nicht gegen die "EDV-mäßige Verarbeitung" der teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung hinsichtlich der Einkommensteuer. Wenn der Beschwerdeführer in der Berufung geltend mache, die vom Masseverwalter "am 20. September 1995 ausgefolgte Berufungsvorentscheidung vom 5. September 1995 habe nicht die im Schreiben des Finanzamtes vom 6. September 1995 angeführten 'Beilagen' enthalten bzw. seien die erwähnten 'Beilagen' erst am 21. September 1995 in der Kanzlei des Masseverwalters eingegangen", so sei damit nichts für seinen Standpunkt zu gewinnen. Diese "Beilagen" seien nämlich nicht die im automatisierten Wege ergangenen "Ausfertigungen", sondern eindeutig die der Berufungsvorentscheidung angeschlossenen, händisch erstellten Berechnungen des Einkommens bzw. der Einkommensteuer auf den Formularen Bp 74 bzw. Bp. 74a gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die mit der "Personsumschreibung" getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides; die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechts in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 961, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. April 1994, 91/13/0234, m.w.N.).

Die "Berufungsvorentscheidung" vom 5. September 1995 wird diesem Erfordernis der Nennung eines Bescheidadressaten (der auch nicht mit der Person übereinstimmen muß, dessen Berufung erledigt wird) nicht gerecht. Die Erledigung weist keine Person aus, an die sie ergehen soll. Solcherart ist aber schon deshalb von keiner wirksam erlassenen Berufungsvorentscheidung auszugehen, sodaß ein diese bekämpfender Vorlageantrag nach § 276 Abs. 1 BAO ins Leere gehen mußte. Ungeachtet der in der Beschwerde zur Berufungsvorentscheidung vom 5. September 1995 aufgeworfenen Zustellungsfrage ist damit der Beschwerdeführer mit der seinen Antrag nach § 276 Abs. 1 BAO im Ergebnis zurückweisenden Berufungserledigung durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt. Hinsichtlich Einkommensteuer 1985 bis 1988 ist allerdings folgendes zu beachten:

Es kann der belangten Behörde nicht darin gefolgt werden, daß der am 21. September 1995 an den Masseverwalter zugestellten Ausfertigung der Berufungsvorentscheidung vom 19. September 1995, die alle Bescheidmerkmale beinhaltet, kein Bescheidcharakter zukäme. Es handelt sich vielmehr - insoweit auch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - um einen eigenständigen Bescheid, der grundsätzlich auch zu einer Derogation eines früher in derselben Sache erlassenen Bescheides geführt hätte (vgl. Stoll, a. a.O., 946, sowie etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1994, 94/17/0159). Ausgehend von dieser Betrachtungsweise ist aus der Sicht des Beschwerdefalles (der Beschwerdeführer hatte sich in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid vom 21. November 1995 auch ausdrücklich auf die Berufungsvorentscheidung vom 19. September 1995 bezogen) der beim Finanzamt am 18. Oktober 1995 eingelangte Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz als (auch) gegen diese am 21. September 1995 zugestellte Berufungsvorentscheidung gerichtet zu werten. Da insoweit die Monatsfrist des § 276 Abs. 1 BAO gewahrt war, erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er auch die Zurückweisung des Antrages nach § 276 Abs. 1 leg. cit. betreffend Einkommensteuer 1985 bis 1988 bestätigt, als inhaltlich rechtswidrig. In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; ansonsten (betreffend den Vorlageantrag hinsichtlich Umsatz- und Gewerbesteuer 1985 bis 1989) war aber die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 1998

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte