VwGH 97/21/0294

VwGH97/21/029427.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des ZK in Wiener Neustadt, geboren am 25. Mai 1962, vertreten durch Dr. Herbert Handl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 12/D 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. Februar 1997, Zl. Fr 168/97, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §26;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §26;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes vom 5. Juli 1993 gemäß § 26 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei seit 22. April 1984 in Österreich aufhältig. Bereits am 30. April 1986 sei er vom Landesgericht Wiener Neustadt wegen §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Abs. 1, 136 Abs. 1 und 2 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. In der Folge sei die bedingte Strafnachsicht widerrufen worden. Am 20. September 1985 habe das Bezirksgericht Mödling wegen §§ 15, 127 Abs. 1 StGB über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 900,-- verhängt. In weiterer Folge sei er am 25. September 1986 - wiederum vom Landesgericht

Wiener Neustadt - wegen §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Abs. 1 und 2 und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Aufgrund dieser gerichtlichen Verurteilungen habe die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt am 19. November 1987 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Es seien jedoch immer wieder Vollstreckungsaufschübe gewährt worden. Trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer zwischen 1989 und 1992 dreimal wegen § 83 Abs. 1 StGB (jeweils zu einer Geldstrafe) verurteilt worden. Mit Rechtskraft vom 20. April 1993 habe das Landesgericht Wiener Neustadt wegen §§ 107 Abs. 1 und 2 sowie 83 Abs. 1 StGB eine bedingte sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt. Mit dem am 9. Oktober 1993 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt - zu ergänzen: vom 5. Oktober 1993 und damit nach Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes vom 5. Juli 1993 - sei wegen § 83 Abs. 2 StGB eine gleichfalls bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von einem Monat ausgesprochen worden. Mit Urteil vom 2. Dezember 1994 (rechtskräftig 6. Dezember 1994) habe das Bezirksgericht Wiener Neustadt schließlich wegen §§ 12 und 83 Abs. 1 StGB eine weitere zweimonatige Freiheitsstrafe verhängt und dabei die bedingte Strafnachsicht der beiden zuvor genannten Verurteilungen widerrufen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer auch wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden, von denen einige als schwerwiegend anzusehen seien (§ 64 Abs. 1 KFG, § 5 Abs. 1 StVO).

Von diesen Feststellungen ausgehend begründete die belangte Behörde, daß durch die Beibehaltung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes, dessen Aufhebung der Beschwerdeführer beantragt hatte, zwar ein Eingriff in die Privatinteressen des Beschwerdeführers stattfinde; jedoch seien aufgrund der Vielzahl und des nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehaltes die ihm zur Last fallenden Rechtsverletzungen wesentlich schwerer zu gewichten, vor allem deshalb, weil der Beschwerdeführer auch nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes von 1987 weitere gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe. Es seien somit sämtliche Tatbestandsmerkmale "unter Berücksichtigung der §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes" erfüllt, weshalb die Beibehaltung des Aufenthaltsverbotes "sohin zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen - nicht nur zulässig, sondern dringend geboten" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legt einzelne Geschäftsstücke des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid vermischt in seiner Begründung die beiden gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbote. Während zunächst unter Wiedergabe der erstinstanzlichen Entscheidung auf das Aufenthaltsverbot vom 5. Juli 1993 Bezug genommen wird, stellt der Bescheid in weiterer Folge auch auf das (auf zehn Jahre befristete) Aufenthaltsverbot vom 19. November 1987 ab, indem die Beibehaltung des Aufenthaltsverbotes im wesentlichen damit begründet wird, daß der Beschwerdeführer auch nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes von 1987 weitere gerichtlich strafbare Handlungen gesetzt habe. Zu betonen ist daher zunächst einmal, daß es nur um das Aufenthaltsverbot vom 5. Juli 1993 geht, welches zeitlich das befristete Aufenthaltsverbot vom 5. November 1987 normativ überlagert.

Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Ferner hat sie zu prüfen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind. Diese Interessen sind gegeneinander abzuwägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 95/21/0140, m.w.N.).

Entscheidend ist also, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes (im konkreten seit Juli 1993, siehe oben) die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Bei einer Entscheidung nach § 26 FrG ist auch auf die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen; das ist im Beschwerdefall vor allem die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 2. Dezember 1994 wegen §§ 12, 83 Abs. 1 StGB (vorsätzliche Körperverletzung als Bestimmungs- oder als Beitragstäter), im Zuge derer auch die bedingte Nachsicht der am 14. April 1993 wegen §§ 107 Abs. 1 und 2, 83 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung und vorsätzliche Körperverletzung) verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe und der am 5. Oktober 1993 wegen § 83 Abs. 2 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) als Zusatzstrafe verhängten einmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen worden ist. Die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen haben solcherart eine Verstärkung erfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 93/18/0597).

Wenngleich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift - der angefochtene Bescheid übernimmt offensichtlich, ohne dies ausdrücklich auszusprechen, das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er habe nunmehr zwei Kinder -, ist diese Maßnahme doch im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung von im Art. 8 MRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, dringend geboten. Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes ist entgegen dem Beschwerdevorbringen auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu bejahen. Richtig ist zwar, daß die Geburt zweier Kinder die private und familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers beträchtlich veränderte; die Beurteilung der belangten Behörde, daß diese Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht schwerer ins Gewicht fielen als die dagegen sprechenden öffentlichen Interessen, begegnet aber keinen Bedenken. Jedenfalls durch die letzte gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 2. Dezember 1994 (knapp eineinhalb Jahre nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes) hat sich nämlich auch die Lage der maßgeblichen öffentlichen Interessen - wesentlich zu Ungunsten des Beschwerdeführers - geändert. Seiner in der Beschwerde vertretenen Auffassung, der Eingriff in sein Familienleben wiege schwerer als das öffentliche Interesse (und als die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes), kann daher nicht beigetreten werden.

Die Beschwerde erweist sich damit im Ergebnis als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruht darauf, daß der belangten Behörde Ersatz eines Vorlageaufwandes nicht zuerkannt werden kann; die vorgelegten Geschäftsstücke geben wesentliche Verfahrensschritte nicht wieder und stellen insoweit keine Akten des Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 36 Abs. 1 und des § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG dar (vgl. den hg. Beschluß vom 6. April 1994, Zl. 91/13/0234).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte