VwGH 97/19/1410

VwGH97/19/14105.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1956 geborenen DA in Schwechat, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juni 1997, Zl. 305.888/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §8;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §8;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Akteninhalt verfügte der Beschwerdeführer über einen unbefristeten Wiedereinreisesichtvermerk, welcher in der Folge aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG für ungültig erklärt wurde. Am 9. Februar 1996 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde am 12. Februar 1996) beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. März 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) i. V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 24. Juli 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 12 SGG zu einer Freiheitsstrafe von "18 Monaten, Probezeit 3 Jahre" rechtskräftig verurteilt worden. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG liege vor. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er u.a. darauf verwies, daß ein über ihn mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 28. Juli 1995 aufgrund seines strafbaren Verhaltens verhängtes Aufenthaltsverbot mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Jänner 1996 ersatzlos aufgehoben worden sei. Mit Bescheid vom 9. Februar 1996 sei jedoch sein unbefristeter Sichtvermerk für ungültig erklärt worden. Dies habe seine nunmehrige Antragstellung erforderlich gemacht. Der Beschwerdeführer sei seit 1977 in Österreich aufhältig, weshalb gemäß § 20 Abs. 2 FrG ein Aufenthaltsverbot gegen ihn nicht erlassen werden dürfe. Durch seine Inhaftierung habe er bereits das Haftübel verspürt. Nach der Enthaftung könne er jedoch sofort wieder arbeiten, sodaß eine Gefährdungsprognose im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht gerechtfertigt sei. Der Versagung der Bewilligung stünden überdies die Bestimmungen des § 19 und § 20 Abs. 1 FrG entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juni 1997 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 19. Juli 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 12 Abs. 1 SGG und § 15 StGB und § 16 Abs. 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Das dieser strafbaren Handlung zugrundeliegende Fehlverhalten rechtfertige die Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK sei die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung, sofern damit in das Privat- und Familienleben des Antragstellers eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele notwendig sei. Infolge der Trennung von seiner Ehegattin und des Aufenthaltes seines großjährigen Sohnes in Jugoslawien bestünden keine privaten und familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich. Obwohl dieser seit 1977 in Österreich aufhältig sei und hier einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß das Vergehen des Beschwerdeführers nach dem Suchtgiftgesetz derart schwerwiegend ist, daß seine privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen zurückzustehen hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4, § 19 und § 20 FrG lauteten:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. Der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

  1. 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden und seiner Familienangehörigen;
  2. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

(2) Ein Aufenthaltsverbot darf außerdem nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist."

Angesichts der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Auffassung der belangten Behörde, das der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundelegende Fehlverhalten rechtfertige schon aufgrund seiner Tatbildmäßigkeit die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG getroffene Gefährdungsprognose, nicht für rechtswidrig erkannt werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0864 und vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0569).

Der Beschwerdeführer tritt dieser Annahme der belangten Behörde mit der Argumentation entgegen, er habe die über ihn verhängte Freiheitsstrafe nicht verbüßen müssen. Er sei süchtig gewesen, weshalb ihm eine Therapie gewährt worden sei. Er befinde sich seit 1995 in ambulanter Therapie, welcher in Kürze erfolgreich abgeschlossen sein werde. Es werde daher in absehbarer Zeit die über ihn verhängte unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten gemäß § 410 StPO in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt werden. Der Beschwerdeführer sei kein "Drogendealer" gewesen, vielmehr sei er selbst süchtig gewesen. Von dieser Sucht sei er nunmehr gänzlich befreit. Ein Rückfall könne daher mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstößt.

Als notorische Tatsache kann es aber gelten, daß auch der erfolgreiche Abschluß einer Therapie nicht die Annahme rechtfertigte, ein Rückfall sei "hundertprozentig" ausgeschlossen.

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf § 19 und § 20 FrG beruft, ist ihm zu entgegnen, daß nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesbestimmungen lediglich die Zulässigkeit der Erlassung einer Ausweisung (§ 19 FrG) bzw. eines Aufenthaltsverbotes (§§ 19, 20 FrG) eingeschränkt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1996, Zl. 95/21/1120, und vom 22. Mai 1996, Zl. 95/21/0877) ausgesprochen, daß die in § 20 Abs. 2 FrG normierte absolute Schranke für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht durch die Aberkennung eines Sichtvermerks, wodurch der Aufenthalt des Fremden unrechtmäßig werde, und die darauf folgende Erlassung einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG umgangen werden dürfe. Dieser Rechtsgrundsatz wurde vom Verwaltungsgerichtshof in der Folge auf den Fall einer Verlängerung einer Aufenthaltsberechtigung bei Vorliegen der in § 20 Abs. 2 FrG normierten Voraussetzungen übertragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1996, Zl. 95/21/0161). Eine der diesen Erkenntnissen zugrundeliegenden Fallkonstellation vergleichbare liegt jedoch hier nicht vor, weil mit dem angefochtenen Bescheid weder ein Aufenthaltstitel für ungültig erklärt wurde noch die Verlängerung einer bisher bestehenden Aufenthaltsberechtigung versagt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/1049). Über die Rechtmäßigkeit des die Ungültigerklärung seines unbefristeten Wiedereinreisesichtvermerkes verfügenden Bescheides ist hier nicht abzusprechen.

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, es gehe nicht an, die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes zu erklären und sodann keine "Legalisierung" des Aufenthaltes zu ermöglichen, ist ihm zu entgegnen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Anlegung eines strengeren Maßstabes bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung schon deshalb gerechtfertigt erscheint, weil die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes regelmäßig die die Interessen des Fremden stärker beeinträchtigende Maßnahme ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/3180).

Der Hinweis der Beschwerde auf § 38 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. Nr. 75/1997, vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil diese Gesetzesbestimmung gemäß § 111 Abs. 1 FrG 1997 erst mit 1. Jänner 1998 in Kraft trat. Sie war daher im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides (Zustellung am 18. Juni 1997) nicht anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer ist zuzubilligen, daß bei Anwendung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die gemäß Art. 8 MRK geschützten privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist, und zwar dergestalt, daß zu prüfen ist, ob der Eingriff in diese Interessen durch Versagung der Bewilligungserteilung aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen gerechtfertigt ist.

In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer vor, er sei seit 1976 in Österreich aufhältig und stehe nach wie vor beim selben Unternehmen in Beschäftigung. Er verfüge über einen Befreiungsschein mit Gültigkeitsdauer bis 8. August 2001. Seit 1995 lebe er in Österreich mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt. Diese verfüge über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung. Auch die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers lebe in Österreich. Die Bescheidfeststellung, wonach sein Sohn sich in Jugoslawien aufhalte, sei unrichtig. Dieser halte sich ebenfalls in Österreich auf. Im Ausland habe der Beschwerdeführer keine Verwandten.

Selbst bei Zutreffen seines diesbezüglichen Beschwerdevorbringens würde damit die Beurteilung seitens der belangten Behörde, daß angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen gravierenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit die privaten Interessen des Beschwerdeführers hinter den maßgeblichen öffentlichen Interessen zurückzustehen hätten, nicht unzutreffend erscheinen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0864).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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