VwGH 97/13/0104

VwGH97/13/010415.7.1998

Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, in der Beschwerdesache der EL in W, vertreten durch Rechtsanwälte Brandstetter, Politzer & Pritz Partnerschaft KEG in Wien I, Herrengasse 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 4. März 1997, Zl. GZ 15-93/1149/05, GZ 15-96/1099/05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 bis 1988 (97/13/0104), und über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen (97/13/0168), den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 2. Juni 1997, einem Montag, zur Post gegebenen Beschwerde wurde als Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides der 19. April 1997, ein Samstag, genannt, von welchem Zustelltag ausgehend die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 2 AVG i.V.m. § 62 Abs. 1 VwGG als innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG erhoben schien.

Nach Einleitung des Vorverfahrens teilte die belangte Behörde mit, daß der angefochtene Bescheid hinterlegt und ab dem 18. April 1997 zur Abholung beim Postamt bereitgehalten worden sei. Sie legte dazu die Urschrift des Zustellnachweises für den angefochtenen Bescheid an die Beschwerdeführerin vor, aus welchem sich ergibt, daß am 18. April 1997 ein Zustellversuch an der Anschrift der Beschwerdeführerin unternommen, die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und die Sendung beim Zustellpostamt hinterlegt wurde; als Beginn der Abholfrist wurde der 18. April 1997 beurkundet.

Nach Zustellung dieser Mitteilung der belangten Behörde an die Beschwerdeführerin erstattete diese im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen Schriftsatz, in welchem sie zum einen den Standpunkt einnahm, die Beschwerdefrist gewahrt zu haben, und zum anderen "eventualiter und aus Vorsichtsgründen" gegen die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrte. Sie brachte dazu vor, am 7. April 1997 von einem Auslandsaufenthalt nach Wien zurückgekehrt zu sein. Nach Konsultation zweier Ärzte habe sich die Beschwerdeführerin krankheitshalber am 16. April 1997 nach Steinbrunn im Burgenland begeben, wo ihr das Haus eines Bekannten ständig zur Verfügung stehe. Von dort sei die Beschwerdeführerin am 19. April 1997 zurückgekehrt, weshalb sie auch erst an diesem Tag die Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides erhalten habe. Es könne die Zustellung des Bescheides gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz daher erst auch frühestens an diesem Tage als bewirkt anzusehen sein. Dieses für die Rechtzeitigkeit der Beschwerde wesentliche Vorbringen habe die Beschwerdeführerin deshalb nicht bereits in der Beschwerde erhoben, weil sie auf Grund der auf dem Kuvert angebrachten postamtlichen Vermerke keinen Anlaß zur Annahme hätte haben können, daß eine Zustellung schon mit Wirksamkeit vom 18. April 1997 bewirkt worden sei. Der auf dem Kuvert angebrachte Aufdruck "Verständigung über die Hinterlegung am 18.4.97" habe die Beschwerdeführerin zur Annahme veranlaßt, daß sie an diesem Tag davon verständigt worden sei, daß das Schriftstück hinterlegt worden sei. Da Schriftstücke üblicherweise erst am nächsten Tag zur Abholung bereitgehalten würden, sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, daß das Schriftstück erstmals am 19. April 1997 zur Abholung bereitgehalten würde. Auf Grund der "zweideutigen Formulierung" des Stempelaufdruckes "Verständigung über die Hinterlegung am 18.4.97" sei es der Beschwerdeführerin unmöglich, nachzuvollziehen, daß ihr nicht die Verständigung, daß das Schriftstück hinterlegt worden sei, am 18. April 1997 zugekommen sei, sondern daß sie davon verständigt worden sein sollte, daß die Hinterlegung bereits am 18. April 1997 stattgefunden haben solle. Aus den beiden auf dem Kuvert angebrachten Poststempeln mit dem Datum "17.4.97" und "18.4.97" lasse sich nichts gewinnen, weil der erste Stempel im allgemeinen das Einlangen des Schriftstückes beim zuständigen Postamt betreffe, der andere Stempel aber nach Meinung der Beschwerdeführerin zur Bestätigung angebracht worden sei, daß der Zusteller sie am 18. April 1997 von der geplanten Hinterlegung verständigt habe. Da die Beschwerdeführerin der Ansicht gewesen sei und nach wie vor sei, daß ihr der Bescheid erst am 19. April 1997 zugestellt worden sei, sei es für sie völlig unvorhersehbar gewesen, daß sie ein zusätzliches Vorbringen dazu erstatteten müsse, daß ihre Beschwerde rechtzeitig zur Post gegeben worden sei. Auf Grund des Stempels auf dem Kuvert sei die Beschwerdeführerin sicher gewesen, daß sie erst am 18. April 1997 davon verständigt worden sei, daß das Schriftstück ab 19. April 1997 zur Abholung bereitliege. Daß dies anders gewesen sein solle, habe sie nicht erkennen können. Sollte die Beschwerdeführerin diesbezüglich ein Verschulden treffen, so handle es sich nur um einen minderen Grad des Versehens.

In ihrer in der Folge erstatteten Gegenschrift wies die belangte Behörde noch darauf hin, daß die Beschwerdeführerin der Post & Telekom Austria mitgeteilt gehabt habe, daß eine Ortsabwesenheit bis 9. April 1997 bestehe und daß ab 10. April 1997 wieder "normale Zustellungen" durchgeführt werden sollten.

Mit Berichterverfügung vom 15. April 1998 wurde die belangte Behörde mit Rücksicht darauf, daß der angefochtene Bescheid ungeachtet des von der belangten Behörde festgestellten Bevollmächtigungsverhältnisses zu einem Steuerberater nicht diesem, sondern der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt worden war, unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz einerseits und des § 103 Abs. 2 BAO andererseits dazu eingeladen, unter Vorlage der bezughabenden Bevollmächtigungsurkunden darzulegen, daß und weshalb im Beschwerdefall der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin persönlich wirksam habe zugestellt werden können. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß es auch ihr freistehe, zur Frage der rechtlichen Wirksamkeit der an sie persönlich vorgenommenen Zustellung des angefochtenen Bescheides binnen einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde nahm dazu in der Weise Stellung, daß sie auf eine in den wieder vorgelegten Verwaltungsakten nunmehr einliegende Mitteilung des bevollmächtigten steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 1989 verwies, nach welcher die Zustellvollmacht "nunmehr gestrichen" sei und die Zustellungen an die Adresse der Beschwerdeführerin selbst erfolgen sollten. Dieser Mitteilung des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 1989 war auch eine Vollmachtsurkunde angeschlossen, in welcher die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde durchgestrichen ist.

Die Beschwerdeführerin hat sich zur Berichterverfügung des Gerichtshofes vom 15. April 1998 nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Wahrung der Beschwerdefrist:

Die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin persönlich war aus dem Grunde des § 103 Abs. 2 BAO (vgl. hiezu für viele etwa den hg. Beschluß vom 10. Dezember 1997, 97/13/0212, mit weiteren Nachweisen) wirksam. Die vom Gerichtshof gegen die Wirksamkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin persönlich gehegten Bedenken konnten von der belangten Behörde durch Vorlage der aufschlußgebenden Aktenteile entkräftet werden.

Kann eine Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen.

Die hinterlegte Sendung ist nach § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an den der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Nach dem Inhalt des Zustellausweises wurde die Abholfrist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 Zustellgesetz mit dem 18. April 1997 beurkundet, weshalb der angefochtene Bescheid nach dem dritten Satz des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz auch am 18. April 1997 als zugestellt galt. Gegen die Voraussetzung, daß der Zusteller im Sinne des § 17 Abs. 1 Zustellgesetz Grund zur Annahme hatte, daß sich die Beschwerdeführerin zum Zustellzeitpunkt regelmäßig an der Abgabestelle aufhielt, trägt die Beschwerdeführerin nichts vor; ein solcher Grund zur Annahme lag nicht zuletzt durch das im Verwaltungsakt einliegende Schreiben der Beschwerdeführerin an das Postamt vom 19. März 1997 vor, in welchem die Beschwerdeführerin mitgeteilt hatte, bis einschließlich 9. April 1997 verreist zu sein, sodaß ab dem 10. April 1997 wieder "die normale Zustellung" erfolgen solle.

Die von der Beschwerdeführerin aber behauptete und bescheinigte Abwesenheit von der Abgabestelle zum Zustellzeitpunkt war aus rechtlichen Gründen nicht geeignet, eine Unwirksamkeit der am 18. April 1997 erfolgten Zustellung nach Maßgabe des § 17 Abs. 3 Satz 4 Zustellgesetz herbeizuführen. Die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz normierte Zustellwirkung der Hinterlegung wird nach § 17 Abs. 3 Satz 4 Zustellgesetz nämlich nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, daß der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall aber schon am Tage nach der im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Zustellgesetz bewirkten Zustellung des angefochtenen Bescheides von diesem Zustellvorgang Kenntnis erlangt, dann hatte ihre Abwesenheit am Zustelltag selbst eine Unwirksamkeit des Zustellvorganges mit dem Zustelltag 18. April 1997 rechtlich nicht zur Folge (vgl. hiezu die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 2002f, wiedergegebene Judikatur, ebenso wie etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1993, 93/11/0085, vom 20. Juni 1994, 94/10/0022, und aus jüngster Zeit vom 24. März 1998, 94/05/0242).

Zu unrecht somit verharrt die Beschwerdeführerin auf ihrem Standpunkt, daß ihr der angefochtene Bescheid erst am 19. April 1997 zugestellt worden sei, woraus folgt, daß sie die Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG, ausgehend von der am 18. April 1997 wirksam erfolgten Zustellung, mit ihrer am 2. Juni 1997 zur Post gegebenen Beschwerde nicht gewahrt hat.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das zur Versäumung der Beschwerdefrist führende Ereignis bestand im Irrtum der Beschwerdeführerin über den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides. An diesem Irrtum traf die Beschwerdeführerin aber ein Verschulden, das in seinem Ausmaß einen minderen Grad des Versehens erheblich übersteigt.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Tatsachenirrtum über den Beginn des Laufes der Abholfrist geltend macht, kann der Gerichtshof zum einen schon die Schlüsse nicht nachvollziehen, welche die Beschwerdeführerin aus den postamtlichen Vermerken auf dem Kuvert gezogen haben will. Diese Stempelvermerke indizierten die Möglichkeit einer rechtlich schon am 18. April 1997 bewirkten Zustellung des angefochtenen Bescheides in augenfälliger Weise. Daß die Verständigung nach § 17 Abs. 2 Zustellgesetz den Beginn der Abholfrist nicht oder unrichtig angegeben hätte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht, daß sie diese Verständigung aus Anlaß der Behebung der Sendung beim Postamt abgeben mußte, stand der Wahrnehmung des beurkundeten Tages des Beginns der Abholfrist auf der Verständigung in keiner Weise entgegen. Empfand die Beschwerdeführerin die postamtlichen Vermerke auf dem Kuvert als zweideutig, dann entsprach es den Mindestanforderungen an die für die Einhaltung von Terminen und Fristen gebotene Sorgfalt, aufkommende Zweifel über den tatsächlichen Zustellzeitpunkt im Sinne des Beginnes der Abholfrist durch entsprechende Nachforschungen beim Postamt rechtzeitig zu beheben. Sich statt dessen auf die Vermutung zu verlassen, daß Schriftstücke "üblicherweise" erst am nächsten Tag zur Abholung bereitgehalten würden - ein solcher Erfahrungssatz besteht tatsächlich nicht -, war Leichtsinn und nicht bloß minderer Grad des Versehens.

Sofern sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin schließlich auch entnehmen lassen sollte, daß es ein von einem Fehlverständnis der Bestimmung des § 17 Abs. 3 Satz 4 Zustellgesetz ausgehender Rechtsirrtum gewesen sei, der sie am Erkennen des Zustelltages gehindert hatte, müßte dem begegnet werden, daß ein Rechtsirrtum nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1993, 93/14/0011), weil es Sache des Betroffenen ist, über die Rechtslage an kompetenter Stelle die erforderlichen Erkundigungen rechtzeitig einzuholen.

Daß die Beschwerdeführerin sich über den tatsächlichen Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht rechtzeitig Gewißheit verschafft hat (vgl. hiezu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 23. September 1997, 97/14/0104, und den hg. Beschluß vom 23. November 1994, 93/13/0058, 0060), begründete ein Verschulden an der Fristversäumung, das das Kalkül eines minderen Grades des Versehens demnach überschritten hat.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Beschwerde war dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, im besonderen § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Juli 1998

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