VwGH 97/07/0142

VwGH97/07/014226.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des Dr. RP in S, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in Wien I, Mahlerstraße 7/4/32, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 12. November 1996, Zl. LAS-210-425, betreffend Erwerb von Weiderechten (mitbeteiligte Parteien: 1.) Agrargemeinschaft Alpe R, vertreten durch den Obmann, und 2.) Agrargemeinschaft Alpe W, vertreten durch den Obmann), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §3 litc;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art139;
B-VG Art18 Abs2;
FlVfGG §15;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §21;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs4;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs5;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs6;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs8;
FlVfLG Vlbg 1979 §71;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
JN §66 Abs1;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991;
VwRallg;
AVG §3 litc;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art139;
B-VG Art18 Abs2;
FlVfGG §15;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §21;
FlVfLG Vlbg 1979 §32 Abs2;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs4;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs5;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs6;
FlVfLG Vlbg 1979 §33 Abs8;
FlVfLG Vlbg 1979 §71;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
JN §66 Abs1;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 10. Dezember 1984 wurden dem Beschwerdeführer von seiner Mutter 3 Weiderechte an der Alpe R. in Sch. und 2 1/4 Weiderechte an der Alpe W. in M. vererbt. Bei diesen Weiderechten handelt es sich um persönliche (walzende) Anteile.

Nach dem Tod seiner Mutter beantragte der Beschwerdeführer bei der Agrarbezirksbehörde (AB) die agrarbehördliche Genehmigung der Übertragung dieser Weiderechte.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1996 versagte die AB unter Berufung auf § 33 Abs. 8 und 6 lit. a des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes, LGBl. Nr. 2/1979 (FlVG) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe R. die beantragte Bewilligung.

In der Begründung heißt es, laut § 4 Abs. 1 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe R. könnten Weiderechte durch Rechtsgeschäfts unter Lebenden nur solche Personen erwerben, die in den Gerichtsbezirken B., D. und Br. eine Landwirtschaft betrieben. Der Beschwerdeführer betreibe in den genannten Gerichtsbezirken weder eine Landwirtschaft noch sei er in einem der genannten Gerichtsbezirke mit ständigem Wohnsitz gemeldet. Weiters sei in § 4 Abs. 2 der Satzung festgehalten, daß zwar im Erbfall die Übertragung von Weiderechten unbeschränkt möglich sei, jedoch nur, wenn die Erben in den im Abs. 1 erwähnten Gerichtsbezirken den ordentlichen Wohnsitz hätten. Die Übernahme der drei Weiderechte entspreche daher nicht den Bestimmungen der Satzung.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1996 versagte die AB unter Berufung auf § 33 Abs. 8 und 6 lit. a FlVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe W. die Bewilligung zur Übernahme der Weiderechtsanteile an der Agrargemeinschaft Alpe W. durch den Beschwerdeführer.

In der Begründung heißt es, nach § 4 Abs. 1 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe W. sei die Übertragung von Weiderechten an Nachkommen in gerader Linie (Kinder, Enkelkinder) auch dann möglich, wenn diese keine Landwirtschaft betrieben, aber in Vorarlberg ihren ordentlichen Wohnsitz hätten. Der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz in S. (Niederösterreich) und sei daher nicht zur Übernahme der Weiderechtsanteile berechtigt. Weiters sei im § 4 Abs. 4 der Satzung festgehalten, daß im Erbfall eine Übertragung an die gesetzlichen Erben möglich sei, diese aber in Vorarlberg ihren ordentlichen Wohnsitz haben müßten. Die Übernahme der Weiderechtsanteile entspreche daher nicht den Bestimmungen der Satzung.

Der Beschwerdeführer berief. Er machte geltend, er sei seit Erstbezug seines derzeitigen Wohnsitzes in S. in Sch. gemeldet, weil er Vorarlberg nur zu Zwecken der Berufsausübung verlassen habe. Aus diesem Grund habe er Sch. immer und ununterbrochen als seinen eigentlichen ordentlichen Wohnsitz betrachtet. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes könne ein Mensch mehrere ordentliche Wohnsitze haben. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sei aus vielen Gründen immer Sch. gewesen und werde es immer bleiben. Stellvertretend für viele Gründe führe er an, daß die Wohnung in S. ca. 800.000 S gekostet habe, während er in sein Elternhaus in Sch. ca. 4,5 Millionen S investiert habe, die er allein zurückzahle, obwohl das Haus ihm nur zur Hälfte gehöre. Er habe auch langsam, aber stetig seine berufliche Bindung in W. gelockert, um immer wieder in seiner Heimat Sch. zu sein. Dazu sei er auch aus seinem permanentem Dienstverhältnis bei der R. mit 31. August 1995 ausgeschieden.

In einem weiteren Schriftsatz vom 23. Oktober 1996 vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, auf Grund des Hauptwohnsitzgesetzes sei in der Rechtsordnung durchgehend der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt worden. Sein Hauptwohnsitz sei Sch. Weiters brachte der Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz vor, er habe seit dem schweren Unfall seines Vaters am 11. November 1974 die Mitgliedschaftsrechte (Weiderechte) für seine seit dem Jahr 1959 schwerkranke Mutter stets und ausschließlich alleine ausgeübt. Dabei seien seit über 20 Jahren nicht die geringsten Schwierigkeiten aufgetreten. Er habe im Gegenteil in R. öfters zum Ausgleich nachweislich divergierender Interessen wesentlich beitragen können, und habe die Verhandlungen zur Erstellung des Güterweges in R. mit der AB geführt und den einschlägigen Schriftverkehr allein erstellt. Er habe einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne der Satzungen der betroffenen Agrargemeinschaften schon vor dem Hauptwohnsitzgesetz in Sch. gehabt. Er habe sein Dienstverhältnis in W. bereits aufgegeben und sorge seit Jahrzehnten für seine unversorgte Schwester und deren Kind, für das er Vaterfunktionen ausübe.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 24. Oktober 1996 gab der Beschwerdeführer an, er sei freier Mitarbeiter der R.-Bank in W. und bei einer französischen Bank. Er besitze zur Zeit weder ein Büro noch verfüge er über Personal. Er beabsichtige jedoch, eine Betriebsstätte in W. zu errichten. Einen Wohnsitz habe er in S. Seine Kinder befänden sich aus Studiengründen in Wien. Seine Frau habe ebenso wie er selbst ihren Hauptwohnsitz in Sch.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. November 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und ergänzte den Spruch der erstinstanzlichen Bescheide dahingehend, daß sich die Versagung der Bewilligung überdies hinsichtlich der Weiderechtsanteile an der Agragemeinschaft Alpe W. auf § 4 Abs. 4 der Satzung und hinsichtlich der Weiderechte an der Agrargemeinschaft R. auf § 4 Abs. 2 der Satzung dieser Agrargemeinschaft stützt.

In der Begründung heißt es, die Regulierung der Agrargemeinschaft Alpe W. sei mit Bescheid vom 5. Juni 1991 erfolgt. Mit Bescheid vom 23. Februar 1995 sei eine Satzungsänderung genehmigt worden. Der im vorliegenden Verfahren anzuwendende § 4 Abs. 1 und 4 der Satzung habe folgenden Wortlaut:

"Weiderechte können durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden nur solche Personen erwerben, die in den Gemeinden Sch., E., R., M. oder Schn. eine Landwirtschaft (Rinderhaltung) betreiben. Die Übertragung von Weiderechten an Nachkommen in gerader Linie (Kinder, Enkelkinder) und zwischen Ehegatten ist auch dann möglich, wenn diese keine Landwirtschaft beitreiben, aber in Vorarlberg ihren ordentlichen Wohnsitz haben (Abs. 1).

Im Erbfalle ist der Erwerb von Weiderechten durch die gesetzlichen Erben ... unbeschränkt möglich, wenn diese in Vorarlberg ihren ordentlichen Wohnsitz haben (Abs. 4)."

Die Regulierung der Agrargemeinschaft Alpe R. sei mit Bescheid vom 19. November 1968 erfolgt; in diesem Bescheid sei auch die von der Vollversammlung beschlossene Satzung genehmigt worden. In der Vollversammlung vom 21. Mai 1992 sei eine Ergänzung der Satzung beschlossen worden, welche mit Bescheid vom 9. Juni 1992 genehmigt worden sei. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung laute:

"Weide- und Hüttenrechte können durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden nur solche Personen erwerben, die in den Gerichtsbezirken B., D. oder Br. eine Landwirtschaft betreiben (Abs. 1).

Im Erbfalle ist der Erwerb von Weide- und Hüttenrechten durch die Kinder, Enkelkinder, Ehegatten und Geschwister unbeschränkt möglich, wenn diese in den im Abs. 1 erwähnten Gerichtsbezirken den ordentlichen Wohnsitz haben (Abs. 2)".

Die Rechtsnatur der Schenkung auf den Todesfall sei umstritten. Teilweise werde sie bloß als befristete Schenkung unter Lebenden und der Beschenkte als Gläubiger des Erblassers betrachtet. Teilweise werde sie unter den Begriff der Rechtsnachfolge von Todes wegen subsumiert. Nach Ansicht von Koziol-Welser sei sie jeoch ein besonderes Geschäft, das eine Mittelstellung zwischen den Geschäften unter Lebenden und jenen von Todes wegen einnehme. Vereinfachend aber treffend werde sie bei Lebzeiten des Erblassers als Vertrag, nach seinem Tode aber als Vermächtnis zu behandeln sein (Koziol-Welser, Grundriß II, 9. Auflage, 369). Da die Geschenkgeberin im vorliegenden Fall bereits gestorben sei, müßten daher für die gegenständliche Schenkung die Satzungsbestimmungen "im Erbfalle" herangezogen werden. Diese stellten auf den ordentlichen Wohnsitz ab.

Das am 1. Jänner 1995 in Kraft getretene Hauptwohnsitzgesetz sehe in Art. 8 Abs. 1 lediglich für Bundesgesetze vor, daß der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" durch den Begriff "Hauptwohnsitz" in der jeweils grammatikalisch richtigen Form ersetzt werde. Für die Statuten einer Agrargemeinschaft habe das Hauptwohnsitzgesetz keinerlei Auswirkungen; vielmehr sei zu prüfen, inwieweit der ordentliche Wohnsitz zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in Sch. gegeben gewesen sei. Das Funktionieren von Agrargemeinschaften sei ganz wesentlich davon abhängig, daß sich ihre Mitglieder in der Gemeinschaft entsprechend betätigten. Die Statuten sähen deshalb vor, daß Weiderechte durch Rechtsgeschäfte nur jene Personen erwerben könnten, welche in der Gemeinde selbst oder in den Nachbargemeinden eine Landwirtschaft betrieben. In gleicher Weise erfolge eine Beschränkung auf den Erwerb im Erbwege, nur in Vorarlberg wohnhafte Erben könnten Anteilsrechte erwerben. Dadurch sei eine entsprechende Betätigung in der Agrargemeinschaft gesichert, durch die Nähe ihres Wohnsitzes könnten sie an der Nutzung und an der Verwaltung und an allen Vorteilen der Agrargemeinschaft teilnehmen (§ 6 Abs. 1 der Satzung). Insbesondere sei es ihnen möglich, auch verschiedene Funktionen wie jene des Alpobmannes oder des Alpmeisters auszuüben sowie die Funktion des Schriftführers oder Kassiers. Die Gewählten seien nach § 11 Abs. 5 der Satzung sogar zur Annahme eines Amtes verpflichtet; erst nach zwei Amtsperioden könne für die folgenden zwei Perioden eine Funktion abgelehnt werden. Dies sei einer Person, welche im Großraum W. beruflich tätig sei und sich dort auch überwiegend aufhalte, nicht möglich. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe seinen Hauptwohnsitz kürzlich nach Sch. verlegt und W. bzw. S. sei lediglich sein Zweitwohnsitz, könnten nicht überzeugen. Die Ummeldung nach Sch. im Zuge des Berufungsverfahrens sei ein melderechtlicher Akt, der mit dem Begriff der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nach der Satzungsbestimmung nicht gleichzusetzen sei. Trotz Befragung habe der Beschwerdeführer keine berufliche Tätigkeit nennen können, der er in Sch. nachginge. Da der Beschwerdeführer derzeit in Sch. keinem Beruf nachgehe und seinen Beruf in W. bzw. S. ausübe und dementsprechend in S. bzw. im Großraum W. mit seiner Familie wohne, sei anzunehmen, daß dem allfälligen Aufenthalt in Sch. eine untergeordnete Bedeutung zukomme, und es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Aufenthalt in Sch. einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne der Satzungen der beiden Agrargemeinschaften begründe. Das vom Beschwerdeführer zitierte Hauptwohnsitzgesetz habe keinen Bezug zu den Satzungen der beiden Agrargemeinschaften, sodaß auch dessen Bestimmungen im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden seien. Vielmehr sei davon auszugehen, daß der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Beschwerdeführers derzeit noch im Raum W. liege und nicht in Vorarlberg bzw. in einem der drei erwähnten Gerichtsbezirke.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte mit Beschluß vom 9. Juni 1997, B 2/97, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung bringt der Beschwerdeführer vor, er habe bereits in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde unter Hinweis auf Art. 151 Abs. 9 B-VG die Auffassung der belangten Behörde widerlegt, daß das Hauptwohnsitzgesetz lediglich in Bundesgesetzen den Begriff "ordentlicher Wohnsitz" durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetze. § 33 Abs. 8 und 6 lit. a FlVG seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Das durchgeführte Verfahren leide an Mängeln. Die Niederschrift über die Verhandlung vor der belangten Behörde sei ihm nicht vorgelesen und von ihm auch nicht durch seine Unterschrift bestätigt worden. Wäre die Niederschrift verlesen worden, hätte er eine Reihe mündlich vorgebrachter Tatsachen hineinreklamieren können, u.a., daß er seit seinem Ausscheiden aus dem R. stets versucht habe, eine seiner früheren Stellunng als Verbandsdirektor gleichwertige Stellung in Vorarlberg zu finden. Die belangte Behörde habe zur Bestimmung des Hauptwohnsitzes ausschließlich die Berufsausübung des Beschwerdeführers herangezogen, andere maßgebende Umstände aber übergangen. Er benütze ständig ein Neubaudachgeschoß des Elternhauses für sich, seine Frau und seine Kinder, vermiete drei Kleinwohnungen in dem von ihm komplett renovierten Elternhaus und sei daher häufig in Sch. anwesend. Übergangen worden sei auch sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren, daß er die Weiderechtsanteile für seine Mutter seit vielen Jahren allein verwalte. Unzutreffend sei auch die Auffassung der belangten Behörde, die Ummeldung nach Sch. sei ein rein melderechtlicher Akt, der mit dem Begriff der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nach der Satzungsbestimmung nicht gleichzusetzen sei. Zur Bestimmung des Hauptwohnsitzes sei nicht die Agrarbehörde zuständig, sondern der Bürgermeister als Meldebehörde erster Instanz. Vor dieser Behörde aber habe der Beschwerdeführer die ihm zustehende Berechtigung, aber auch Verpflichtung ausgeübt, jenen Wohnsitz als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis habe. Dieser Hauptwohnsitz sei Sch.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 Abs. 8 FlVG dürfen die persönlichen (walzenden) Anteile nur mit Bewilligung der Agrarbehörde veräußert werden. Die Bestimmungen des Abs. 6 sind sinngemäß anzuwenden.

Zum Unterschied von der in den Abs. 4 bis 6 des § 33 FlVG geregelten "Absonderung" - unter welcher alle wie immer gearteten rechtlichen Lösungen der bisherigen Bindung der Anteilsrechte von einer Stammsitzliegenschaft zu verstehen sind - bedarf eine Übertragung persönlicher (walzender) Anteilsrechte im Erbwege nicht der Bewilligung der Agrarbehörde, weil bei walzenden Anteilsrechten auf Grund der Sonderbestimmung des § 33 Abs. 8 FlVG nur die Veräußerung bewilligungspflichtig ist.

Die dem Beschwerdeführer von seiner Mutter im Erbweg übertragenen Anteilsrechte sind zwar solche persönliche (walzende) Anteilsrechte im Sinne des § 33 Abs. 8 FlVG. Dadurch ist jedoch für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil die Satzungen der betroffenen Agrargemeinschaften, welche als Bestandteile der Regulierungsurkunden rechtskräftige Bescheide darstellen, eine über § 33 Abs. 8 FlVG hinausgehende Bewilligungspflicht für die Veräußerung und den Erwerb agrargemeinschaftlicher Anteile vorsehen, auf die die belangte Behörde ihre Entscheidung stützen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, 95/07/0092, 0093).

Nach § 4 Abs. 4 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe W. ist im Erbfall der Erwerb von Weiderechten durch die gesetzlichen Erben unbeschränkt möglich, wenn diese in Vorarlberg ihren ordentlichen Wohnsitz haben.

§ 4 Abs. 2 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpe R. sieht vor, daß im Erbfall der Erwerb von Weide- und Hüttenrechten durch die Kinder, Enkelkinder, Ehegatten und Geschwister unbeschränkt möglich ist, wenn diese in den Gerichtsbezirken B., D. oder Br. den ordentlichen Wohnsitz haben.

In beiden Fällen wird also auf den ordentlichen Wohnsitz abgestellt.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, durch Art. 151 Abs. 9 B-VG werde der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in den erwähnten Satzungsbestimmungen durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt.

Nach Art. 151 Abs. 9 zweiter Satz B-VG wird in den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in allen seinen grammatikalischen Formen durch den Begriff "Hauptwohnsitz" in der jeweils entsprechenden grammatikalischen Form ersetzt, sofern der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 1995 durch den Begriff "Wohnsitz" ersetzt wird; vom 1. Jänner 1996 an darf der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder nicht mehr verwendet werden.

Art. 151 Abs. 9 B-VG wurde durch die B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 504/1994, in das B-VG eingefügt. Diese Novelle beruht auf Inititiativanträgen, von denen aber der Antrag des Verfassungsausschusses teilweise abweicht. Im Bericht des Verfassungsausschusses (1642 Blg. NR 18. GP, 4) heißt es dazu:

"In der Formulierung des Initativantrages soll der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in Gesetzen und Verordnungen nicht mehr verwendet werden dürfen und durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt werden. Da diese Formulierung die Auslegungsfrage aufwerfen könnte, ob der Begriff "Gesetze" auch Verfassungsgesetze erfaßt, wäre es zweckmäßig, die Umschreibung durch die Wortgruppe "Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder" zu ersetzen."

Demnach sollte nach dem Initiativantrag der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in Gesetzen und Verordnungen des Bundes und der Länder durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt werden. Durch die Änderung dieser Formulierung im Verfassungsausschuß sollte nur klargestellt werden, daß von dieser Anordnung auch Verfassungsgesetze erfaßt werden; keinesfalls aber sollte damit der Kreis der betroffenen Rechtsvorschriften über Gesetze (einschließlich Verfassungsgesetze) und Verordnungen hinaus erweitert werden. Satzungen von Agrargemeinschaften nach dem FlVG sind keine Verordnungen (VfSlg. 12.279/1990). Durch Art. 151 Abs. 9 zweiter Satz B-VG wird daher der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in den Satzungen der Agrargemeinschaft Alpe R. und Alpe W. nicht durch den Begriff "Hauptwohnsitz" ersetzt.

Nach § 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991 i.d.F. des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

Der Begriff des Hauptwohnsitzes stimmt in seinen Definitionselementen im wesentlichen mit jenem des ordentlichen Wohnsitzes überein. Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer mit Hauptwohnsitz in Sch. gemeldet ist, kann aber trotzdem - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nicht zwingend abgeleitet werden, daß er in Sch. auch seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne der Satzungen der mitbeteiligten Parteien hat. Die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes setzt nämlich das tatsächliche Vorliegen eines die Bedingungen eines ordentlichen Wohnsitzes erfüllenden Lebenssachverhaltes voraus (vgl. VfSlg. 9598/1982), was mit der bloßen Meldung im Sinne des Meldegesetzes nicht zweifelsfrei dokumentiert ist. Die Meldung stellt lediglich ein Indiz für den ordentlichen Wohnsitz dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1987, 86/07/0284).

Die Rechtsprechung hat den Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" aus dem Wohnsitzbegriff des § 66 Abs. 1 JN abgeleitet und ausgesprochen, daß der (ordentliche) Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet ist, an welchem sie sich in der erweislichen, aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, 87/03/0189, vom 30. November 1994, 94/03/0261, u.v.a.). Das Merkmal des "bleibenden Aufenthaltes" wird dabei in manchen Entscheidungen dahingehend umschrieben, daß die Niederlassung in der Absicht erfolgen muß, diesen Ort bis auf weiteres zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu wählen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1982, VfSlg. 9.598, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1988, 87/11/0238, u.a.). Der Begriff des Wohnsitzes schließt demnach ein Zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung an einem Ort und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Eine Person kann auch mehrere Wohnsitze haben (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, 87/03/0189).

Ob eine Person an einem bestimmten Ort einen ordentlichen Wohnsitz hat, läßt sich erst nach genauer Fallüberprüfung feststellen. Eine fundierte Entscheidung über den ordentlichen Wohnsitz ist ohne ausreichende konkrete sachverhaltsmäßige Grundlage nicht möglich. In der Wohnsitzfrage kommt es nicht nur auf Umstände an, die in der Gemeinde lokalisiert sind; vielmehr muß das gesamte wirtschaftliche, berufliche, gesellschaftliche und sonstige Verhalten des Betroffenen, das geeignet ist, entsprechende Anhaltspunkte zu bieten, mit in Betracht gezogen werden (vgl. neuerlich VfSlg. 9.598/1982, und die dort angeführte Vorjudikatur).

An einer solchen ausreichenden Sachverhaltsgrundlage fehlt es im Beschwerdefall. Im angefochtenen Bescheid finden sich nicht einmal durch entsprechende Ermittlungen abgesicherte Feststellungen darüber, ob und in welchem zeitlichen Ausmaß der Beschwerdeführer (und seine Familie) sich in Sch. aufhalten, ob sie dort nächtigen und welche sonstigen für das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes relevanten Aktivitäten dort entfaltet werden. Die belangte Behörde stellt lediglich darauf ab, daß der Beschwerdeführer trotz Befragung keine berufliche Tätigkeit habe nennen können, der er in Sch. nachgehe, sondern daß er seinen Beruf in W. ausübe und "dementsprechend" in S. mit seiner Familie wohne. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer keine in Sch. ausgeübte Berufstätigkeit nennen konnte, sagt für sich allein nichts darüber aus, ob er (auch) in Sch. einen ordentlichen Wohnsitz hat. Hiezu kommt, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens vorgebracht hat, er habe seinen Dienstvertrag mit dem Dienstgeber in W. gelöst und sei nunmehr als freier Mitarbeiter für zwei Banken tätig, wobei er über kein Büro verfüge. Die Aussage, der Beschwerdeführer wohne mit seiner Familie in S. ist ebenfalls in dieser Form nicht aussagekräftig, da eine Wohnung in S. nicht ausschließt, daß der Beschwerdeführer (auch) in Sch. einen ordentlichen Wohnsitz hat.

Daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren - ausgehend von der unzutreffenden Auffassung, das Vorliegen eines Hauptwohnsitzes im Sinne der Meldevorschriften sei mit dem ordentlichen Wohnsitz gleichzusetzen - nicht von sich aus alle zum Nachweis eines ordentlichen Wohnsitzes wesentlichen Umstände vorgebracht hat, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, war es doch Sache der belangten Behörde, diese Fakten von Amts wegen zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1988, 87/11/0238). Bedurfte sie dabei der Mithilfe des Beschwerdeführers, so hatte sie ihn zu einer solchen Mitwirkung aufzufordern.

Aus den dargestelten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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