Normen
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsbürger, reiste am 15. März 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. März 1992 Asyl. Am 17. Juli 1992 wurde er vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich zu seinen Fluchtgründen befragt. Den Inhalt dieser Befragung hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wie folgt fest:
"Hiebei haben Sie im wesentlichen angegeben, daß Sie Angehöriger der kurdischen Bevölkerungsgruppe in der Türkei und alevitischen Glaubensbekenntnisses seien. Sie hätten Ihre Religion nicht frei ausüben können. Als Alevite würde man in der Türkei verachtet. Seit 1980 seien Sie Sympathisant der "PKK", für die Sie in Erzurum Zeitschriften und Plakate verteilt hätten. 1984 sei nach Ihnen gesucht worden, worauf Sie sich für sechs Monate in Griechenland aufgehalten hätten, um Ihre "Spuren zu verwischen". Nach Ihrer Rückkehr in die Türkei seien Sie trotz Ihrer Tätigkeiten für die "PKK" bis 1987 unbehelligt geblieben. 1987 seien Sie nach Izmit übersiedelt, wo Sie sich bis zu Ihrer Ausreise aufgehalten hätten. Im Dezember 1987 habe Sie die Polizei in Istanbul festgenommen und eine Woche lang angehalten und dabei auch zu Ihrer Tätigkeit für die "PKK" befragt bzw. mehrfach mit Gummiknüppeln geschlagen. Sie seien freigelassen worden und wieder nach Izmit zurückgekehrt. Ihr Bruder und Sie seien am 20.05.1990 beim Zeitschriftenverteilen von der Polizei betreten worden. Man habe Ihren Bruder festgenommen. Dieser sei derzeit noch inhaftiert. Ihnen sei die Flucht gelungen. Die folgenden (gemeint: zwei) Jahre hätten Sie sich in den umliegenden Dörfern versteckt gehalten und Izmit nur heimlich betreten. Im Dezember 1991 hätten Sie von Ihrer Schwester in Izmit erfahren, daß die Polizei bereits mehrmals nach Ihnen gesucht hätte. Da Sie nicht wie Ihr Bruder eingesperrt werden wollten, hätten Sie sich entschlossen, Ihre Heimat zu verlassen."
Mit (Formular-)Bescheid vom 27. Juli 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (im folgenden: Asylgesetz 1968), sei. Eine Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen erfolgte in diesem Bescheid nicht.
Gegen diesen ihm am 30. Juli 1992 zugestellten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 4. August 1992 Berufung. Hierin machte der Beschwerdeführer keine von seinen Angaben in erster Instanz abweichenden Umstände geltend, sondern vertrat die Meinung, daß es Aufgabe der Behörde erster Instanz sei, aufgrund des Vorbringens des Antragstellers einen bestimmten Sachverhalt festzustellen, sodann die aufgenommenen Beweise zu würdigen und schließlich den festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Dies sei im Verfahren erster Instanz nicht geschehen, sodaß dem Bescheid Mangelhaftigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung anhafte. Weiters seien die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden und das Religionsbekenntnis, derentwegen der Beschwerdeführer politisch verfolgt werde, ausreichende Gründe für eine Asylgewährung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Jänner 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte darin den Flüchtlingsbegriff des Asylgesetzes bzw. der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, dar und brachte ihren Standpunkt zum Ausdruck, der Beschwerdeführer habe
"im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß Sie (der Beschwerdeführer) sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Ihres Heimatlandes befinden und nicht gewillt sind, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.
Ihr Vorbringen muß als zur Asylrechtfertigung ungeeignet bezeichnet werden, weil Ihre Angaben äußerst unplausibel sind bzw. es der erkennenden Behörde unmöglich ist, Ihr Vorgehen aufgrund des von Ihnen relevierten Sachverhaltes als der Wahrheit entsprechend nachzuvollziehen, weshalb Ihren Ausführungen keine Glaubwürdigkeit zukommen kann."
Die Abweisung begründete die belangte Behörde auszugsweise - soweit entscheidungswesentlich - wie folgt:
"Ihrem Vorbringen konnte lediglich entnommen werden, daß Sie wohl als Sympathisant aber offensichtlich in subalterner Funktion z.B. Zettelverteilen "politisch" tätig gewesen seien und dabei einmal im Jahre 1987 in Istanbul angeblich Beeinträchtigungen (eine einwöchige Anhaltung, Schläge, anschließend offenkundig konsequenzlose Entlassung - jedenfalls haben Sie keine weiteren Folgen releviert) hinnehmen hätten müssen.
Selbst wenn diese Umstände auch als bescheinigt gelten sollten, kann diesen keine Asylrelevanz beigemessen werden, weil sich die Furcht vor Verfolgung auf Umstände beziehen muß, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise (in Ihrem Fall zum März 1992) aus dem Heimatland liegen, weshalb Ihr Vorbringen nicht die Flüchtlingseigenschaft indizieren kann.
Darüber hinaus müssen aber insbesondere aufgrund Ihrer freiwilligen Rückkehr aus Griechenland in den angeblichen "Verfolgerstaat" Türkei im Jahre 1984 - der Grund für Ihre Ausreise sei wiederum Ihre angebliche Tätigkeit für die "PKK" und die Ihrer Meinung nach daraus resultierende Exponiertheit Ihrer Person gewesen - Ihre Angaben als unglaubwürdig angesehen werden.
Sollten Sie nämlich tatsächlich in der von Ihnen skizzierten Art und Weise derart exponiert gewesen sein - diesen Sachverhalt behaupten Sie jedenfalls auch in gleicher Form, ohne weitere, allfällig Sie besonders der Gefahr asylrelevanter Verfolgung aussetzende, Sachverhaltselemente ins Treffen zu führen, auch für die angeblich stattgefundenen Ereignisse 1990 - ist nicht anzunehmen, daß Sie sich akut drohender Verhaftungsgefahr durch Ihre Rückkehr ausgesetzt hätten.
Ein weiteres Indiz, daß Sie keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt waren, muß auch in dem Umstand gesehen werden, daß Sie nämlich genau in jene Provinz - nämlich Erzurum - zurückgekehrt sind, in der Sie angeblich in den Jahren 1980 bis 1984 Tätigkeiten, die geeignet gewesen sein sollten, das Interesse der Behörden an Ihrer Person zu wecken, durchgeführt hätten, und sich ebendort "unbehelligt" bis zum Jahre 1987, also ca. drei Jahre, aufgehalten haben.
Die angebliche Verhaftung Ihres Bruders in der Folge Ihrer gemeinsamen Verteilung von Zeitschriften in Izmit hätte Sie veranlaßt, sich für zwei Jahre im Nahbereich des Vorfallsortes "versteckt" aufzuhalten.
In Analogie zur oben ausgeführten Würdigung muß zu Ihren Behauptungen festgehalten werden, daß - sollten Sie tatsächlich von Verfolgung bedroht gewesen sein - Sie wohl nicht zwei Jahre gewartet hätten und nicht sofort - wie schon im Jahre 1984 - "geflüchtet" seien. Überhaupt spricht die Tatsache, daß Sie am 18.12.1991, zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie sich angeblich versteckt gehalten hätten, die Dienste der Behörden Ihres Heimatlandes (Ausstellung des Personalausweises Nr. 180568, laut Punkt 2 der Niederschrift) in Anspruch genommen haben und Sie dabei offensichtlich keine Schwierigkeiten - solche haben Sie nicht dargestellt - gehabt haben bzw. befürchten haben müssen, dafür, daß Ihre Behauptungen (die Polizei habe im Dezember 1991 bzw. davor nach Ihnen gesucht) bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wahrheit aber nicht entsprechen.
Diese Qualifikation gilt ebenso für Ihre bloßen Behauptungen im Zusammenhang mit der Ausstellung Ihres Reisepasses und Ihrem "legalen" Grenzübertritt nach angeblichen Bestechungen von Organen des türkischen Staates.
Die Nachteile, die Sie Ihren Angaben zufolge, wegen Ihrer Zugehörigkeit zur alevitischen Glaubensgemeinschaft zu tragen hatten, stellen keinen derart gravierenden Eingriff in Ihre Grundrechte dar, um dem im Asylgesetz angesprochenen Sachverhalt zugrunde gelegt werden zu können."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer beantragt, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, daß infolge der im angefochtenen Bescheid zutreffend erfolgten Anwendung des Asylgesetzes 1968 kein Fall des Außerkrafttretens gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 vorliegt.
Gemäß § 1 des Asylgesetzes 1968, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (im folgenden: FlKonv), unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 FlKonv ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde nahm das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach Art. 1 Abschnitt F FlKonv nicht an.
Der belangten Behörde kann insoweit nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausführt, daß die Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Behauptung einer ihm (in einer asylrelevanten Intensität) drohenden Verfolgung wegen seiner Tätigkeit für die PKK vor 1984, weshalb er für sechs Monate ins Ausland geflüchtet sei, nicht überzeugend sind. Der Beschwerdeführer war nämlich nach seinem Vorbringen freiwillig wieder in seinen Heimatort Erzurum zurückgekehrt, wo er den Behörden bekannt sein mußte. Er habe dort auch in der Folge "unbehelligt" bis 1987 leben können. Daß der behauptete Zweck seines 6-monatigen Aufenthaltes außerhalb der Türkei darin gelegen gewesen sei, "seine Spuren zu verwischen", ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. Soweit der Beschwerdeführer die Verhaftung im Jahr 1987 anspricht, ist ihm vorerst entgegenzuhalten, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Vorgänge, die bereits längere Zeit zurückliegen, in der Regel keine ausreichende Asylrelevanz (mehr) aufweisen; solche Umstände können (bloß) zur Abrundung des Gesamtbildes bei Prüfung der Frage einer begründeten Furcht vor Verfolgung herangezogen werden. Der Beschwerdeführer hat für die Zeit nach Freilassung aus der einwöchigen Anhaltung im Dezember 1987 (bei der er während seines Verhörs bezüglich seiner Tätigkeit für die PKK "mehrfach mit Gummiknüppeln geschlagen" worden sei) bis zum Jahr 1990 keine wesentlichen Behördenkontakte mehr erwähnt. Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, daß er während dieser nachfolgenden Zeit aus dieser Anhaltung resultierende besondere Nachteile zu erdulden hatte, und er hat wegen dieser Vorgänge anläßlich seines Verhörs auch keine unmittelbare Veranlassung zur Flucht gesehen. Daher kann die Auffassung der Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn sie aufgrund dieses Vorfalls im Jahr 1987 keinen (aktuellen) zeitlichen Zusammenhang mit seiner Flucht im Jahr 1992 sah.
Ebensowenig kann das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden und sein alevitisches Religionsbekenntnis für sich allein einen ausreichenden Grund für die angestrebte Asylgewährung bilden. Die allgemeinen Berichte über die Situation der Angehörigen der kurdischen Volksgruppe sowie des alevitischen Glaubensbekenntnisses in der Türkei lassen für sich allein ebenfalls keine Rückschlüsse auf die konkrete Situation des einzelnen Asylwerbers zu. Die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Heimatland eines Asylwerbers sind nicht geeignet, für sich allein die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun (vgl. dazu für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1992, Zl. 92/01/0903).
Der Begründung im angefochtenen Bescheid kann allerdings nicht klar entnommen werden, daß die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubwürdigkeit aberkannt hätte. Insbesondere kann der Bescheidbegründung die Auffassung der belangten Behörde entnommen werden, daß sie es für möglich hält, der Beschwerdeführer sei tatsächlich im Jahr 1987 wegen des Verdachtes einer behaupteten Tätigkeit für die PKK mißhandelt worden. Eine schlüssige Verneinung der Glaubwürdigkeit seiner weiteren Angaben, daß er im Mai 1990 anläßlich der Verteilung von Propagandamaterial für die PKK gemeinsam mit seinem Bruder von den Behörden entdeckt worden, sein Bruder verhaftet und ihm die Flucht gelungen sei, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Eine Bescheidbegründung, die aus dem Umstand der Rückkehr in die Türkei im Jahr 1984 nach einem 6-monatigen Aufenthalt in Griechenland auf die Unglaubwürdigkeit von Verfolgungshandlungen im Jahr 1987 bzw. 1990, die sich auf neue, in sich widerspruchsfreie Angaben über Verfolgungshandlungen stützen, schlösse, würde selbst der dem Verwaltungsgerichtshof nur beschränkt zukommenden Prüfung der Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit hin (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A, und die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 548 ff, zitierte Judikatur) nicht standhalten.
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt als unmittelbaren Fluchtgrund geltend gemacht, daß er am 20. Mai 1990 beim gemeinsamen Schriftenverteilen mit seinem Bruder von der Polizei betreten und sein Bruder in diesem Zusammenhang festgenommen worden sei. Er habe sich in der Folge bis zu seiner Ausreise in den umliegenden Dörfern versteckt gehalten, wobei er von seiner Schwester erfahren habe, daß ihn die Polizei suche. Sein Bruder habe sich (jedenfalls) im Zeitpunkt seiner Ausreise aus der Türkei immer noch in Haft befunden. Seinen Reisepaß habe er über seine Schwester nach Bezahlung von 2 Mill. türkische Lira bekommen, wobei er es aber nicht habe wagen können, selbst ein Visum zu beantragen. Die Ausreise aus der Türkei sei ihm durch Bestechung eines Grenzbeamten gelungen.
Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde im wesentlichen entgegen, daß der Beschwerdeführer im Falle, daß er "tatsächlich von Verfolgung bedroht gewesen sein" sollte, "bis zu seiner Flucht nach Österreich wohl nicht zwei Jahre gewartet hätte".
Der Beschwerdeführer habe am 18. Dezember 1991 "die Dienste der Behörden (seines) Heimatlandes (Ausstellung des Personalausweises Nr. 180568 (Punkt 2 der Niederschrift) in Anspruch genommen und dabei offensichtlich keine Schwierigkeiten" - solche habe er "nicht dargestellt" - gehabt bzw. befürchten müssen, weshalb seine Angaben nicht der Wahrheit entsprächen. Diese Qualifikation beträfe ebenso seine
"bloßen Behauptungen im Zusammenhang mit der Ausstellung Ihres Reisepasses und Ihrem "legalen" Grenzübertritt nach angeblichen Bestechungen von Organen des türkischen Staates".
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht aber der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen der behaupteten staatlichen Verfolgungshandlung und dem Verlassen des Landes auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Beschwerdeführer während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken konnte. Bei welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor (noch aufrechter) Verfolgung begründet erscheinen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. April 1998, Zl. 96/20/0281). Im bekämpften Bescheid finden sich keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen, die die Annahme der belangten Behörde, die behaupteten Gründe des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Betretung im Mai 1990 anläßlich des Verteilens von Propagandamaterial für die PKK seien nur dann glaubwürdig, wenn der Beschwerdeführer unmittelbar danach das Land verlassen hätte, nachvollziehbar erscheinen lassen. Ohne nähere Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei und die dort bestehenden Möglichkeiten, sich den örtlichen Nachforschungen und Kontrollen der Behörden in den "Dörfern der Umgebung" von Izmit zu entziehen, ist eine derartige Schlußfolgerung nicht nachvollziehbar.
Auch ist die die Angaben des Beschwerdeführers, daß er durch Bezahlung von "Schmiergeldern" die Ausstellung eines Reisepasses und den Erhalt eines Sichtvermerkes durch türkische Behörden habe erlangen können, als unglaubwürdig bewertende Beweiswürdigung mangels jeglicher Begründung nicht überprüfbar. Daß Bestechungsgelder durchaus geeignet sind, auch Behördenorgane zu einem pflichtwidrigen Verhalten zu verleiten, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 96/01/0963). In der Beschwerde wird der Behörde zu Recht entgegengehalten, daß sie den Beschwerdeführer hinsichtlich der Umstände bei Ausstellung des Personalausweises am 18. Dezember 1991 nicht ausreichend befragt bzw. auf die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Paßausstellung, wonach ihm dieser gegen Bezahlung von Bestechungsgeldern ausgestellt worden sei, nicht Bedacht genommen habe. Allein aus dem "laut Punkt 2. der Niederschrift" festgehaltenen Datum der Ausstellung des Personalausweises mit 18. Dezember 1991 läßt sich die Unglaubwürdigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, daß er sich nach Verhaftung seines Bruders bis zu seiner Ausreise versteckt gehalten habe, nicht begründen.
Die belangte Behörde hat im übrigen zu den Angaben des Beschwerdeführers, daß sein Bruder im Mai 1990 verhaftet und in der Folge ebenfalls bis zu seiner Ausreise aus der Türkei weiter in Haft gewesen sei, nicht ausdrücklich Stellung genommen. Dieses Faktum wäre vor dem Hintergrund der Auslegung des Rechtsbegriffes der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung durch die nachstehende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen gewesen: Die Furcht vor Verfolgung ist danach wohlbegründet, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht im engsten Zusammenhang. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht. Die Verfolgung von Familienangehörigen kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht zur Begründung einer Verfolgungssituation herangezogen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0479, und vom 1. November 1997, Zl. 95/01/0490). Schicksale von Familienangehörigen sind zwar in der Regel nicht geeignet, die individuell einem Asylwerber drohende Verfolgung zu belegen; diese sind aber im Rahmen der Beurteilung der Gesamtsituation heranzuziehen. Im vorliegenden Fall kommt nun im Lichte dieses Gesetzesinhaltes der Verhaftung des Bruders des Beschwerdeführers deshalb maßgebliche Bedeutung zu, weil die beiden Brüder nach den Angaben des Beschwerdeführers gemeinsam bei der Verteilung von Propagandamaterial für die PKK betreten worden seien, wobei der Bruder des Beschwerdeführers verhaftet worden, dem Beschwerdeführer selbst jedoch die Flucht gelungen sei. Sollten die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der behaupteten Verhaftung und der nachfolgenden Anhaltung seines Bruders in der Dauer von nahezu zwei Jahren zutreffen, so kann diesen Angaben angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1987 wegen des Verdachtes der Tätigkeit für die PKK verhaftet und mißhandelt wurde, aufgrund des unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhanges dieser Verhaftung seines Bruders im Jahr 1990 und deren Folgen die Relevanz für die Furcht des Beschwerdeführers vor einer ihm selbst drohenden asylrelevanten Verfolgung nicht abgesprochen werden.
Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens stützt sich darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung lediglich die Einbringung von zwei Beschwerdeausfertigungen und einer Bescheidausfertigung erforderlich waren.
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