VwGH 95/01/0490

VwGH95/01/049011.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Bekim Kapitaj in Kapfenberg, geboren am 25. März 1974, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, Hauptstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 1995, Zl. 4.340.663/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 5. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. August 1992, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Nach der mit hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0419, wegen der rechtsirrigen Anwendung des Asylgesetzes 1991 ausgesprochenen Aufhebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 14. April 1994 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Juni 1995 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 15. Juni 1992 angegeben, er sei weder politischer noch religiöser Verfolgung ausgesetzt gewesen, doch habe ihm die Polizei, als sie sich bei ihm nach seinem als Asylwerber in der Schweiz lebenden Bruder erkundigt habe, den Vorwurf gemacht, nur albanisch und nicht serbokroatisch zu sprechen, und ihm deswegen mit Schlägen gedroht. Da sein Bruder bereits seit längerer Zeit in Österreich als Asylwerber lebe, hätten zwei seiner Onkel beschlossen, den Beschwerdeführer nach Österreich zu bringen. Der Beschwerdeführer wolle in Österreich bleiben und arbeiten.

In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er befinde sich in Österreich, weil er den Militärdienst noch nicht absolviert habe und in seinem Heimatland "Krieg" herrsche. Er werde auch nie eine Waffe gegen einen anderen Menschen, "egal wer es ist", richten. Es handle sich in seinem Fall um wohlbegründete Furcht.

Mit am 1. März 1995 zur Post gegebener Eingabe machte der Beschwerdeführer geltend, es bedürfe für ihn als Kosovo-Albaner keines weiteren Beweises, daß er im Fall der Rückkehr in sein Heimatland Verfolgung ausgesetzt wäre. Sein Bruder habe der "Liga für ein demokratisches Kosovo" angehört und habe deshalb flüchten müssen. Die Frau des Bruders sei von der Polizei derart geschlagen worden, daß sie nunmehr auf einem Auge blind sei. Der Beschwerdeführer habe seinen in Ablichtung der Eingabe angeschlossenen Einberufungsbefehl erhalten und sei, da er es ablehne, an diesem ungerechten Krieg teilzunehmen und unschuldige Menschen zu ermorden, im Fall seiner Rückkehr wegen der Wehrdienstverweigerung der Gefahr der sofortigen Hinrichtung ausgesetzt.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers zunächst damit begründet, daß die Androhung von Schlägen wegen der Verwendung der albanischen Sprache durch die Polizei keinen derart gravierenden Eingriff in seine Grundrechte darstelle, um daraus Verfolgung ableiten zu können. Damit befindet sich die belangte Behörde auf dem Boden der hg. Rechtsprechung, derzufolge gegen einen Asylwerber gerichtete Maßnahmen, um als Fluchtgrund im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gewertet werden zu können, eine solche Intensität erreichen müssen, daß der weitere Aufenthalt des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich erschiene (vgl. in diesem Zusammenhang z.B. die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0068, und vom 17. Oktober 1993, Zl. 92/01/1058). Die bloße Androhung von Schlägen im Zusammenhang mit der Verwendung einer bestimmten Sprache vermag für sich allein aber eine derartige Intensität nicht zu erreichen.

Hinsichtlich des erst in der Berufung ins Treffen geführten Militärdienstes führte die belangte Behörde aus, der vom Beschwerdeführer vorgelegte Einberufungsbefehl sei mit 21. April 1994 datiert und somit erst zweieinhalb Jahre nach seiner Ausreise ausgestellt worden. Von einer "Fluchtauslösung" könne daher nicht gesprochen werden, dies umso weniger, als der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise nicht einmal einer Musterung unterzogen worden sei. Weiters vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Einberufung zum Militärdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, aber auch die Furcht vor einer aus diesen Gründen drohenden Strafe nicht als asylbegründende Tatsachen angesehen werden könnten. Im Zusammenhang damit stellte die belangte Behörde die Praxis der jugoslawischen Militärbehörden bei der Einberufung dar und verwies darauf, daß weder bei der Einberufung noch bei der Strafverfolgung an ethnischen Kriterien anknüpfende Unterscheidungen getroffen würden. Auch sei die "ehemalige jugoslawische Bundesarmee" an Kriegshandlungen in Bosnien-Herzegowina nicht beteiligt, sondern habe die "Jugoslawische Föderation" Mitte des Jahres 1992 all ihre Truppenverbände aus diesem Gebiet abgezogen.

Der belangten Behörde ist zunächst insoweit beizupflichten, als die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber aus diesen Gründen eine - im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen - härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrunde lag, hat der Beschwerdeführer weder bei seiner Ersteinvernahme noch in seiner Berufung bzw. in seiner Berufungsergänzung Ausführungen, die auf das Vorliegen von in der - in der Berufung zunächst nur befürchteten und in der Berufungsergänzung konkret geltend gemachten - Aufforderung, sich zum Militärdienst zu melden, liegender Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden, gemacht und insbesondere aus seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht abgeleitet, er müsse wegen dieser Volkszugehörigkeit Verfolgung während der Ableistung des Militärdienstes befürchten. Auch in der Beschwerde betont er lediglich, daß er sich mit 17 Jahren der Musterung hätte stellen sollen und mit 18 Jahren zum Kriegseinsatz hätte einrücken müssen. Damit macht er aber keine Umstände geltend, die darauf hindeuten würden, daß die im angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates enthaltenen grundsätzlichen Überlegungen auf seinen Fall anwendbar sein könnten.

Der Beschwerdeführer hat sich nur insoweit gegen die Ausführungen der belangten Behörde über den Abzug der Jugoslawischen Bundesarmee gewendet, als er geltend gemacht hat, es habe bis 1995 mit Ausweitungen des Krieges gerechnet werden müssen. Damit vermag er aber die Feststellung der belangten Behörde über die im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht gegebene Beteiligung der Armee, zu der er hätte eingezogen werden sollen, an Kriegshandlungen in Bosnien-Herzegowina nicht zu entkräften. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht nachzuvollziehen, daß dem Beschwerdeführer ein Kriegseinsatz drohen würde.

Der belangten Behörde kann aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dem Beschwerdeführer sei es durch Anführung der gegen seinen Bruder und dessen Ehefrau gerichteten Verfolgungshandlungen nicht gelungen, gegen ihn persönlich gerichtete, konkrete Verfolgung glaubhaft zu machen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt erkannt hat, kann aus Maßnahmen, die sich gegen einen Angehörigen richten, für sich allein nicht auf die Verfolgung eines dieser Familie angehörenden Asylwerbers geschlossen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0479, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, er sei nur einmal behördlich einvernommen worden, ist ihm entgegenzuhalten, daß er nicht gehindert war, im Verwaltungsverfahren ergänzende Ausführungen auch schriftlich geltend zu machen. Von dieser Möglichkeit hat er sowohl in der Berufung als auch in der Berufungsergänzung Gebrauch gemacht. Wenn der Beschwerdeführer in weiterer Ausführung der Verfahrensrüge vorbringt, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihm entgegenzuhalten, daß aus § 13 a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803).

Aus der in der Beschwerde enthaltenen Darstellung der allgemeinen Verhältnisse im Kosovo ist - wenn diese auch unter Umständen eine verstärkte Ermittlungspflicht der Behörden auslösen können (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0067) - angesichts des keinen Hinweis auf eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen enthaltenden Vorbringens des Beschwerdeführers nichts für die Beschwerde zu gewinnen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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