VwGH 95/10/0083

VwGH95/10/008311.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in Wiener Neudorf, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Maria Hilferstraße 1d, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 29. März 1995, Zl. 11/57-2/1995, betreffend Beschlagnahme, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
LMG 1975 §17 Abs4;
LMG 1975 §18 Abs2;
LMG 1975 §40 Abs1 lita Z3;
LMG 1975 §40 Abs1;
LMG 1975 §65 Abs1;
LMG 1975 §74 Abs7;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51e Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
LMG 1975 §17 Abs4;
LMG 1975 §18 Abs2;
LMG 1975 §40 Abs1 lita Z3;
LMG 1975 §40 Abs1;
LMG 1975 §65 Abs1;
LMG 1975 §74 Abs7;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51e Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (der B-GmbH) gemäß § 39 VStG und § 40 Abs. 2 LMG die Beschlagnahme bestimmter Mengen von näher bezeichneten Waren angeordnet. Begründend wurde dargelegt, der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz habe mit Bescheiden vom 21. und 22. November 1994 das Inverkehrbringen von näher bezeichneten, von der P-GmbH als Verzehrprodukte angemeldeten Produkten, darunter den oben erwähnten, gemäß § 18 Abs. 2 LMG untersagt. Im Februar 1995 habe die P-GmbH erklärt, die A-GmbH habe die Produkte am 22. Februar 1995 "neu angemeldet", und eine Kopie der Anmeldung vorgelegt. Die daraufhin angestellten Erhebungen hätten folgendes ergeben: Produzent der von der P-GmbH angemeldeten und mit Bescheiden vom 21. und 22. November 1994 untersagten Produkte sei die A-GmbH. Diese Produkte seien von der P-GmbH in Verkehr gebracht worden. Produzent und Vertreiber der am 22. Februar 1995 angemeldeten Produkte sei die A-GmbH. 17 näher bezeichnete, am 22. Februar 1995 angemeldete Produkte, darunter die sieben den Gegenstand dieser Beschwerde bildenden, seien in Aufmachung und Zusammensetzung ident mit den von der P-GmbH angemeldeten und mit Bescheiden vom 21. und 22. November 1994 untersagten Produkten. Die Untersagungsbescheide seien gegenüber den am 22. Februar 1995 angemeldeten identen Produkten wirksam, weil ein bloßer Wechsel der anmeldenden Partei ohne Änderung der Sachlage vorliege. Die A-GmbH sei bei der Anmeldung am 22. Februar 1995 in Kenntnis der Untersagung gegenüber der P-GmbH gewesen, weil ihr Rechtsanwalt auch die P-GmbH vertrete und als Vertreter derselben gegen die an die P-GmbH gerichteten Untersagungsbescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe. Die Anmeldung der Produkte am 22. Februar 1995 bewirke somit im Hinblick auf die Identität der Produkte mit den schon zuvor untersagten nicht, daß das Inverkehrbringen bis zu einer allfälligen späteren Untersagung erlaubt sei. Die Anmeldung vom 22. Februar 1995 müsse als Versuch angesehen werden, die Rechtsfolgen der Untersagungsbescheide zu unterlaufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 18 Abs. 1 LMG ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (zum hier in Rede stehenden Zeitpunkt: für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) in Verkehr zu bringen.

Nach Abs. 2 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.

Es ist nicht strittig, daß in Ansehung der den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildenden Waren das Inverkehrbringen gemäß § 18 Abs. 2 LMG mit einem an die P-GmbH gerichteten Bescheid untersagt wurde.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die Beschlagnahme der oben angeführten Waren bei der Beschwerdeführerin.

Nach § 40 Abs. 1 lit. a Z. 3 LMG haben die Aufsichtsorgane Waren, die diesem Bundesgesetz unterliegen - erforderlichenfalls einschließlich der Behältnisse und Werbemittel - zu beschlagnahmen, wenn der begründete Verdacht besteht, daß sie trotz Untersagung nach § 17 Abs. 4 oder § 18 Abs. 2 in Verkehr gelangen.

Voraussetzung einer Beschlagnahme nach der zitierten Vorschrift ist somit der begründete Verdacht, daß (dem LMG unterliegende) Waren, deren Inverkehrbringen nach (§ 17 Abs. 4 oder) § 18 Abs. 2 LMG untersagt wurde, in Verkehr gelangen.

Die Auffassung der Beschwerde, die Voraussetzung der Beschlagnahme "trotz Untersagung nach § 18 Abs. 2" sei nur gegeben, wenn sich die bescheidmäßige Untersagung gegen jenen richte, bei dem die Beschlagnahme erfolge, ist nicht zu teilen. Der Wortlaut des Gesetzes knüpft an die "Untersagung" an; mangels einer Anordnung, wonach die Beschlagnahme die Identität des Adressaten des Untersagungsbescheides mit dem von der Beschlagnahme Betroffenen bzw. dem Adressaten des Beschlagnahmebescheides voraussetze, kann die Untersagung nach § 18 Abs. 2 LMG als objektive Voraussetzung der Beschlagnahme verstanden werden. Für ein solches Verständnis spricht auch der offenkundige Zweck der Vorschrift, Waren, die den Vorschriften des Lebensmittelgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entsprechen, vom Inverkehrbringen als Verzehrprodukt auszuschließen (vgl. - zu § 40 Abs. 1 allgemein - Brustbauer/Jesionek/Petuely/Wrabetz, LMG, 195). Soweit § 40 Abs. 1 LMG an die Untersagung nach § 18 Abs. 2 anknüpft, ist somit davon auszugehen, daß die erstzitierte Vorschrift nach der Absicht des Gesetzgebers die Grundlage dafür bildet, im Interesse des Gesundheitsschutzes und des Schutzes der Verbraucher vor Irreführung dagegen vorzukehren, daß Waren, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukt nach § 18 Abs. 2 LMG untersagt wurde, ungeachtet des Vorliegens der Untersagungsgründe zum Verbraucher gelangen. Davon ausgehend ist die Beschlagnahme nicht davon abhängig zu machen, auf welcher Stufe des Inverkehrbringens sich die in Rede stehenden Waren befinden. Für dieses Verständnis spricht auch die (gemäß § 74 Abs. 7 LMG im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen sinngemäß anzuwendende) Vorschrift des § 65 Abs. 1 LMG, wonach die den Gegenstand der mit Strafe bedrohten Handlung bildenden Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe, kosmetischen Mittel, Gebrauchsgegenstände oder sonstigen Mittel oder Stoffe ohne Rücksicht darauf, wem sie gehören, einzuziehen sind. Die Einziehungsanordnung stellt somit nicht auf eine bestimmte Eigenschaft des Betroffenen - etwa als Täter einer strafbaren Handlung - ab. Soweit in der Beschwerde in anderem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, § 65 Abs. 1 LMG sehe den Verfall nur bei gerichtlich strafbaren Handlungen vor, wird offenbar die Anordnung der sinngemäßen Anwendung von § 65 im Verwaltungsstrafverfahren in § 74 Abs. 7 LMG übersehen.

Der Umstand, daß das Gesetz eine ausdrückliche Anordnung der Einziehung von Gegenständen ohne Rücksicht auf Eigenschaften des Inhabers enthält, gebietet ein Verständnis der eine Sicherungsmaßnahme betreffenden Regelung des § 40 Abs. 1 LMG in der Richtung, daß auch die Anordnung der Beschlagnahme nicht die Eigenschaft des Inhabers der Waren als Adressat des Untersagungsbescheides nach § 18 Abs. 2 LMG voraussetze.

An diesem Ergebnis vermag der Hinweis auf die persönlichen Grenzen der Rechtskraft eines nach § 18 Abs. 2 LMG erlassenen Untersagungsbescheides nichts zu ändern, weil § 40 Abs. 1 LMG - wie dargelegt - nicht nur gegenüber dem Adressaten des Untersagungsbescheides zur Beschlagnahme ermächtigt.

Die Beschwerde ist auch mit ihrer Auffassung nicht im Recht, daß eine "neuerliche" Anmeldung von Waren, deren Inverkehrbringen nach § 18 Abs. 2 LMG mit rechtskräftigem Bescheid untersagt wurde, durch einen vom Adressaten des Untersagungsbescheides sowie der Beschlagnahmeanordnung verschiedenen Dritten einer Anordnung nach § 40 Abs. 1 LMG entgegenstehe. Die zitierte Vorschrift knüpft nach dem Gesagten an das objektive Merkmal der Untersagung an, dessen Verwirklichung im vorliegenden Fall nicht strittig ist; die neuerliche Anmeldung der in Rede stehenden Produkte durch einen Dritten ändert daran nichts. Im übrigen wird nicht behauptet, daß die seinerzeit gegebenen Untersagungsgründe in Ansehung der beschlagnahmten Waren nicht (mehr) vorlägen.

Auch die Auffassung der Beschwerde, einer Beschlagnahme stehe der Umstand entgegen, daß die Waren infolge Feilhalten im Geschäft der Beschwerdeführerin längst in Verkehr gewesen seien, "denn wo etwas ist, dorthin kann es nicht mehr gelangen", (ähnlich offenbar Barfuß u.a., LebensmittelR2, Komm. zu § 40, 9) wird ebenfalls nicht geteilt. § 18 Abs. 2 LMG dient insbesondere dem Schutz der Gesundheit und dem Schutz der Verbraucher vor Irreführung; § 40 Abs. 1 LMG ist im Zusammenhang mit § 18 Abs. 2 leg. cit. als Mittel anzusehen, mit dem im Sinne der erwähnten Schutzinteressen Vorkehrungen dagegen getroffen werden sollen, daß den Vorschriften des LMG nicht entsprechende Waren zum Verbraucher gelangen. Es wäre diesem Zweck der Vorschrift somit geradezu entgegengesetzt, ihren Anwendungsbereich auf jene Waren zu beschränken, von denen lediglich zu "befürchten" ist, daß sie in Verkehr gelangen könnten, und die Beschlagnahmemöglichkeit der Behörde mit der ersten Stufe des Inverkehrbringens enden zu lassen. Der Wortlaut der Vorschrift - auch die Verwendung der Worte "in Verkehr gelangen" in der Gegenwartsform - zwingt nicht zu der der Beschwerde vorschwebenden Auslegung; die am Zweck der Vorschrift orientierte Interpretation führt zum Ergebnis, daß die Beschlagnahme auch dann zulässig ist, wenn die Waren bereits in Verkehr gebracht wurden.

Die belangte Behörde konnte ihren Bescheid somit auf § 40 Abs. 1 LMG stützen; ob daneben auch die Voraussetzungen nach § 39 Abs. 1 VStG vorliegen, mußte nicht geprüft werden.

Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde.

Nach der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Vorschrift des § 51e Abs. 2 VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 ist, wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

Die Beschwerde macht geltend, diese Voraussetzungen des Absehens von einer mündlichen Verhandlung lägen nicht vor. Die Berufung gründe sich auf die Tatsache, daß vor der Beschlagnahme der Hersteller die Produkte ordnungsgemäß angemeldet habe; ferner "war nicht der Fall, daß keine Verhandlung beantragt" worden wäre.

In der Berufung wurde vorgebracht, die "bescheidgegenständlichen Verzehrprodukte seien vom Hersteller am 22.2.1995 angemeldet und seither nicht untersagt" worden; sie seien daher von der Beschwerdeführerin am 23.2.1995 gesetzmäßig (§ 18 Abs. 1 LMG) in Verkehr gebracht worden. Aus diesem Grund sei die Beschlagnahme gesetzwidrig.

Sollte in der oben wiedergegebenen Formulierung, wonach es "nicht der Fall gewesen" wäre, daß "keine Verhandlung beantragt" worden sei, die Behauptung liegen, es sei im Sinne des letzten Halbsatzes von § 51e Abs. 2 VStG eine Verhandlung "ausdrücklich verlangt" worden, so wäre diese Behauptung aktenwidrig. Nach Ausweis des dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Berufungsschriftsatzes wurde eine Verhandlung nicht beantragt.

Es lag aber auch kein Fall vor, in dem die Berufung der Klärung bedürftige Fragen des Sachverhaltes aufgeworfen hätte; denn die Entscheidung hängt nach dem oben Gesagten nicht davon ab, ob - was im übrigen unstrittig ist - der Hersteller am 22. Februar 1995 die in Rede stehenden Waren als Verzehrprodukt angemeldet hat. Sind im Berufungsverfahren Fragen des Sachverhaltes, die für die Entscheidung wesentlich sind, nicht zu klären, sondern hängt die Entscheidung - wie hier - nur von Rechtsfragen ab, so kann die mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG unterbleiben, wenn ihre Anberaumung nicht ausdrücklich beantragt wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0104). Im übrigen trägt auch die Beschwerde nicht vor, zu welchen vom angefochtenen Bescheid abweichenden Annahmen die belangte Behörde hätte gelangen können, wenn sie - auch ohne entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin - eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt hätte. Die Feststellung des von der Beschwerdeführerin behaupteten tatsächlichen Umstandes (Anmeldung durch die A-GmbH am 22. Februar 1995) ist im übrigen in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthalten.

Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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