VwGH 97/09/0131

VwGH97/09/01311.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde

  1. 1) der Bäckerei Mangold Gesellschaft m.b.H. in Lochau und
  2. 2) des Mehmet Keser in Hard, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 20. März 1997, Zl. LGSV/3/13113/13117/1997 ABB 1667184 ABA 764008, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und Feststellung nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei, zu Recht erkannt:

Normen

11992E177 EGV Art177;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §2 Abs3;
AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs2;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
SchPflG 1985 §3;
SchPflG 1985 §5 Abs1 Z3;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §36a;
11992E177 EGV Art177;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §2 Abs3;
AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AuslBG §1 Abs3;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs2;
AuslBG §4 Abs3 Z7;
EURallg;
SchPflG 1985 §3;
SchPflG 1985 §5 Abs1 Z3;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §36a;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der zweitbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin, ein Backwaren-Erzeugungsbetrieb (mit einem Beschäftigtenstand von 46 inländischen und 13 ausländischen Arbeitern sowie 3 Angestellten), stellte am 27. Jänner 1997 beim Arbeitsmarktservice Bregenz den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen Mehmet Keser (Zweitbeschwerdeführer) als Bäckerlehrling. Die monatliche Entlohnung sollte S 4.260,-- betragen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz vom 6. Februar 1997 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG abgelehnt.

Dagegen erhob die erstbeschwerdeführende Partei Berufung. Sie stellte den Antrag, in Stattgebung ihres Rechtsmittels die beantragte Beschäftigungsbewilligung zu erteilen. Der Zweitbeschwerdeführer stellte in demselben Schriftsatz ausschließlich den Antrag "festzustellen, daß er nach Art. 7 Abs. 1 erster Fall und nach Art. 7 Abs. 2 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 in Österreich assoziationsintegriert und damit arbeitsmarktzugangs- und aufenthaltsberechtigt ist". Zur Begründung der Anträge der Beschwerdeführer wurde - abgesehen von der an der gebrauchten Bezeichnung der Erstbeschwerdeführerin geübten Kritik - vorgebracht, der Zweitbeschwerdeführer sei im Dezember 1992 "als Kind beschäftigungs- und aufenthaltsberechtigter türkischer Arbeitnehmer im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen". Dieser (der Zweitbeschwerdeführer) habe "in Österreich eine Schulausbildung absolviert". Ein nach dem Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 arbeitsmarktzugangsberechtigtes Gastarbeiterkind der zweiten Generation sei auch aufenthaltsberechtigt. Als zweiten Anspruchstatbestand sehe der genannte Art. 7 "den Abschluß der Schulausbildung im jeweiligen Land" vor. Auch nach dieser Bestimmung sei der beantragte türkische Arbeitnehmer arbeitsmarktzugangsberechtigt und (im Sinne des Urteils Eroglu) aufenthaltsberechtigt. Der im erstinstanzlichen Bescheid herangezogene Versagungsgrund bestehe daher nicht zu Recht. Dieser Berufung waren das für den Zweitbeschwerdeführer vom Polytechnischen Lehrgang Bregenz ausgestellte Jahreszeugnis für das Schuljahr 1993/94 und die Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 1992/93 sowie die Ablichtung eines Teiles eines Beschlusses des Landesgerichtes Feldkirch vom 22. November 1993 über die Bewilligung einer die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Firmenbucheintragung als Beilagen angeschlossen.

Mit Schreiben vom 28. Februar 1997 ("Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens") hielt die Berufungsbehörde der Erstbeschwerdeführerin als der Berufungswerberin vor, daß nach den amtswegigen Erhebungen der Zweitbeschwerdeführer noch nie im Besitz eines Sichtvermerkes oder einer Aufenthaltsbewilligung (nach dem Aufenthaltsgesetz) gewesen sei, sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei im Herbst 1996 von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz abgelehnt worden. Eine Berechtigung zum Aufenthalt nach Art. 7 des in der Berufung genannten Assoziationsratsbeschlusses sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Nach den amtlich durchgeführten Erhebungen habe der Zweitbeschwerdeführer nicht die Genehmigung erhalten, zu seiner Familie zu ziehen. Der Zweitbeschwerdeführer habe nach den vorgelegten Unterlagen vom 14. Dezember 1992 bis 8. Juli 1994 den Polytechnischen Lehrgang in Bregenz besucht. Dieser Schulbesuch könne aber nicht als abgeschlossene Berufsausbildung gewertet werden.

Mit Eingabe vom 12. März 1997 nahmen die beschwerdeführenden Parteien zu diesem Vorhalt der Berufungsbehörde Stellung. Sie stellten außer Streit, daß der Zweitbeschwerdeführer nicht über eine "förmliche Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz" verfüge. Der Zweitbeschwerdeführer lebe seit mehr als vier Jahren in Österreich und "hat hier seine Schulausbildung abgeschlossen". Nach Darlegungen über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes wurde vorgebracht, es sei daher davon auszugehen, daß der Zweitbeschwerdeführer familiennachzugsberechtigt und nach Art. 7 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 in Österreich arbeitsmarktzugangsberechtigt sei, zumal es nicht zutreffe, daß über die assoziationsrechtliche Aufenthaltsberechtigung des Zweitbeschwerdeführers bereits entschieden worden sei. Warum ein gültiger Schulabschluß in Österreich keine abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne des Art. 7 letzter Fall ARB Nr. 1/80 darstellen sollte, sei aufklärungsbedürftig. Tatsächlich gebe dieser Schulabschluß dem Zweitbeschwerdeführer das Recht "auf Eintritt in einen Lehrvertrag, der gerade Gegenstand des Verfahrens ist".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. März 1997 wurde unter dem Spruchpunkt 1. der Berufung der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich der Bezeichnung des Arbeitgebers berichtigt sowie unter dem Spruchpunkt 2. dem Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf bescheidmäßige Feststellung nicht stattgegeben.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsverfahrens und der maßgebenden Rechtslage im wesentlichen - soweit für die Behandlung der Beschwerde relevant - aus, der Zweitbeschwerdeführer verfüge über keine förmliche (durch einen behördlichen Akt erteilte) Aufenthaltsberechtigung. Es stehe auch fest, daß der Zweitbeschwerdeführer keine durch einen behördlichen Akt bewilligte Genehmigung zum Nachzug nach Österreich erhalten habe. Aus der österreichischen Rechtsordnung (nämlich dem Aufenthaltsgesetz) ergebe sich aber, daß Fremde zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine "besondere Bewilligung brauchen". Unbestritten geblieben sei, daß der Zweitbeschwerdeführer in der Zeit vom 14. Dezember 1992 bis 8. Juli 1994 den Polytechnischen Lehrgang in Bregenz besucht habe. Mit diesem Schulbesuch sei jedoch keine abgeschlossene Berufsausbildung gegeben gewesen. Unter einer "abgeschlossenen Berufsausbildung" sei ein allgemeiner Pflichtschulbesuch nicht zu verstehen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten somit die Voraussetzungen nach dem Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 wesentlich verkannt. Das Vorbringen, daß bislang über den abschlägigen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz im Sinne einer assoziationsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung nicht entschieden worden sei, könne an den fehlenden Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nichts ändern. Dem Feststellungsbegehren des Zweitbeschwerdeführers sei nicht stattzugeben gewesen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in den Rechten auf "Erteilung der Beschäftigungsbewilligung, Feststellung der Assoziationsintegration, ordnungsgemäßen Bescheidbegründung, Anerkennung der assoziationsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung, Anerkennung der assoziationsrechtlichen Berufsausbildung und aktenkonformen Entscheidung" verletzt. Sie beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf Erstattung einer Gegenschrift (ein Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz wurde nicht gestellt).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Ausführung der behaupteten Rechtsverletzungen bringen die Beschwerdeführer (soweit auf den vorliegenden Beschwerdefall eingegangen wird) vor, der Zweitbeschwerdeführer sei "der Sohn türkischer Eltern, die in Österreich assoziationsintegriert sind". Im angefochtenen Bescheid werde nicht festgestellt, wann und mit welchem Recht der Zweitbeschwerdeführer nach Österreich eingereist sei; der Zweitbeschwerdeführer halte sich bald fünf Jahre mit Wissen der Behörden in Österreich auf. Als Feststellungsmangel werde bekämpft, daß weder die Umstände der Einreise noch die Aufenthaltszeiten in Österreich noch der schulische Werdegang des Zweitbeschwerdeführers in Österreich festgestellt worden seien. Aus der Arbeitsmarktzugangsberechtigung ergebe sich auch die Aufenthaltsberechtigung. Demnach stelle sich hinsichtlich beider Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides die Frage nach der Arbeitsmarktzugangsberechtigung des Zweitbeschwerdeführers. Nach ausführlicher (rechtstheoretischer) Darlegung europarechtlicher Rechtsfragen wird in der Beschwerde schließlich angeregt, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Frage, ob sich aus den im einzelnen in der Beschwerde genannten Rechtsakten "ein europarechtlicher Anspruch auf Familiennachzug ergibt" und "wenn ja, in welchem Umfang?" zur Vorabentscheidung vorzulegen. Grundsätzlich habe jeder assoziationsintegrierte Arbeitnehmer, "wie die Eltern des Beschwerdeführers", einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung. Dem Zweitbeschwerdeführer sei bislang keine konstitutive, auf innerstaatliches Recht gegründete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden; er sei seit mehr als vier Jahren in österreich wohnhaft und hier unbeanstandet zur Schule gegangen "bis er ausgeschult wurde". Der Zweitbeschwerdeführer, der die Schule hier absolviert habe, sei mit "Genehmigung im Sinne des Assoziationsratsbeschlusses in Österreich aufhältig". Der Begriff der "Berufsausbildung" sei in der europäischen Rechtsprechung autonom. Es wäre teleologisch zu untersuchen, warum ein Pflichtschulabschluß, der zu einem Lehrantritt berechtige, keine "Berufsausbildung" sein sollte. Die belangte Behörde habe in dieser Hinsicht mit ihrer wörtlichen statt zweck-zielorientierten Interpretation den falschen Weg gewählt. Zusammenfassend wurde ausgeführt, der "Berufungswerber verfügt auf Grund seines mehr als vierjährigen Aufenthalts und Schulbesuchs in Österreich über die Genehmigung zum Aufenthalt im Sinne des Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 und zudem über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die ihn zu einem Lehrantritt berechtigt".

1. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin zum Erfolg zu führen.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung sind im vorliegenden Fall die hier relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen des AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997 anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. regelt dieses Bundesgesetz die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

Nach § 1 Abs. 3 leg. cit. werden zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Beschäftigung von Ausländern durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht berührt.

Zufolge § 2 Abs. 2 leg. cit. gilt die Verwendung unter anderem c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeit nach § 3 Abs. 5 als Beschäftigung.

Die Beschäftigungsbewilligung für einen Lehrling ist gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zuläßt und wichtige Gründe bezüglich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes nicht entgegenstehen.

Die Beschäftigungsbewilligung darf zufolge § 4 Abs. 3 leg. cit. weiters nur erteilt werden, wenn ...

7. der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, ausgenommen im Fall des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Bestimmung des § 4 Abs. 2 AuslBG bereits dargetan hat, handelt es sich bei dieser um eine lex specialis für Lehrlinge, die für diese an die Stelle der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG tritt. Die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG ("Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen") und die aus der Sicht des Beschwerdefalles relevante Bestimmung des § 4 Abs. 3 AuslBG bleiben vom Spezialtatbestand des § 4 Abs. 2 unberührt und gelten auch für Lehrlinge (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0230, und die darin angegebene Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführer vertreten den Standpunkt, daß die beantragte Erteilung der Beschäftigungsbewilligung deshalb nicht hätte versagt werden dürfen, weil der Zweitbeschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 erfülle.

Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation lautet:

"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in den betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war."

Zur Auslegung dieses Assoziierungsabkommens (mit der Türkei) ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) davon auszugehen, daß türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen des Art. 7 erfüllen, die Rechte, die ihnen diese Vorschrift verleiht, in den Mitgliedstaaten unmittelbar beanspruchen können. Diese türkischen Staatsangehörigen genießen jedoch keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft (EU), sondern sie besitzen nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem sie, wenn es sich um Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers handelt, die Genehmigung erhalten haben, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, und während des in Art. 7 Satz 1 erster und zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Zeitraumes ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hatten. Art. 7 Satz 1 des genannten Beschlusses berührt nicht die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaates, den Familienangehörigen die Genehmigung zu erteilen, zu dem in diesem Staat ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, sowie Vorschriften über ihren Aufenthalt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Recht haben, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, zu erlassen und es ihnen gegebenenfalls zu gestatten, unter den von ihm festgelegten Voraussetzungen vor Ablauf des im vorgesehenen ersten Zeitraums von drei Jahren eine Beschäftigung auszuüben. Die Familienangehörigen eines bereits dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers können nach dieser Vorschrift zunächst die Genehmigung erhalten, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, um zum Zwecke der Familienzusammenführung in diesem Staat ihren Wohnsitz zu begründen. Zur Förderung einer dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat gewährt diese Vorschrift den Familienangehörigen überdies nach einer bestimmten Zeit das Recht, in diesem Staat eine Beschäftigung auszuüben. In Anbetracht ihres Regelungszweckes kann diese Vorschrift daher nicht so ausgelegt werden, daß sie nur verlangt, daß der Aufnahmemitgliedstaat den Familienangehörigen die Genehmigung zur Einreise erteilt, um zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne daß der Angehörige in diesem Staat weiterhin tatsächlich mit dem Wanderarbeitnehmer zusammenzuwohnen brauchte, solange er nicht selbst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Die Rechte im Bereich der Beschäftigung der Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers regelt Art. 7 Satz 1 ausschließlich nach Maßgabe der Dauer ihres Wohnsitzes im Aufnahmemitgliedstaat. Dafür heißt es in Art. 7 Satz 1 ausdrücklich, daß der Familienangehörige von dem betreffenden Mitgliedstaat die Genehmigung erhalten haben muß, dort "dem türkischen Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt dieses Staates angehört, "zu ziehen", während Art. 6 die Zuerkennung der Rechte, die er dem Arbeitnehmer verleiht, nicht von den Voraussetzungen abhängig macht, unter denen das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt worden ist. In einem Fall, in dem sich der türkische Staatsangehörige nur auf seine Stellung als Familienangehöriger eines Wanderarbeitnehmers (im Sinne von Art. 7 Satz 1) stützen kann, weil er selbst nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehenen Rechte erfüllt, verlangt die praktische Wirksamkeit des Art. 7, daß sich die Familienzusammenführung, die der Grund für die Einreise des Betroffenen in den fraglichen Mitgliedstaat war, während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert. Daraus folgt, daß es den Behörden eines Mitgliedstaates nach dem Beschluß Nr. 1/80 nicht grundsätzlich verwehrt ist, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines Familienangehörigen, dem die Genehmigung erteilt worden ist, in diesem Mitgliedsstaat im Rahmen der Familienzusammenführung zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß der Betroffene während des in Art. 7 Satz 1 dieses Beschlusses vorgesehenen Zeitraumes von drei Jahren tatsächlich eine Lebensgemeinschaft mit diesem Arbeitnehmer führt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn objektive Gegebenheiten es rechtfertigten, daß der Wanderarbeitnehmer und sein Familienangehöriger im Aufnahmemitgliedstaat nicht zusammenleben. Was die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat angeht, so bleiben die Mitgliedstaaten befugt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Familienangehörige in das Hoheitsgebiet einreisen und sich dort bis zu dem Zeitpunkt aufhalten kann, zu dem er das Recht hat, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben; gleichwohl stehen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein bestimmtes Verwaltungsdokument wie eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (siehe zu diesen Ausführungen) EuGH 17. April 1997, Rs C-351/95 Kadiman; betreffend den Fall von Ehegatten).

In gleicher Weise wie zu der Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist davon auszugehen, daß das in Art. 7 dieses Beschlusses anerkannte Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, notwendigerweise die (implizite) Anerkennung eines Aufenthaltsrechtes des Bewerbers beinhaltet. Das Recht der Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, hängt - anders als bei den Familienangehörigen im Sinne von Art. 7 Satz 1 - nicht davon ab, aus welchem Grund ihnen die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung ursprünglich erteilt wurde. Daß diese Genehmigung nicht zum Zweck der Familienzusammenführung erteilt wurde, vermag das Kind (zum Unterschied von einem Familienangehörigen im Sinne des Art. 7 Satz 1) eines türkischen Arbeitnehmers, das die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 2 erfüllt, nicht von den Rechten auszuschließen, die diese Bestimmung verleiht (EuGH 5. Oktober 1994, Rs C-355/93 Eroglu).

Die Feststellung und die Würdigung des Sachverhaltes in einem konkreten Einzelfall ist keine vom EuGH zu lösende Rechtsfrage, sondern ist Sache der Gerichte bzw. Behörden des jeweiligen Ausgangsverfahrens (EuGH 23. Jänner 1997, Rs C-171/95 Tetik, und 17. April 1997, Rs C-351/95 Kadiman).

Zum Begriff der "Berufsausbildung" geht der EUGH davon aus, daß "jede Form der Ausbildung, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleiht, zur Berufsausbildung gehört, und zwar unabhängig vom Alter und vom Ausbildungsniveau der Schüler oder Studenten und selbst dann, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthält" (vgl. das bei R. Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Staatsangehöriger, Seite 116 zitierte Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache Gravier, Slg. 1985, 593).

Die Erstbeschwerdeführerin hat in Ansehung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 kein geeignetes und schlüssiges Sachvorbringen erstattet (bzw. insoweit im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend mitgewirkt). Zu diesen Voraussetzungen hätte sie vorbringen (und bescheinigen) müssen, daß der Zweitbeschwerdeführer im Aufnahmeland - also in Österreich - eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Die Erstbeschwerdeführerin hat insoweit trotz Vorhalt der belangten Behörde nicht vorgebracht, daß bzw. welche Berufsausbildung der Zweitbeschwerdeführer in Österreich abgeschlossen hat. Daß der Zweitbeschwerdeführer in Erfüllung seiner allgemeinen Schulpflicht im 9. Schuljahr einen Polytechnischen Lehrgang besuchte (vgl. hiezu die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Z. 3 Schulpflichtgesetz 1985), ergibt sich unmißverständlich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und den im Verwaltungsverfahren dazu vorgelegten Unterlagen. Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß die allgemeine Schulpflicht in Österreich neun Jahre dauert (vgl. § 3 Schulpflichtgesetz) und - unabhängig von der Staatsangehörigkeit - für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht (vgl. § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz).

Bei der demnach gegebenen Sach- und Rechtslage braucht nicht weiter (rechtstheoretisch) untersucht zu werden, auf Grund welches im Beschwerdefall jedenfalls nicht vorliegenden Sachverhaltes eine "in Österreich abgeschlossene Berufsausbildung" vorliegen würde, da der Besuch eines Polytechnischen Lehrganges keine abgeschlossene Berufsausbildung in Österreich darstellt bzw. vermittelt. Die "Berufsausbildung" des Kindes türkischer Arbeitnehmer ist nach dem klaren Wortlaut des Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 auch nicht ohne Bedachtnahme auf das jeweilige Aufnahmeland zu beurteilen, sondern die tatbestandlichen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung erfordern eine im Aufnahmeland abgeschlossene Berufsausbildung. Damit sind (auch) berufliche Ausbildungsvorschriften bzw. die für eine konkrete Berufsausbildung bestehende Ausbildungswege in dem konkret in Frage kommenden Aufnahmeland (hier: Österreich) für die Beurteilung, ob eine bestimmte Berufsausbildung in diesem Aufnahmeland abgeschlossen wurde oder nicht, grundsätzlich erheblich. Daß bzw. konkret welche der in Österreich bestehende Ausbildungsvorschriften bzw. Bedingungen dazu führen, daß die aus Art. 7 Satz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 sich ergebenden Rechte der Kinder türkischer Arbeitnehmer wirkungslos gemacht würden oder mit dem Regelungszweck dieser Bestimmung nicht vereinbar wären, ist vor dem sachlichen Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles nicht zu erkennen und wird auch von der Erstbeschwerdeführerin nicht dargelegt.

Die Erstbeschwerdeführerin behauptet nicht, daß der Zweitbeschwerdeführer eine Genehmigung im Sinne des Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 erhalten habe. Insofern die Erstbeschwerdeführerin meint, der Zweitbeschwerdeführer benötige keine derartige "Genehmigung", weil ein europarechtlicher Anspruch auf "Familiennachzug" bestehe, verkennt sie die Rechtslage. Der in Rede stehende Beschluß Nr. 1/80 regelt nicht den Familiennachzug, sondern nur die beschäftigungsrechtliche Stellung der Familienangehörigen, die aufgrund anderer Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaaten die Genehmigung erhalten haben, zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen. Das hat auch der EuGH bereits ausgesprochen (vgl. in dieser Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0641, und die darin angegebene weiterführende Judikatur). Daran hat auch die Entscheidung des EuGH im Fall Tetik nichts geändert (in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/21/0758).

Es war aus den dargelegten Erwägungen nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde ausgehend von dem Sachvorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu dem Ergebnis gelangte, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 (Satz 1 und Satz 2) des Beschlusses Nr. 1/80 nicht vorliegen.

Die Anregung der Erstbeschwerdeführerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war im Hinblick auf die dargelegte (bereits vorliegende) Rechtsprechung des EuGH aber auch unter Bedachtnahme darauf nicht aufzugreifen, daß keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage dargelegt wurde, um überhaupt in eine Beurteilung der vorgebrachten (europarechtlichen) Rechtsfragen eintreten zu können.

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers erweist sich aufgrund folgender verfahrensrechtlicher Situation wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde hinsichtlich der Entscheidung über den Feststellungsantrag im Ergebnis als berechtigt:

Die bei der Behörde erster Instanz (regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz) eingelangte Berufung wurde nach dem (unmißverständlichen) Wortlaut dieses Schriftsatzes ausschließlich von der Erstbeschwerdeführerin als Berufungswerberin erhoben. Der (als Antragsteller bezeichnete) Zweitbeschwerdeführer hat keine Berufung erhoben. Der in dem genannten Schriftsatz ausschließlich vom Zweitbeschwerdeführer gestellte Feststellungsantrag ist nicht dem Berufungsverfahren zuzuordnen, sondern richtete sich an die Behörde erster Instanz.

Solcherart hätte aber über diesen mit der Berufung der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten) Feststellungsantrag des Zweitbeschwerdeführers die belangte Behörde nicht bescheidmäßig absprechen dürfen, sondern sie hätte diesen Antrag an die dafür zuständige Behörde erster Instanz gemäß § 6 Abs. 1 AVG weiterleiten müssen. Daran vermag auch der Hinweis der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auf das eine andere verfahrensrechtliche Situation betreffende hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, nichts zu ändern. Ein unzulässiger Teilabspruch der Behörde erster Instanz über einen alternativ gestellten Antrag lag der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht vor, sodaß der vorliegend vom Zweitbeschwerdeführer erstmals gemeinsam mit der Berufung der Erstbeschwerdeführerin gestellte Feststellungsantrag auch nicht "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war.

Die im Umfang des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Bescheides demnach gegebene Unzuständigkeit der belangten Behörde ist vom Verwaltungsgerichtshof, auch wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden ist, von Amts wegen aufzugreifen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG sowie das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0048, und die darin angegebene hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid wurde somit im Umfang seines Spruchpunktes 2. von einer unzuständigen Behörde erlassen. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz der zweitbeschwerdeführenden Partei beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Damit erübrigt sich eine Behandlung des mit der Beschwerde verbundenen Begehrens um Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz. Die Beschwerdeführer werden mit ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung/Verfügung auf diese Entscheidung verwiesen.

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