VwGH 97/06/0181

VwGH97/06/018118.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schrefler-König, über die Beschwerde der F KG in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Juli 1997, Zl. Ve1-551-615/1-6 v.A., betreffend Auflagen in einem Baubewilligungsbescheid, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §43;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §29 Abs1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §43;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §29 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung einer Bau- und Betriebsanlagenbewilligung für eine gewerberechtliche Anlage beantragt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt II die Baubewilligung erteilt. Gleichzeitig wurden ihr insgesamt 15 Auflagen vorgeschrieben. Gegen einige dieser Auflagen hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, die mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Jänner 1997 abgewiesen wurde. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Juni 1997, Zlen. 97/06/0055, AW 97/06/0007, den Bescheid der belangten Behörde vom 10. Jänner 1997 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Begründet wurde die Aufhebung damit, daß die Vorschreibung bestimmter (im Erkenntnis detailliert aufgelisteter) Auflagen deshalb nicht erforderlich sei, weil es sich um eine Wiederholung der Regelungen der technischen Bauvorschriften bzw. der Bauordnung handelte. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß sachverhaltsbezogen eine Beschwer der Einschreiterin nicht erkennbar sei, wenn die verba legalia in Form einer Auflage wiederholt würden. Zu anderen Auflagen wurde ausgeführt, daß sie nicht ausreichend präzise seien. Zu den Auflagen Bb 11 und Bb 14 führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß im Falle des Nichtvorliegens der im Gesetz geforderten diesbezüglichen Voraussetzungen die Behörde entweder die Baubewilligung zu versagen oder eine konkrete Projektsänderung vorschreiben hätte müssen, daß aber das Vorliegen dieser Voraussetzungen von der Behörde jedenfalls zu überprüfen sei. Zu weiteren Auflagen führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß ihre Vorschreibung einer gesetzlichen Grundlage entbehre.

Ohne weitere Erhebungen durchzuführen, hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 1997 der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft verwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, wie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 1997 zu entnehmen sei, sei das Verfahren in mehrfacher Hinsicht ergänzungsbedürftig. Es ergebe sich aus der Aktenlage, daß ein elektrotechnisches Gutachten einzuholen sei bzw. das elektrotechnische Gutachten ergänzungsbedürftig sei. Weiters fehle ein verkehrstechnisches Gutachten betreffend die Zufahrt zu Garagen und Parkplätzen. Der erstinstanzliche Bescheid enthalte auch keine Aussagen hinsichtlich der Abwasserentsorgung bzw. Trinkwasserversorgung. Es seien keine Aussagen hinsichtlich der Notwendigkeit der Lüftung der innenliegenden Räume über das Dach vorhanden. Es sei daher ein lüftungstechnisches Gutachten einzuholen. Das Verfahren hinsichtlich der Aussage eines Rauchfangkehrermeisters sei ergänzungsbedürftig.

Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß mehrere Gutachten für das weitere Verfahren einzuholen seien, die aus Gründen der Verfahrensökonomie wohl nur im Zuge einer mündlichen Verhandlung ausreichend erstattet werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides im fortgesetzten Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg.Nr. 8091/A, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 91/05/0241). Dasselbe gilt für den tragenden Aufhebungsgrund eines Berufungsbescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 549, unter E 29 zitierte hg. Judikatur). Die Bindung erstreckt sich im fortgesetzten Verfahren auf die den Bescheid aufhebende Behörde selbst, die nachgeordnete Behörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes.

Die belangte Behörde hat als Berufungsbehörde die Aufhebung darauf gestützt, daß das Verfahren ergänzungsbedürftig sei und ausgeführt, welche Gutachten im einzelnen einzuholen seien. Zutreffend wird in der Beschwerde gerügt, daß damit die Bezirkshauptmannschaft gehalten wäre, die im Berufungsbescheid angeführten Gutachten jedenfalls einzuholen.

Aus welchen Gründen im Beschwerdefall jedenfalls ein elektrotechnisches Gutachten einzuholen ist, kann der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig entnommen werden. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof auch nicht ausgesprochen, daß das Verfahren hinsichtlich einer Aussage eines Rauchfangkehrers ergänzungsbedürftig sei, er hat vielmehr klargestellt, daß § 39 Abs. 4 TBO keine Rechtsgrundlage dafür bilde, dem Bauwerber vorzuschreiben, bei der Ausbildung von Rauchfängen das Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksrauchfangkehrermeister hinsichtlich der Anordnung von Ausstiegshilfen und Reinigungsöffnungen herzustellen. Die Rechtsansicht, daß ein elektrotechnisches Gutachten und eine Aussage eines Rauchfangkehrermeisters einzuholen sei, ist somit nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin macht auch die unrichtige Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG geltend und bringt vor, daß der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich einzelner Auflagen konkret ausgesprochen habe, daß diesbezüglich eine Rechtsgrundlage fehle. Jedenfalls in dieser Hinsicht hätte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG entscheiden müssen und hätte diese Auflagen ersatzlos zu beheben gehabt, weil gemäß § 66 Abs. 4 AVG außer dem im Abs. 2 leg. cit. erwähnten Fall die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen sei, in der Sache selbst zu entscheiden habe. Dieses Vorbringen ist jedenfalls hinsichtlich der Auflagen Bb 6, Bb 7 und Bb 9 begründet, die Vorschreibung dieser Auflagen hätte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG beheben müssen.

Weiters rügt die Beschwerde, daß auch hinsichtlich der übrigen Auflagen § 66 Abs. 2 AVG zu Unrecht angewendet worden sei.

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß Abs. 3 der zitierten Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes (aus welchem Grund der Sachverhalt in diesem Sinne mangehaft ist, ist im Zusammenhang mit § 66 Abs. 2 AVG ohne Bedeutung) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Der Verwaltungsgerichtshof hat eine mündliche Verhandlung u.a. dann als "unvermeidlich erscheinend" angesehen", wenn z.B. die Behörde erster Instanz entweder überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat (so das Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/01/0057) oder wenn - in einem Bauverfahren - wegen der allfälligen Notwendigkeit von Auflagen, die erst die Bewilligungsfähigkeit ermöglichen, die gleichzeitige Anwesenheit von Sachverständigen und Parteien erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Slg. Nr. 11795/A, und das Erkenntnis vom 9. Dezember 1986, Zl. 84/05/0097, BauSlg. Nr. 816). Auch im Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Zl. 84/06/0171, BauSlg. Nr. 448, hat der Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit von Projektergänzungen, allenfalls auch Projektänderungen, die dann in der Folge zur Einholung neuer Gutachten sowie zur Beiziehung von Sachverständigen und Parteien zu einer Verhandlung führen könnten, als Grund für eine Behebung eines Bescheides im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG angesehen.

Gemäß § 29 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO) hat die Behörde über jedes Bauansuchen, soweit sie es nicht aus den im § 31 Abs. 2 und 3 leg. cit. angeführten Gründen ohne weiteres Verfahren zurück- oder abzuweisen hat, eine mündliche Verhandlung durchzuführen (Bauverhandlung). Die Behörde kann, ausgenommen im Verfahren zur Erteilung von Bewilligungen nach § 25 lit. a leg. cit., von der Durchführung einer Bauverhandlung absehen, wenn durch das Bauvorhaben Interessen der Nachbarn offensichtlich nicht beeinträchtigt werden können.

Durch die - mit Ausnahme des Falles, in dem Interessen der Nachbarn offensichtlich nicht beeinträchtigt werden können - zwingende Anordnung einer - im Beschwerdefall am 21. Juli 1993 durchgeführten - mündlichen Verhandlung gibt der Gesetzgeber zu erkennen, daß ihm in diesem Verfahren in besonderem Maße an der (möglichst anzustrebenden) endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage in Rede und Gegenrede, aber auch an der verfahrenskonzentrierenden Wirkung des Rechtsinstitutes der mündlichen Verhandlung (vor allem wegen der Präklusionswirkung des § 42 AVG) gelegen ist. Dies bedeutet nun keineswegs, daß jede Änderung des Sachverhaltes (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 1988, Zl. 87/07/0200, u.a.) oder das Hinzutreten einer übergangenen Partei (vgl. das Erkenntnis vom 15. Jänner 1968, Slg. Nr. 7266/A) oder das Erfordernis der Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1984, Zl. 84/06/0119, u.a.) jeweils für sich allein genommen eine neuerliche mündliche Verhandlung nach sich ziehen müßte.

Im Beschwerdefall sind hinsichtlich einiger Auflagen ergänzende Feststellungen des Sachverhaltes und auch Gutachtensergänzungen erforderlich. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist jedoch die Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung durch weitere Ermittlungen und Einholung von Sachverständigengutachten allein kein Grund, aus dem die neuerliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 92/06/0120, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Es erwies sich somit die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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