VwGH 97/06/0055

VwGH97/06/00553.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der K-KG in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Jänner 1997, Zl. Ve1-551-615/1-2, betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
BauO Tir 1989 §28;
BauO Tir 1989 §31 Abs10;
BauO Tir 1989 §39 Abs2;
BauO Tir 1989 §39 Abs4;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1981 §21;
PlanunterlagenV Tir 1976;
VVG §1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
BauO Tir 1989 §28;
BauO Tir 1989 §31 Abs10;
BauO Tir 1989 §39 Abs2;
BauO Tir 1989 §39 Abs4;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1981 §21;
PlanunterlagenV Tir 1976;
VVG §1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung einer Bau- und Betriebsanlagenbewilligung für eine gewerberechtliche Anlage in F (Errichtung eines neuen Daches einer bestehenden Betriebsanlage, Ausbau des nördlichen Werkstättenteiles der bestehenden Betriebsanlage zu Betriebswohnungen, Errichtung neuer Außenmauern der bestehenden Betriebsanlage) beantragt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführerin zu Spruchpunkt II die Baubewilligung erteilt. Gleichzeitig wurden ihr 7 "Allgemeine baupolizeiliche Auflagen" und 15 "bautechnische Auflagen" vorgeschrieben. Gegen einige dieser Auflagen hat die Beschwerdeführerin die Berufung erhoben, der mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Jänner 1997 keine Folge gegeben wurde. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beschwerdegegenständlich sind folgende Auflagen:

"Ba

  1. 4. Die Elektroinstallationen sind nach den geltenden Sicherheitsbestimmungen der ÖVE von einem befugten Unternehmen herzustellen und dauernd in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Die besonderen Bestimmungen für feucht- und erdschlußgefährdete Räume sind zu beachten.
  2. 5. Die Abwässer sind nach Angabe der Gemeinde in der Ortskanalisation abzuleiten.

    Bb

  1. 1. Gebäude und bauliche Anlagen sind so auszuführen, daß sie den jeweiligen Erfordernissen der Sicherheit, der Dauerhaftigkeit, des Brand-, des Wärme- und des Schallschutzes, der Gesundheit und der Hygiene entsprechen.
  2. 2. Die einschlägigen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung (TBO), der Technischen Bauvorschriften (TBV), der ÖNORMen, der Techn. Richtlinien für den vorbeugenden Brandschutz (TRVB) und der ÖVE-Vorschriften sind einzuhalten.
  3. 6. Die Fertigstellung des Schnurgerüstes ist der Behörde zeitgerecht zur Überprüfung zu melden. Vor Abnahme des Schnurgerüstes darf mit den Betonarbeiten (Fundamente, Fundamentplatte) nicht begonnen werden.
  4. 7. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens ist vor Bezug, bzw. Benützung bei der Behörde zeitgerecht um die Erteilung der Benützungsbewilligung anzusuchen. Dem Ansuchen sind ein Vermessungsplan gem. § 28 TBO und alle, im Baubescheid geforderten, Bestätigungen anzuschließen.
  5. 8. Fundamente sind frostsicher und nach Angabe des Stromversorgers mit geschlossenen Erdungsbändern auszuführen. Tragende Bauteile sind nach statischem Erfordernis und brandbeständig (F-90) auszubilden. Die Umfassungsbauteile sind entsprechend den, in den TBV vorgeschriebenen k-Werten so zu dämmen, daß der für die entsprechende Höhenlage zulässige Wärmeverlust nicht überschritten wird.
  6. 9. Bei der Ausbildung von Fängen ist das Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksrauchfangkehrermeister hinsichtlich der Anordnung von Aufstieghilfen und Reinigungsöffnungen herzustellen.
  7. 11. Die Trinkwasserversorgung hat über die Gemeindeleitung zu erfolgen. Für den Wasseranschluß ist ein schriftliches Ansuchen zu stellen, Anschlußart und -stelle werden durch die Gemeinde bekanntgegeben.
  8. 12. Wände und Decken, die einzelne Einheiten voneinander trennen sind brandbeständig (F-90) und entsprechend den Bestimmungen der TBV und den Forderungen der ÖNORM B 8115 auszuführen. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist auf Verlangen der Behörde durch entsprechende Messungen nachzuweisen.
  9. 13. Innenliegende Räume sind über Dach zu entlüften. Alle Installationsschächte sind brandbeständig (F-90) über Dach zu führen und dürfen nicht in Wohnungstrennwände oder in Trennwände eigenständiger Einheiten verlegt werden.
  10. 14. Die Zufahrten zu Garagen und Parkflächen sind so anzulegen, daß der öffentliche Verkehr gut zu übersehen ist und nicht behindert wird. Vor Garagen- und Einfahrtstoren sind Stauflächen so anzulegen, daß zumindest ein LKW während des Öffnens der Tore auf eigenem Grund abgestellt werden kann."

Gemäß § 31 Abs. 10 der Tiroler Bauordnung (TBO) ist eine Baubewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen und den öffentlichen Nachbarrechten (§ 30 Abs. 4) entsprochen wird, und soweit hiedurch das Bauvorhaben in seinem Wesen nicht verändert wird. Die Baubewilligung kann auch mit der Auflage erteilt werden, daß technische Unterlagen, wie insbesondere bei statisch belangreichen Bauvorhaben durch einen Ziviltechniker überprüfte statische Berechnungen, vorgelegt werden müssen.

Grundsätzlich sieht also die Tiroler Bauordnung vor, daß eine Baubewilligung unter Auflagen erteilt werden kann, wenn dies in den angeführten öffentlichen Interessen und hinsichtlich der öffentlichen Nachbarrechte erforderlich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem Fragenkomplex der Auflagen in einem Bewilligungsverfahren wiederholt auseinandergesetzt. Seine Judikatur läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß es bei Maßnahmen, zu denen bereits das Gesetz unmittelbar verpflichtet, nicht einer Bescheidauflage bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1980, Slg. Nr. 10.078/A); weiters entspricht die Vorschreibung von Auflagen nach der hg. Judikatur nur dann dem Erfordernis der Bestimmtheit im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG, wenn sich feststellen läßt, daß mit den getroffenen Maßnahmen dem vorgeschriebenen Ergebnis Rechnung getragen wurde; zu § 31 Abs. 10 TBO hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß Auflagen insoweit ausreichend bestimmt sein müssen, daß sie - entsprechend ihrer Eigenschaft als "bedingte Polizeibefehle" - gegebenenfalls auch vollstreckt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1985, Zl. 85/06/0074).

Ebensowenig wie die Formulierung, ein bestimmtes Ergebnis sei durch "geeignete Maßnahmen" sicherzustellen, könne eine Auflage, wonach "sach- und fachgemäß" zu arbeiten sei, nicht als ausreichend präzise erkannt werden (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0022). Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Judikaturlinie abzurücken.

Im einzelnen ist auszuführen: Soweit sich die Auflage Ba 4 mit den Regelungen der Technischen Bauvorschriften (TBV) deckt (§ 35), war eine Wiederholung des Regelungsinhaltes im Auflageweg nicht erforderlich. Soweit sich diese Vorschrift auf die "geltenden Sicherheitsbestimmungen der ÖVE" bezieht, ist diese Vorschreibung mangels konkreter Anführung der hier bezughabenden ÖVE-Normen nicht ausreichend bestimmt, sodaß auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht überprüft werden kann, ob es für die Vorschreibung dieser Auflage eine gesetzliche Grundlage gibt.

In den Auflagen Bb 1, Bb 2, Bb 8 und Bb 12 wird wiederholt, was sich aus der Tiroler Bauordnung bzw. den Technischen Bauvorschriften ergibt; diese Wiederholung war im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 26. März 1980 nicht zum Gegenstand einer Bescheidauflage zu machen. Sachverhaltsbezogen ist allerdings nicht erkennbar, inwieweit die Beschwerdeführerin durch diese Wiederholung beschwert ist. Auch die Beschwerde enthält diesbezüglich keine Ausführungen.

Die Auflage Bb 14 (Zufahrten zu Garagen und Parkflächen) ist so unbestimmt, daß sie nicht vollstreckt werden kann. Die Ausgestaltung der Zufahrten zu den Garagen und Parkflächen ist Gegenstand des eingereichten Projektes, die Behörde hätte einerseits überprüfen müssen, ob diese so angelegt sind, daß der öffentliche Verkehr gut zu übersehen und nicht behindert ist (s. § 63 Abs. 1 TBV). Im Falle des Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen hätte die Behörde entweder die Baubewilligung versagen oder eine konkrete Projektsänderung vorschreiben müssen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Auflagen zu Ba 5 und Bb 11: Hier hat die Baubehörde sicherzustellen, daß das Projekt eine entsprechende Abwasserentsorgung und eine entsprechende Trinkwasserversorgung vorsieht.

Gemäß § 4 Abs. 2 TBO dürfen Gebäude nur auf Grundstücken errichtet werden, wenn eine dem vorgesehenen Verwendungszweck entsprechende Wasser- und Energieversorgung sowie Abwasserbeseitigung rechtlich sichergestellt und technisch möglich ist. Bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen ist die Baubewilligung schon aus diesem Grunde zu versagen. Die belangte Behörde hat auch nicht erhoben, ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Anschlußpflicht gegeben sind; es wurde auch ein Bescheid gemäß § 9 Abs. 3 des Tiroler Kanalisationsgesetzes bisher nicht erlassen. Ebenso fehlen Feststellungen über das Existieren einer Gemeindeleitung betreffend die Trinkwasserversorgung.

Zu Bb 13: Eine Rechtsgrundlage für die vorgeschriebene Lüftung der innenliegenden Räume über Dach gab die belangte Behörde nicht an, auch der Verwaltungsgerichtshof vermag eine diesbezügliche Rechtsgrundlage nicht zu erkennen, die Technischen Bauvorschriften sehen eine derartige Vorgangsweise nicht vor (vgl. § 21 TBV).

Zu Bb 6: Gemäß § 39 Abs. 2 TBO kann die Behörde den Auftrag erteilen, die Vollendung bestimmter Bauabschnitte zur Überprüfung anzuzeigen, und auch bestimmen, inwieweit die Weiterführung des Bauvorhabens vor Vornahme der Überprüfung unzulässig ist. Diese Bestimmung bildet aber keine Grundlage für die Vorschreibung der Auflage, die Fertigstellung des Schnurgerüstes sei der Behörde zeitgerecht zur Überprüfung zu melden und vor Abnahme des Schnurgerüstes dürfe mit den Betonarbeiten nicht begonnen werden, da die Herstellung eines Schnurgerüstes weder eine bauliche Maßnahme noch die Vollendung eines Bauabschnittes im Sinne des § 39 Abs. 2 TBO darstellt.

Zu Bb 7: Gemäß § 43 Abs. 1 TBO ist die Vollendung einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage der Behörde anzuzeigen; gleichzeitig hat der Bauwerber um die Bewilligung zur Benützung der baulichen Anlage anzusuchen; dem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung sind die erforderlichen Unterlagen über die ausgeführte Anlage, insbesondere die Überprüfungsbefunde, bei Neu- und Zubauten überdies der Lageplan anzuschließen. Eine Bestimmung dahingehend, dem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung sei ein Vermessungsplan anzuschließen, findet sich weder im § 28 TBO noch in der Planunterlageverordnung LGBl. Nr. 8/1976. Sollte die belangte Behörde die Vorschreibung zu Bb 7 auf § 28 Abs. 3 letzter Satz TBO gestützt wissen wollen, so verkannte sie damit, daß einerseits nicht geprüft wurde, ob die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 letzter Satz TBO vorliegen, und andererseits die Unterlagen bereits bei der Einreichung des Baugesuches vorliegen müssen. Gemäß § 43 Abs. 4 TBO ist dem Vermessungsamt eine Ausfertigung des Kollaudierungsbescheides zuzüglich einer Ausfertigung des Lageplanes zu übersenden, worauf die Behörde zu bestätigen hat, daß die Bauausführung mit dem Lageplan übereinstimmt. Aus dieser Bestimmung ist nicht ableitbar, daß dem Bauwerber die Auflage des Inhaltes vorgeschrieben werden könnte, er habe anläßlich des Ansuchens um Erteilung der Benützungsbewilligung einen "Vermessungsplan gemäß § 28 TBO" vorzulegen.

Zu Bb 9: Gemäß § 39 Abs. 4 TBO hat der Bauwerber spätestens nach Vollendung des Rohbaues durch einen befugten Rauchfangkehrermeister Rauchfänge, Abgasfänge und dergleichen samt ihren festen Verbindungsstücken auf ihre vorschriftsmäßige Herstellung überprüfen zu lassen. Über diese Überprüfung hat der Rauchfangkehrermeister einen schriftlichen Befund auszustellen. Der Bauwerber ist somit schon aufgrund der Bestimmung des § 39 Abs. 4 TBO verpflichtet, die dort genannten Überprüfungen vornehmen zu lassen und darüber einen schriftlichen Befund einzuholen. Es mag wohl sinnvoll erscheinen, bei der Planung den befugten Rauchfangkehrermeister einzubeziehen, eine Rechtsgrundlage, dem Bauwerber vorzuschreiben, bei der Ausbildung von Fängen das Einvernehmen mit dem zuständigen Bezirksrauchfangkehrermeister hinsichtlich der Anordnung von Aufstieghilfen und Reinigungsöffnungen herzustellen, bildet aber § 39 Abs. 4 TBO nicht, sodaß auch die Vorschreibung dieser Auflage rechtswidrig war.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich allerdings zu dem Hinweis veranlaßt, daß er in seiner Rechtsprechung die Erteilung einer Baubewilligung unter Auflagen als EINE EINHEIT betrachtet (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 2. März 1955, Slg. Nr. 3672/A). Im Erkenntnis vom 18. September 1967, Zl. 619/66, wurde ausgeführt, daß dann, wenn die Baubewilligung ohne Auflagen nicht erteilt worden wäre, die Baubewilligung und die damit verbundenen Auflagen als eine untrennbare Einheit zu behandeln sind, und, wenn die Auflagen durch den Bauwerber mit Berufung bekämpft werden, eine Aufhebung des gesamten angefochtenen Bescheides erfolgen kann (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 1976, Slg. Nr. 9041/A).

Sollte daher die Berufungsbehörde zur Auffassung gelangen, daß das eingereichte Projekt z.B. keine ausreichende Belüftung der innenliegenden Räume aufweist, so wäre die Bauwerberin unter Fristsetzung aufzufordern, eine diesbezügliche Projektsänderung vorzunehmen, im Weigerungsfall wäre die Baubewilligung zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Vergebührung einer nicht erforderlichen Beilage war abzuweisen.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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