VwGH 96/02/0306

VwGH96/02/03065.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerden des I, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, G 143, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich 1. vom 15. Mai 1995, Zl. Senat- F-95-604 (protokolliert zur hg. Zl. 96/02/0308), und 2. vom 8. Juni 1995, Zl. Senat-F-95-607 (protokolliert zur hg. Zl. 96/02/0306), betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §3 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §36 Abs1 Z1;
FrG 1993 §41 Abs1;
EMRK Art8;
AuslBG §3 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §36 Abs1 Z1;
FrG 1993 §41 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 1995 wurde die an diese mit Schriftsatz vom 4. Mai 1995 gemäß § 51 Fremdengesetz (FrG) gerichtete Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers unter Berufung auf § 52 FrG (in Verbindung mit § 67c Abs. 4 AVG) als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 96/02/0308 protokollierte Beschwerde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 1995 wurde die an diese mit Schriftsatz vom 1. Juni 1996 (neuerlich) gemäß § 51 FrG gerichtete Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers unter Berufung auf § 52 FrG (in Verbindung mit § 67c Abs. 4 AVG) als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 96/02/0306 protokollierte Beschwerde.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Erkenntnis vom 11. Juni 1996, B 2115/95 und B 284/96, (unter Punkt I.) feststellte, daß die angefochtenen Bescheide den Beschwerdeführer, soweit die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates für rechtmäßig erklärt wurde, jeweils im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzten, weil diese Entscheidungen nicht binnen einer Woche ergangen seien. Im übrigen (Spruchpunkt II) - so stellte der Verfassungsgerichtshof fest -, sei der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in der Anwendung einer rechtswidrigen Norm verletzt worden, weshalb der Verfassungsgerichtshof die Beschwerden - mit Ausnahme der unter Punkt I. erledigten Feststellungsanträge - abwies und sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Aus den angefochtenen Bescheiden und den vorliegenden Beschwerden geht hervor, daß über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 25. April 1995 die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung verhängt wurde.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. April 1995 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gleichzeitig gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen.

In der Begründung des zur hg. Zl. 96/02/0306 angefochtenen Bescheides vom 8. Juni 1995 stellte die belangte Behörde darüberhinaus fest, daß die Sicherheitsdirektion für das Land Wien "mittlerweile" in einer Berufungsentscheidung betreffend das Verfahren nach § 54 FrG rechtskräftig festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers keine Abschiebungshindernisse vorlägen.

Ferner stellte die belangte Behörde in der Begründung beider angefochtenen Bescheide fest, daß der Beschwerdeführer aufgrund der Beschäftigung seiner Ehegattin (in Österreich) Sichtvermerke bis 6. April 1994 und eine Aufenthaltsberechtigung bis 7. Oktober 1994 erhalten habe. Er habe einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gestellt, der jedoch in erster Instanz abgelehnt worden sei. Der Beschwerdeführer sei - wie sich aus Eintragungen in seinem Reisepaß ergebe - überaus häufig zwischen Österreich und Kroatien hin- und hergereist. Er besitze in Kroatien ein Haus und lebe zumindest zum Teil in Kroatien, während seine Familie, welche er gelegentlich besuche, in Wien lebe. Seinen Angaben zufolge habe er anläßlich seiner Einreisen keinerlei oder nur wenig Barmittel bei sich, weil er erwartet habe, von seiner Frau finanziell unterstützt zu werden. Der Beschwerdeführer habe am 8. Februar 1994 um Gewährung von Sozialhilfe angesucht, diesen Antrag aber dann wieder zurückgezogen. Stattdessen habe sich der Beschwerdeführer ein wiederkehrendes Einkommen durch die Verrichtung von Schwarzarbeit verschafft, bei der er auch am 25. April 1995 durch Organe des Arbeitsinspektorates St. Pölten betreten und zur Anzeige gebracht worden sei. Aus diesen Gründen sei auch über ihn das vorerwähnte Aufenthaltsverbot verhängt worden.

In den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten ergänzten Beschwerden bringt der Beschwerdeführer u.a. vor, seine Tochter und deren Ehegatte hätten sich bereit gefunden, für seinen Unterhalt aufzukommen. Diese hätten "weiter nicht geschmälerte Bezüge" von rund S 17.000,-- (netto) bzw. Karenzurlaubsgeld von S 181,-- täglich und eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben. Die finanziellen Verhältnisse würden daher in keiner Weise eine Belastung für die Republik oder eine Gefährdung öffentlicher Interessen darstellen. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft sei daher nicht zur Erreichung der von der Fremdenbehörde angestrebten Zwecke notwendig, weil der Unterhalt des Beschwerdeführers und seine Unterkunft gesichert gewesen seien und es zudem keine Veranlassung zur Befürchtung gegeben habe, der Beschwerdeführer würde sich der Anordnung der Ausreise oder einem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen.

Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, daß der belangten Behörde - wie diese in den zu hg. Zl. 96/02/0306 angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1995 ausführt - erst im Zuge des zweiten Schubhaftprüfungsverfahrens die entsprechenden Unterlagen und die Verpflichtungserklärung vorgelegen haben, weshalb die diesbezüglichen Behauptungen im Hinblick auf den zu hg. Zl. 96/02/0308 angefochtenen Bescheid vom 15. Mai 1995 eine unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG darstellen.

Aufgrund des von der belangten Behörde als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes bestand bereits zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers für die Schubhaftbehörde berechtigter Grund zur Annahme, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes möglich sein werde (vgl. § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG), weshalb die Verhängung der Schubhaft auch schon von Anbeginn an zulässig war. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Zl. 95/02/0038, darlegte, genügte bereits die berechtigte Annahme der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft.

Ferner ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß dem über ihn verhängten Aufenthaltsverbot vom 28. April 1995 aufgrund des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG ungeachtet der Erhebung eines Rechtsmittels volle Rechtswirkung zukam (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 97/02/0066). Die belangte Behörde konnte daher von einem gegen den Beschwerdeführer bereits durchsetzbaren Aufenthaltsverbot im jeweiligen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide ausgehen. Wesentlicher Schubhaftzweck war daher die Sicherung einer Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund dieses Aufenthaltsverbotes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 17. November 1995, Zlen. 95/02/0132, 0133, 0134, ausgeführt hat, besteht an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" ein großes öffentliches Interesse. Allein schon das Betreten des Beschwerdeführers am 25. April 1995 bei der Verrichtung von Schwarzarbeit durch Organe des Arbeitsinspektorates St. Pölten hätte bereits ausgereicht, um die Notwendigkeit der Schubhaft im Hinblick auf die Sicherung eines voraussichtlich zu verhängenden Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen.

Auch wenn der Beschwerdeführer nunmehr rügt, es sei ihm von der belangten Behörde nicht vorgehalten worden, daß gegen ihn der Verdacht erhoben werde, er sei (wiederum) einer "ungenehmigten Beschäftigung" nachgegangen, und hätte bei entsprechendem Vorhalt ausgeführt, daß dies unzutreffend sei, weil er "ohne vertragliche oder sonstige rechtliche Pflicht" einem näher genannten Bekannten aus seinem Dorf in Kroatien gefälligkeitshalber und unentgeltlich an zwei Tagen zur Hand gegangen" sei, so vermag er nicht die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels darzulegen, zumal sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang bereits auf gegenteilige, dem Beschwerdeführer bekannt gewesene Sachverhaltsfeststellungen betreffend den Vorwurf, er sei "bei der Ausübung der Schwarzarbeit" betreten worden, hinsichtlich jenes Verfahrens stützen konnte, das zur Erlassung des befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer führte. Überdies hat sich die belangte Behörde - wie aus den bereits vom Verfassungsgerichtshof angeforderten Verwaltungsakten zu ersehen ist - auch das von der Fremdenbehörde erstellte Einvernahmeprotokoll des Beschwerdeführers vom 28. April 1995 beigeschafft. Darin bestätigte der unter Beiziehung einer Dolmetscherin einvernommene Beschwerdeführer, daß der Vorwurf der Schwarzarbeit "der Wahrheit" entspreche und er "dort schon zwei Tage schwarz gearbeitet" habe. Er habe "gewußt", daß er "eine Beschäftigungsbewilligung brauche", es sei ihm jedoch "bisher nicht möglich" gewesen, "eine zu bekommen".

Aufgrund der hg. Judikatur ist die Behörde nicht gehalten, offenkundige Tatsachen, von denen feststeht, daß sie der Partei bekannt sind, dieser vorzuhalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/07/0123). Für die belangte Behörde stand - insbesondere aufgrund des vom Beschwerdeführer unterschriebenen Protokolls vom 28. April 1995 - fest, daß dem Beschwerdeführer der Inhalt dieser behördlichen Unterlagen bekannt war, weshalb sich die diesbezügliche Gewährung eines Parteiengehörs im Beschwerdefall erübrigte.

Da der Beschwerdeführer - wie bereits dargelegt - weder einen gültigen Aufenthaltstitel noch eine Arbeitserlaubnis vorweisen konnte, hat er durch sein Verhalten den Eindruck erweckt, daß er den für diese Beschäftigung maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften keine Beachtung schenken wolle und überdies sehr wohl auf Einnahmen aus dieser illegalen Beschäftigung zur Absicherung seines Lebensunterhaltes angewiesen sei. Damit waren aber aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes bereits ausreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die Überwachung seiner Ausreise im Grunde des § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig sein werde. Bei dieser Sachlage kommt es aber nicht mehr darauf an, ob und in welchem Verhältnis seine Familie bereit gewesen wäre, zu seinem Unterhalt beizutragen. Die Schubhaft war vielmehr zur Sicherung seiner Abschiebung jedenfalls erforderlich, weshalb den dargestellten Rügen auch deshalb keine Berechtigung zukam (vgl. dazu insgesamt bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. November 1995, Zlen. 95/02/0132, 0133, 0134).

Insoweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Absicherung seines Unterhaltes und seiner Lebensgrundlagen in Österreich verschiedene Verfahrensmängel rügt, vermag er deren Relevanz im Hinblick auf die aus anderen Gründen dargelegte Notwendigkeit der Schubhaft nicht darzutun. Es kam in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer "einer dauerhaften oder wiederholten unerlaubten Beschäftigung" in Österreich nachgegangen war, oder ob er sich "zumindest in letzter Zeit überwiegend in Kroatien" aufgehalten habe, weshalb die diesbezüglichen Verfahrensrügen gleichfalls nicht relevant sind. Auch mit dem Einwand der Integration des Beschwerdeführers in Österreich aufgrund seiner familiären Beziehungen vermag er nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun, weil nach der hg. Rechtsprechung zwar die Fremdenbehörde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nicht aber der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der Schubhaftbeschwerde auf die Frage der Zulässigkeit eines allfälligen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Fremden Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0194).

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerden erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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