VwGH 95/21/0332

VwGH95/21/033210.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des M Y, geboren am 11. Februar 1952, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 22. September 1994, Zl. Frb-4250/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §4 Abs2;
AufG 1992;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;
AufG 1992 §4 Abs2;
AufG 1992;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 22. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm den §§ 19 bis 21 FrG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer, der sich seit 1989 in Österreich befinde, in den Jahren 1990 bis 1992 insgesamt 16 mal wegen Verwaltungsübertretungen, darunter dreimal wegen § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO (am 21. März 1990, am 21. November 1991 und am 19. August 1992) bestraft worden sei. Bei diesen Bestrafungen handle es sich um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, die den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllten und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. Im Hinblick auf die große Gefahr, die alkoholisierte Lenker von Kraftfahrzeugen für die Allgemeinheit darstellten, sei das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privatleben des Fremden im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten. Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung falle zum Nachteil des Beschwerdeführers aus. Der Beschwerdeführer sei zwar derzeit im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung (vom 15. Juli 1994 bis 31. Oktober 1994), verfüge jedoch über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer sei zuletzt arbeitslos gewesen und seine Beschäftigungsbewilligung habe auch nur für kurze Zeit gegolten.

Die Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 5. Dezember 1994, B 2320/94, abgelehnt. Über Antrag des Beschwerdeführers wurde die Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1995 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der aufgetragenen Beschwerdeergänzung gemäß § 34 Abs. 2 VwGG beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des bekämpften Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde beantragt in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, wegen der angeführten Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden zu sein. Die Auffassung der belangten Behörde, daß es sich bei den Verwaltungsübertretungen des § 5 Abs. 1 StVG um grundsätzlich schwerwiegende im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG handle, ist zutreffend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0255, mwN). § 18 Abs. 1 FrG ordnet aber an, daß bei Vorliegen eines der in Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt.

Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, daß ihm ungeachtet seiner verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen, insbesondere auch der zuletzt erfolgten Bestrafung wegen der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO wiederholt von der Behörde erster Instanz der Sichtvermerk (am 17. März 1993 und 16. Juni 1993) verlängert bzw. von der auch mit der Vollziehung des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde (am 11. Oktober 1993) eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes bzw. einer Aufenthaltsberechtigung zu versagen, wenn der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Es sei nicht ersichtlich, warum die Bezirkshauptmannschaft Bludenz als Behörde erster Instanz, die bei Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers sämtliche von ihm begangene Verwaltungsübertretungen gekannt und dennoch nicht angenommen habe, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde, plötzlich nach rund zwei Jahren aufgrund der schon zum Zeitpunkt der Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung bekannt gewesenen Verwaltungsübertretungen darauf gestützt ein Aufenthaltsverbot verhänge.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg: Es ist zwar die belangte Behörde bei der von ihr vorzunehmenden Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 18 ff FrG vorliegen, nicht an die Entscheidung der Behörde erster Instanz, mit der dem Beschwerdeführer die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung bewilligt worden war, gebunden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0456). Die Behörde erster Instanz hatte allerdings bei Erteilung der Aufenthaltsbewilligung bzw. Verlängerung des Sichtvermerkes das Vorliegen von Sichtvermerksversagungsgründen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu prüfen und mit der Bewilligung der beantragten Aufenthaltsberechtigung zum Ausdruck gebracht, daß dieser entgegenstehende Gründe nicht gegeben seien. Eine Ungültigerklärung eines erteilten Sichtvermerkes könnte gemäß § 11 FrG auch nur dann erfolgen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden. Gemäß § 4 Abs. 2 AufG kann eine Bewilligung verlängert werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) eingetreten ist. Wenn nun die belangte Behörde dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß die Voraussetzungen der §§ 18f FrG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegeben seien, obwohl sie sich dabei nicht auf nach den angeführten Bewilligungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers vorliegende Gründe stützte, so hätte sie konkret unter Bedachtnahme auf diese Umstände insbesondere zu begründen gehabt, warum ungeachtet der Verlängerungen der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sein soll. In einem derartigen Fall genügt auch nicht die bloße Bezeichnung des Verwaltungsdeliktes, sondern es bedürfte konkreter Feststellungen über das den Verwaltungsstrafen zugrundeliegende Fehlverhalten, etwa auch zu den näheren Umständen und das konkrete Ausmaß der Überschreitung der strafrelevanten Promillegrenze bei Begehung der angeführten Alkoholdelikte sowie weiters über das Verhalten des Beschwerdeführers seit dem er dieses Fehlverhalten gesetzt hat. Darauf aufbauend wäre die hier unterlassene konkrete Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen gewesen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. September 1996, Zl. 95/21/1209).

Die belangte Behörde hätte sich also mit der wesentlichen Frage auseinanderzusetzen und entsprechend zu begründen gehabt, warum der Beschwerdeführer trotz der ihm erteilten Sichtvermerke bzw. Aufenthaltsbewilligung und seines weiteren legalen Aufenthaltes im Bundesgebiet aufgrund von in seiner Person gelegenen Umstände im Falle seines weiteren Aufenthaltes eine Gefährdung der in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Ziele darstellen würde. Allein die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, welcher Umstand von der belangten Behörde in Wahrheit ausschließlich herangezogen wurde, reicht bei der gegebenen Fallkonstellation nicht aus, um diese Annahme begründen zu können.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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