VwGH 95/19/1327

VwGH95/19/132730.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1995, Zl. 107.120/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs1;
AufG 1992 §12;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe den gegenständlichen Antrag nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Aus diesem Grund sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan, weshalb die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, die am 9. Juni 1995 ausgegebene Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, sowie die am 27. Juni 1995 ausgegebene Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 12 Abs. 1 und 4 AufG in der Fassung der zitierten Novelle lauten:

"§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

...

(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend von § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist."

Der gemäß § 12 Abs. 4 AufG erlassene § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 lautete:

"§ 2. Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, können den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland stellen."

§ 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lauteten:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde."

§ 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und

..."

Die Beschwerdeführerin tritt der maßgeblichen Feststellung der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Damit entsprach die Antragstellung nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG. Bei dem dort normierten Erfordernis handelt es sich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei Staatsangehörige Bosniens und der Herzegowina. Sie sei aufgrund der kriegerischen Konflikte in ihrer Heimat nach Deutschland und von dort nach Österreich geflüchtet. Die Beschwerdeführerin gesteht ausdrücklich zu, in Deutschland Schutz vor den bewaffneten Konflikten in ihrer Heimat gefunden zu haben. Sie vertritt jedoch die Auffassung, daß "laut Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres" für bosnische Flüchtlinge die Familienzusammenführung dort zu gewährleisten sei, wo sich der Großteil der Familie bereits aufhalte. Sämtliche Familienangehörige der Beschwerdeführerin, nämlich ihre Mutter, drei Brüder und zwei Schwestern seien in Österreich aufhältig. Hieraus folge, daß auch der Beschwerdeführerin gemäß § 1 der Verordnungen BGBl. Nr. 1038/1994 und BGBl. Nr. 389/1995 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukam, weshalb sie gemäß § 2 der letztgenannten Verordnung zur Antragstellung im Inland berechtigt sei.

Die Frage, ob diese Ausführungen dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegen, kann hier dahingestellt bleiben. Selbst bei Zutreffen des Beschwerdevorbringens wäre der Beschwerdeführerin entgegen ihrer Auffassung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 1 der genannten Verordnungen nicht zugestanden. Nach dem klaren Wortlaut des jeweiligen § 1 Abs. 1 dieser Verordnungen besitzen nur solche Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, die anderweitig keinen Schutz fanden. Dieses Tatbestandselement stellt auf den Einreisezeitpunkt ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/21/0313). Die Beschwerdeführerin bringt jedoch selbst vor, sie habe vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet Schutz in Deutschland gefunden. Für die von der Beschwerdeführerin vertretene Interpretation bietet der Wortlaut der in Rede stehenden Verordnungen keinen wie immer gearteten Anhaltspunkt. Der von der Beschwerdeführerin zitierten Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres kommt nicht die Qualität einer vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Rechtsnorm zu.

Insoweit die Beschwerdeführerin auf ihre privaten und familiären Interessen im Bundesgebiet verweist, ist ihr zu entgegnen, daß gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 lediglich Familienangehörige (im Sinne des § 3 AufG) von Personen, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt ist, zur Antragstellung im Inland berechtigt sind, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Diese Voraussetzung ist bei der Beschwerdeführerin, die über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, nicht gegeben. Der Gesetzgeber der AufG-Novelle 1995 hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung in Ansehung der Angehörigen in Österreich aufhältiger Fremder bereits auf die durch Art. 8 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161). Gegen die Determinierung der Verordnungsermächtigung auf solche Angehörige, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, bestehen im Fall der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof ebensowenig Bedenken wie gegen die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung BGBl. Nr. 408/1995.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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