VwGH 95/19/1140

VwGH95/19/114028.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. September 1995, Zl. 302.440/3-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §60;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §60;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 17.01.1995 erfolgte und Ihre Berufung erst am 09.03.1995 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Ausweis der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 5. Jänner 1995 durch Hinterlegung (Beginn der Abholfrist 17. Jänner 1995) an den Beschwerdeführer zugestellt. Die hinterlegte Postsendung kam als nicht behoben an die Behörde erster Instanz zurück.

Der - nunmehr rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 8. März 1995 (eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 13. März 1995) Anträge auf Zustellung des Bescheides vom 5. Jänner 1995 sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig erklärte er, gegen den Bescheid Berufung zu erheben und verwies auf ein detailliertes Berufungsvorbringen, das er nach Zustellung einer Bescheidausfertigung erstatten werde.

In diesem Schriftsatz brachte er vor, daß er niemals Kenntnis von der Zustellung erhalten habe und eine ordnungsgemäße Hinterlegung nicht erfolgt sei; allenfalls sei die Hinterlegungsanzeige in Verstoß geraten.

Die Behörde erster Instanz wies hierauf mit (rechtskräftigem) Beschluß vom 12. April 1995 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der - wesentlichen - Begründung ab, daß bei Rechtswidrigkeit eines Zustellvorganges (Rechtsunwirksamkeit einer Zustellung) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf sei, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist noch keine Frist versäumt worden sein könne.

In der Folge erstattete der Beschwerdeführer - offenbar nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den ausgewiesenen Rechtsfreund - eine Ergänzung des Berufungsvorbringens, in der er allerdings zur Frage der Rechtzeitigkeit weiter nichts ausführte.

Die belangte Behörde hat weder ein Beweisverfahren über die Frage der Rechtzeitigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer durchgeführt, noch diesen zu der von ihr als Zurückweisungsgrund herangezogenen Verspätung gehört.

Die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet setzt voraus, daß der Beginn der Rechtsmittelfrist feststeht. Dabei hat die Behörde - bevor sie eine Berufung als verspätet zurückweist - zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 2.367 A/1951 und seither in ständiger Rechtsprechung). Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, darzulegen, warum sie von einer rechtswirksamen Zustellung mit 17. Jänner 1995 ausgeht. Da aber begründete konkrete Ausführungen darüber, wann nach Ansicht der belangten Behörde der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde, fehlen, entspricht die Begründung des angefochtenen Bescheides in diesem entscheidenden Punkt nicht den Anforderungen des § 60 AVG. Dieser (in der Beschwerde inhaltlich gerügte) Begründungsmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, die gemäß § 41 Abs. 1 VwGG auf der Grundlage des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu erfolgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 93/11/0139).

Aus den dargelegten Gründen ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Umfang des gestellten Begehrens. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da diese bereits in der Pauschalgebühr für den Schriftsatzaufwand berücksichtigt ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte