VwGH 95/18/1306

VwGH95/18/130623.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien VII, Seidengasse 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. August 1995, Zl. SD 425/95, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs1 Z2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs3;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1997/II/215 §1 Abs2 Z1;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs1 Z2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs3;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1997/II/215 §1 Abs2 Z1;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 16. Februar 1995 nach Österreich eingereist und habe wenige Tage später einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für bosnische Staatsangehörige nach der zu § 12 Aufenthaltsgesetz ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1985 komme der Beschwerdeführerin nicht zu, weil sie bei der Grenzkontrolle nicht aktiv an ein Grenzkontrollorgan zur Durchführung der Grenzkontrolle herangetreten sei. Aufgrund des kurzen und zum Großteil illegalen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin, welche im Inland keine familiären Bindungen habe, sei eine Prüfung der Frage, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, nicht erforderlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4.1. Am 17. März 1997 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß ihr von der Bundespolizeidirektion Wien am 12. März 1997 bestätigt worden sei, daß sie "gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz" bis 31. August 1997 zum Aufenthalt berechtigt sei. Sie erscheine sohin "zumindest vorläufig klaglos gestellt".

4.2. Am 15. Mai 1997 erklärte die belangte Behörde dazu, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der zu § 12 Aufenthaltsgesetz erlassenen Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 299/1996, zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet bis 31. August 1997 berechtigt sei. Da dieses Aufenthaltsrecht aufgrund der früheren Verordnungen über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina nicht bestanden habe, werde weiterhin die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 der am 29. Juni 1996 in Kraft getretenen, auf Grundlage von § 12 Aufenthaltsgesetz erlassenen Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 299/1996, haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten und anderweitig keinen Schutz fanden, - gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung bis 31. August 1997 - ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie nach dem 1. Juli 1993, aber vor dem 15. Dezember 1995 eingereist sind und sich aus allgemein begreiflichen Gründen nicht der Grenzkontrolle gestellt haben, sofern ihre Einreise danach ohne unnötigen Aufschub der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz bekannt geworden ist.

Dieses Aufenthaltsrecht wurde durch § 1 Abs. 2 Z. 1 der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 215/1997 u.a. für Angehörige einer Minderheit in ihren Herkunftsorten in Bosnien und Herzegowina verlängert.

Die Parteien stimmen überein, daß der Beschwerdeführerin ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht jedenfalls nach der Verordnung, BGBl. Nr. 299/1996 zugekommen ist. Sie hat sich daher seit 29. Juni 1996 nicht rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten.

2. Die Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG hat zur Voraussetzung, daß sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Sie verfolgt lediglich den Zweck, den Fremden zu verhalten, seinen rechtswidrigen Aufenthalt - durch Ausreise - zu beenden. Einer neuerlichen - legalen - Einreise steht hingegen der Ausweisungsbescheid nicht entgegen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geht daher eine Ausweisung gegen einen Fremden, der seinen rechtswidrigen Aufenthalt bereits beendet hat, ins Leere (vgl. etwa den Beschluß vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0192). Reist der Fremde erst nach Erlassung der Ausweisung aus (oder wird er abgeschoben), so ist durch die damit gegebene Beendigung des rechtswidrigen Aufenthalts der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine Beschwerde gegen einen Ausweisungsbescheid käme ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Fremden nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zu (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa den Beschluß vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0310).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann für den vorliegenden Fall, in dem die Beschwerdeführerin ihren rechtswidrigen Aufenthalt nicht durch Ausreise, sondern durch nachträgliche Legalisierung beendet hat, nichts anderes gelten. Auch in diesem Fall kann die Ausweisung aufgrund des inzwischen rechtmäßigen Aufenthaltes nicht mehr vollzogen werden. Sollte der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt (wieder) illegal werden, so könnte dieser nicht in Vollziehung der gegenständlichen, aufgrund eines früheren illegalen Aufenthaltes erlassenen Ausweisung beendet werden, sondern müßte die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin neuerlich illegal im Bundesgebiet aufhält, in einem weiteren Verfahren nach § 17 FrG geklärt werden. Es hätte somit auch im vorliegenden Fall eine Entscheidung über die Beschwerde nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung.

3. Infolge des somit gegebenen nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses war die Beschwerde - ohne daß ein Fall der Klaglosstellung vorliegt - als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen (vgl. etwa den bereits zitierten hg. Beschluß vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0310).

4. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 88/1997 ist der nachträgliche Wegfall des Rechtschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Vorliegend bringt die Beschwerdeführerin selbst vor, bei ihrer Einreise nach Österreich in einem LKW geschlafen zu haben. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens kam ihr mangels initiativen Herantretens an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 95/18/0635) kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach der im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheides in Geltung gestandenen Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, zu. Da gegen die in der Beschwerde nicht bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, daß § 19 FrG der Ausweisung nicht entgegenstehe, im Ergebnis keine Bedenken bestehen, ergibt sich vorliegend ohne unverhältnismäßigen Aufwand, daß die Beschwerde - falls sie nicht gegenstandlos geworden wäre - abzuweisen gewesen wäre.

Die Beschwerdeführerin hat daher gemäß §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- zu ersetzen.

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