Spruch:
1. Der Bescheid vom 14. August 1995 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. Oktober 1995 wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, der am 30. Jänner 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, brachte in seinem schriftlichen Asylantrag vom 3. Februar 1995 vor, daß er sich während seines Studiums der Gruppe "Sea Dogs" angeschlossen habe. Dabei handle es sich um eine demokratische Bewegung, welche sich gegen das Militärregime in Nigeria richte. Obwohl es sich bei dieser Vereinigung um eine registrierte und legale Partei handle, seien die Mitglieder ständigen Repressalien seitens der staatlichen Behörden ausgesetzt. Im November 1994 sei eine Kundgebung dieser Gruppierung geplant gewesen, um Mißstände der herrschenden Militärdiktatur aufzuzeigen. Der nigerianische Geheimdienst habe von dieser geplanten Veranstaltung erfahren und die Teilnehmer ermittelt. In der Folge sei ein Teil von diesen Personen "exekutiert" worden. Der Beschwerdeführer sei inhaftiert und gefoltert worden. Nur durch hohe Bestechungsgelder sei es dem Vater des Beschwerdeführers gelungen, dessen Freilassung zu erreichen. Dem Beschwerdeführer drohe jedoch im Falle der Rückkehr nach Nigeria die Hinrichtung.
Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch das Bundesasylamt am 23. Februar 1995 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen folgendes an:
Er habe an der Universität in Ife - wo er "Material Engineering" studiert habe - Studenten des Faches "Electrical Engineering" kennengelernt. Bei diesen Studenten habe es sich gleichzeitg um Offiziere gehandelt, welche ebenfalls der Gruppierung "Sea Dogs" angehört hätten. Bei dieser Gruppierung handle es sich um eine antimilitärische, demokratische Organisation, welche sich gegen die Regierung von Nigeria richte und für die Einführung der Demokratie eintrete. Diese Gruppierung sei nicht verboten.
Die oben erwähnten studierenden Offiziere seien in der militärischen Nachrichtenabteilung tätig gewesen. Sie seien an den Beschwerdeführer herangetreten, daß dieser einen beschädigten Teil einer "Übertragungsmaschine" selbst herstellen solle, weil der offizielle Ankauf eines deratigen Teiles nicht möglich gewesen sei. Er habe sich dazu bereit erklärt und die Reparatur - in Anwesenheit von mehreren anderen Mitgliedern der "Sea Dogs" - durchgeführt. Danach habe die Maschine wieder funktioniert. Bei dieser Maschine habe es sich um eine Anlage zur Übersendung von militärischen Signalen gehandelt. Während der Zusammenkunft der Mitglieder der "Sea Dogs" zur Reparatur des Gerätes seien zwei Offiziere und 50 Rekruten der nigerianischen Armee in das Gebäude eingedrungen und hätten die Ausgänge besetzt. Ein hochrangiger Offizier habe nach dem Grund der Zusammenkunft gefragt. Die anwesenden Personen hätten angegeben, zu feiern, der Offizier habe jedoch anhand der Ausrüstung gesehen, worum es sich handle. Die insgesamt 18 anwesenden Personen seien verhaftet und zum Militärhauptquatier gebracht worden. Im Zuge der dort durchgeführten Befragung habe der Beschwerdeführer angegeben, daß es sich bei der Zusammenkunft seiner Freunde um eine Feier gehandelt habe und er über das reparierte Gerät nichts wisse. Während der folgenden einwöchigen Haftzeit sei er gefoltert worden und habe feststellen müssen, daß einige seiner Freunde "fehlten". Die Folterungen hätten darin bestanden, daß der Beschwerdeführer auf einem bettartigen Gestell gestreckt und mit Stahlruten geschlagen worden sei. Im Zuge dieser Folterungen sei er über die in dem Raum, in dem er verhaftet worden sei, installierte Ausrüstung und deren Verwendungszweck befragt worden. Er habe dazu keine Angaben gemacht. Die Flucht sei ihm durch hohe Bestechungsgelder seines Vaters ermöglicht worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. August 1995 hat die belangte Behörde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. April 1995 den Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen.
Mit dem weiteren angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. April 1995 dem Antrag des Beschwerdeführers vom 3. Februar 1995 auf Gewährung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Asylantrages nicht stattgegeben.
Über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung der beiden Verfahren wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung erwogen:
1. Zur Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Asylgewährung:
Die belangte Behörde hat zur Begründung der Abweisung des Asylantrages zunächst ausgeführt, daß aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers über die Vorfälle im November 1995 den Angaben, wonach der Beschwerdeführer aus politischen Gründen verfolgt werde, nicht geglaubt werden könne. Nach Aussage des Beschwerdeführers handle es sich bei den "Sea Dogs" um eine legale Bewegung, sodaß bereits aus diesem Grund nicht ohne weiteres einsichtig sei, weshalb gegen bestimmte Angehörige dieser erlaubten Gruppierung vorgangen werden sollte. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer nicht dezidiert behauptet, daß die Verhaftung wegen der Mitgliedschaft bei dieser Gruppierung erfolgt sei. Vielmehr sei nach den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers die im Besitz der "Sea Dogs" befindliche Ausrüstung bzw. das militärische Nachrichtenübermittlungsgerät die Ursache für die Verhaftung gewesen. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, daß die bei der Reparatur des Gerätes anwesenden Personen besondere politische Aktivitäten entwickelt hätten. Eine politische Verwicklung des Beschwerdeführers sei in diesem Zusammenhang nicht erkennbar, habe der Beschwerdeführer doch von dem im Rede stehenden Gerät nur gewußt, daß es sich hiebei um eine Anlage zur Übersendung von militärischen Signalen gehandelt habe. Den niederschriftlichen Angaben könne nicht entnommen werden, daß der Beschwerdeführer im Rahmen der Befragungen im "Militärhauptquatier" zu seiner Zugehörigkeit zu den "Sea Dogs" sowie über seine oppositionelle Gesinnung befragt worden sei. Die Befragung sei vielmehr nur zu dem militärischen Nachrichtenübermittlungsgerät erfolgt. Da sich dieses Gerät illegal im Besitz der "Sea Dogs" befunden habe, sei die Annahme gerechtfertigt, daß lediglich Ermittlungen wegen des Verdachts des illegalen Besitzes bzw. einer illegalen Verwendung militärischen Materials durchgeführt worden seien, ohne daß deshalb bereits von einer politischen Verfolgung gesprochen werden könne. Der Besitz und die Verwendung militärischen Materials sei auch in demokratischen Staaten eingeschränkt. Da somit nicht ersichtlich sei, daß die geschilderte Vorgangsweise der Behörden gegen den Beschwerdeführer politisch motiviert gewesen sei, könne auf die Einholung des vom Beschwerdeführer beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Folterungen Spuren hätten hinterlassen müssen, verzichtet werden, weil das zugrundeliegende Beweisthema für die Entscheidung unerheblich sei.
Es ergibt sich somit, daß die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers über die Vorfälle im November 1995 nicht etwa insgesamt keinen Glauben geschenkt hat, sondern diese Vorfälle so festgestellt hat, wie sie der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme geschildert hat. Sie kam in ihrer rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, daß daraus eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen nicht abgeleitet werden könne, weshalb sie auch die Frage, ob der Beschwerdeführer tatsächlich gefoltert wurde, für nicht entscheidungsrelevant hielt.
Dieser Ansicht kann aus den folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden.
Der Beschwerdeführer hat ausgesagt, daß es sich bei den "Sea Dogs" um eine politische Gruppe handle, welche demokratische und antimilitärische Ideen vertrete und gegen die (Militär-)Regierung von Nigeria eingestellt sei. Er hat weiters angegeben, daß diese Gruppe illegal über elektronische Geräte zur militärischen Nachrichtenübermittlung verfüge. Er sei gemeinsam mit anderen Mitgliedern dieser Gruppe bei der Reparatur dieser Geräte betreten und deshalb inhaftiert und über die Bauart und Verwendungsmöglichkeit der Geräte befragt worden.
Aus dem Zusammenhang dieser von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig erachteten Aussagen kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes geschlossen werden, daß die gegen den Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen (auch) politisch motiviert waren, konnte doch die Reparatur eines illegal in den Händen einer regimekritischen Gruppe befindlichen militärischen Nachrichtenübermittlungsgerätes als gegen die Regierung gerichtete Handlung angesehen werden. Daß der Beschwerdeführer tatsächlich über die Verwendung des Nachrichtengerätes nur wenig wußte, ändert daran nichts, lag doch aufgrund seiner Mitarbeit bei der Reparatur im Kreise der Mitglieder der "Sea Dogs" nahe, daß er in gegen das Regime gerichtete Handlungen involviert sei. Zur Bescheidbegründung, der Beschwerdeführer sei nach seiner Verhaftung nicht zu seiner politischen Betätigung befragt worden, ist zunächst auszuführen, daß er nach dem Inhalt der Niederschrift über die genaue Fragestellung bei dem Verhör nicht gefragt wurde. Überdies könnte aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer nicht über seine politische Tätigkeit befragt wurde, noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß er nicht wegen einer - ihm zumindest
unterstellten - politischen Gesinnung verhaftet worden ist.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht hätte die belangte Behörde zur Abklärung der Intensität der gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlung auch Feststellungen zu der Frage zu treffen gehabt, ob der Beschwerdeführer tatsächlich auch gefoltert wurde. Die Unterlassung derartiger Feststellungen stellt einen sekundären Verfahrensmangel dar.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid betreffend den Antrag auf Gewährung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung:
Die belangte Behörde hat ihren diesbezüglichen Bescheid damit begründet, daß gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 Voraussetzung für die vorläufige Aufenthaltsberechtigung die Anhängigkeit eines Asylverfahrens sei. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei jedoch das Asylverfahren des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig abgewiesen gewesen, sodaß dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme. Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an einen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gegen den letztinstanzlichen Asylbescheid ändere daran nichts.
Dieser Argumentation ist beizupflichten. Gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 kommt einem Asylwerber die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ab dem Zeitpunkt nicht mehr zu, zu dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen wird und einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Asylbehörden keine aufschiebenden Wirkung zukommt. Sollte der Beschwerdeführer somit während seines Asylverfahrens ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gehabt haben, so wäre dieses jedenfalls mit rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens durch den Bescheid der belangten Behörde vom 14. August 1995 erloschen. Mit rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages ist daher auch - unbeschadet eines allfälligen vorherigen Bestehens - ein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers an der Ausstellung einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht mehr gegeben. Der Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof der gegen den abweisenden Asylbescheid gerichteten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, ändert daran nichts, weil die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erst mit - ex nunc wirkendem - Beschluß vom 27. Dezember 1995 erfolgte, somit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls kein voläufiges Aufenthaltsrecht bestehen konnte.
Darüberhinaus ist eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 4 Asylgesetz 1991 nur von Amts wegen auszustellen. Das Gesetz räumt kein subjektives Recht auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung ein. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist - unabhängig von der Ausstellung einer Bescheinigung - dann gegeben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür vorliegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1995, Zl. 95/20/0033, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0036). Dies haben etwa die Fremdenbehörden vor Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme als Vorfrage selbst zu beurteilen.
Aus diesen Gründen wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, mit welchem seinem Antrag auf Gewährung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens nicht stattgegeben wurde, nicht in einem subjektiven Recht verletzt.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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