VwGH 93/06/0230

VwGH93/06/023020.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des W in Bregenz, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. Oktober 1993, Zl. I-2-20/1993, betreffend einen Auftrag nach § 38 Abs. 2 Vorarlberger Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Bregenz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
LStG Vlbg 1969 §36 Abs2;
LStG Vlbg 1969 §38 Abs2;
MRKZP 01te Art1 Abs2;
StGG Art5;
StVO 1960 §91 Abs1;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
LStG Vlbg 1969 §36 Abs2;
LStG Vlbg 1969 §38 Abs2;
MRKZP 01te Art1 Abs2;
StGG Art5;
StVO 1960 §91 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 12. Jänner 1993 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die Hecke auf der Liegenschaft Grundstück Nr. nnn/9, GB xxxxx, Bregenz, entlang des A-Weges - im Bereich des Straßenknickes - auf eine Länge von 8 bis 10 m (gemessen ab dem Wasserdurchlaß) bis spätestens 15. Februar 1993 auf eine Höhe von 60 bis 80 cm zurückzuschneiden. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers gab die Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz mit Bescheid vom 9. Juli 1993 keine Folge. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Begründend führt die belangte Behörde aus, daß sich auf der Liegenschaft Gst nnn/9, GB xxxxx, Bregenz, eine ca. 120 bis 130 cm hohe Hainbuchenhecke befinde. Eigentümer des Grundstückes sei der Beschwerdeführer. Beim A-Weg handle es sich um eine abschüssige schmale Straße, die durchwegs nur eine Fahrspur aufweise. Im Bereich der Hecke weise die Straßenführung einen leichten Knick auf. Es sei im durchgeführten Verwaltungsverfahren unbestritten geblieben, daß es sich beim fraglichen Straßenstück grundsätzlich um eine gefährliche Stelle handle und daß durch die Hecke eine gewisse Sichtbehinderung gegeben sei. Der Beschwerdeführer sehe diese Sichtbehinderung positiv, da dadurch die Verkehrsteilnehmer gezwungen würden, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Im übrigen vertrete er die Ansicht, daß durch andere die Verkehrssicherheit hebende Maßnahmen des Straßenerhalters das Zurückschneiden seiner Hecke entbehrlich würde.

Gemäß § 38 Abs. 2 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, könne die Behörde an öffentlichen Straßen die Beseitigung oder das Zurückschneiden von Bäumen oder Sträuchern verfügen, wenn diese geeignet seien, die Benützung der Straße zu beeinträchtigen. Eine Sichtbehinderung stelle eine Beeinträchtigung für die Benützung einer Straße dar. Das Gesetz verlange als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Auftrages gemäß § 38 Abs. 2 des Straßengesetzes nicht, daß die Beeinträchtigung ein gewisses Maß überschreite oder daß ein Zurückschneiden von Bäumen oder Sträuchern die einzige Möglichkeit sei, Beeinträchtigungen der Straßenbenützung abzustellen, sondern lediglich, daß die Bäume oder Sträucher, auf die sich die Verfügung beziehe, GEEIGNET SEIEN, die Benützung der Straße zu beeinträchtigen.

Damit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Verfügung gemäß § 38 Abs. 2 des Straßengesetzes gegeben. Es sei daher die Vorstellung abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf fehlerfreie Anwendung des § 38 Abs. 2 Vorarlberger Straßengesetz und damit verbunden in dem Recht auf Nichtzurückschneidenmüssen der Hainbuchenhecke geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen §§ 36 bis 38 des (Vorarlberger) Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, lauten:

"§ 36

Bauabstand

(1) Soweit im Verbauungsplan (Teilregulierung) nichts anderes bestimmt ist und soweit nicht geschlossene Bauweise besteht, dürfen an Landesstraßen innerhalb einer Entfernung von 6 m und an den übrigen öffentlichen Straßen innerhalb einer Entfernung von 4 m keine Bauwerke oder sonstigen Anlagen errichtet werden. Diese Entfernung ist von der Grenze des Straßengrundstückes zu messen. Falls die Straße kein eigenes Grundstück bildet, ist die Entfernung vom äußersten Rand des Straßengrabens, bei aufgedämmten Straßen vom Böschungsfuß und mangels Gräben oder Böschungen vom äußeren Bankettrand zu messen.

(2) Bei Errichtung von Bauwerken oder sonstigen Anlagen, die zu Zwecken dienen, die mit einem regelmäßigen Parken oder sonst häufigen Anhalten von Fahrzeugen verbunden sind (z.B. gast- und schankgewerbliche Betriebe, Kraftfahrzeugwerkstätten, Tankstellen, Hochhäusern), hat die Behörde abweichend vom Abs. 1 größere Abstände vorzuschreiben, wenn sonst für die Straßenbenützer ungünstige Rückwirkungen zu erwarten sind. Kleinere Abstände kann die Behörde ausnahmsweise zulassen, wenn sich dadurch keine ungünstigen Rückwirkungen für die Straßenbenützer ergeben.

§ 37

Einfriedungen

(1) An öffentlichen Straßen dürfen Einfriedungen, die geeignet sind, die Benützung der Straße zu beeinträchtigen, nicht errichtet werden. Die Behörde kann an öffentlichen Straßen die Beseitigung bestehender Einfriedungen verfügen, wenn diese geeignet sind, die Benützung der Straße zu beeinträchtigen. Falls die Beseitigung von Einfriedungen verfügt wird, gebührt für vermögensrechtliche Nachteile eine angemessene Entschädigung. Im Streitfalle steht der ordentliche Rechtsweg offen.

(2) An Einfriedungen, die von einer Landesstraße oder Gemeindestraße, gemessen vom äußeren Bankettrand, nicht mehr als 2 m entfernt sind, dürfen Stacheldraht oder andere spitze Gegenstände nur in einer Höhe von mehr als 2 m über der Straße und nur so angebracht werden, daß die Benützung der Straße nicht beeinträchtigt wird. Elektrisch geladene Zäune dürfen nur in einer Entfernung von mehr als 0,50 m vom äußeren Bankettrand einer Landesstraße oder Gemeindestraße angebracht werden. Bei solchen Zäunen darf der Augenblickswert der Stromstärke 300 mA bei einer Impulsdauer von 0,1 s nicht überschreiten.

(3) Wenn dies wegen der Schneeräumung notwendig ist, kann der Straßenerhalter verlangen, daß außerhalb des verbauten Gebietes (§ 6 Abs. 5) an öffentlichen Straßen Einfriedungen, ausgenommen solche für Haus- und Hofplätze, Hausbünten sowie Gärten, entfernt werden. Die einem Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten dadurch entstehenden Kosten sind zu ersetzen. Im Streitfalle steht der ordentliche Rechtsweg offen. Wenn eine Einfriedung trotz Verlangens nicht entfernt wird, gebührt jedoch für Schäden, die an der Einfriedung durch die Schneeräumung entstehen, kein Schadenersatz.

§ 38

Bäume, Sträucher

(1) Auf Grundstücken, die an öffentliche Straßen grenzen, dürfen Bäume in weniger als 3 m Entfernung von der Straße (§ 36 Abs. 1) nur mit Zustimmung des Straßenerhalters gepflanzt werden.

(2) Die Behörde kann an öffentlichen Straßen die Beseitigung oder das Zurückschneiden von Bäumen oder Sträuchern verfügen, wenn diese geeignet sind, die Benützung der Straße zu beeinträchtigen."

2. Der Beschwerdeführer weist in der Beschwerde darauf hin, daß das Zurückschneiden der Hecke nicht gerechtfertigt sei, weil es sinnvollere Möglichkeiten gebe, einen allfälligen Gefahrenbereich zu sanieren. Diese Möglichkeiten seien im vorgelegten Amtssachverständigengutachten aufgezählt, womit sich die Behörde aber nicht auseinandergesetzt habe, obwohl er diese im Verwaltungsverfahren als Beweismittel angeboten habe.

3. Das vom Beschwerdeführer angesprochene Amtssachverständigengutachten ist ein Gutachten vom 17. März 1992 eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, welches im Zusammenhang mit einem Verfahren betreffend eine Bauabstandsnachsicht gemäß § 36 Abs. 2 Straßengesetz, BGBl. Nr. 28/1969, für die Errichtung eines überdeckten Autoabstellplatzes auf dem Grundstück des Beschwerdeführers eingeholt wurde. Die Gemeindebehörden haben sich im Verwaltungsverfahren nicht auf dieses Gutachten, in dem tatsächlich auch Alternativen zur Verbesserung der Verkehrssituation auf dem gegenständlichen Straßenstück aufgezeigt werden, gestützt, sondern ein Gutachten eines privaten Sachverständigen (vom 3. September 1992) ihrer Entscheidung zugrundegelegt.

4. In dem genannten Gutachten des privaten Sachverständigen vom 3. September 1992, in dem dieser ausdrücklich darauf verzichtet, sämtliche Ausgangsparameter und Randbedingungen festzuhalten und aufzulisten, stellt der Sachverständige fest, daß die Buchenhecke vor dem Haus des Beschwerdeführers "tatsächlich ein sichtbehinderndes Element" darstelle, "wodurch eine Gefahrenquelle gegeben" sei. Es könnten insbesondere talwärtsfahrende Kraftfahrer bis zum "Knickpunkt des A-Weges, der sich kurz nach dem Wasserdurchlaß befindet, den folgenden Teil der Straße wegen der Buchenhecke und der Linienführung der Straße nicht einsehen. Erst nach dem Straßenknick ist die Sicht wieder gegeben."

Da die Straße in diesem Abschnitt für Kraftfahrzeuge nur einspurig zu befahren sei, betrage der maximale Anhalteweg die halbe Gefahrensichtweite. Dies bedeute in diesem Bereich jedoch Schrittgeschwindigkeit, was praxisfremd und aus verkehrsplanerischer Sicht weder erwünscht noch sinnvoll sei. Wesentlich sinnvoller sei auf Erschließungsstraßen eine gleichmäßige Fahrgeschwindigkeit von Tempo 30, welche hier jedoch ohne Gefahr weder berg- noch talwärts möglich sei.

Auch kleinere Personen, wie Schulkinder, die als Fußgänger hinter der Hecke auf dem Weg seien, würden vom Kraftfahrzeuglenker erst im letzten Moment gesehen. Dadurch seien gerade Fußgänger stark gefährdet, insbesondere dann, wenn die Fahrbahnverhältnisse durch die Witterung den Bremsweg verlängerten, entstünden Gefahren, die durch die Schaffung von besseren Sichtverhältnissen vermieden werden könnten.

Eine Verbesserung der Sichtverhältnisse durch die Veränderung der Linienführung der Straße wäre nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand und zusätzlicher Grundinanspruchnahme möglich. Diese Lösung wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn rechtlich keine Möglichkeiten bestehen würden, die erwähnte Buchenhecke zurückzuschneiden.

Nach Wiedergabe des § 38 Straßengesetz und der Feststellung, daß die Buchenhecke ganz eindeutig die Benützung der Straße beeinträchtige, schlägt der Gutachter vor, die Gefahrenstelle durch das Zurückschneiden der Buchenhecke zu entschärfen.

5. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß es auch andere Möglichkeiten gebe, die Gefahrensituation, die durch die Verkehrsexperten konstatiert wurde, zu entschärfen, darauf hingewiesen, daß § 38 Abs. 2 des Straßengesetzes nicht verlange, daß die Beeinträchtigung ein gewisses Maß überschreite oder daß ein Zurückschneiden von Bäumen oder Sträuchern die einzige Möglichkeit sei, Beeinträchtigungen der Straßenbenützung abzustellen.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vor, daß es sich bei § 38 Abs. 2 Straßengesetz ebenso wie bei § 91 Abs. 1 StVO um einen vom Gesetzgeber für zulässig erklärten Eingriff in das Eigentumsrecht handle, wobei der Gesetzgeber bei § 38 Abs. 2 Straßengesetz offenbar ebenfalls die Interessen der Verkehrssicherheit im Auge gehabt habe. Ein derartiger Auftrag zum Zurückschneiden sei jedoch entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 91 Abs. 1 StVO nicht zulässig, wenn mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden könne, also die Entfernung bzw. das Zurückschneiden nicht das einzige Mittel darstelle, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen. Der Beschwerdeführer weist weiters darauf hin, daß nach der Judikatur zu § 91 Abs. 1 StVO ein solcher Eingriff in das Eigentum nicht mit der Möglichkeit gerechtfertigt werden könne, die Fahrgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge zu erhöhen.

6. Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen grundsätzlich im Recht. Die belangte Behörde übersieht bei ihrer Auslegung des § 38 Abs. 2 des Straßengesetzes, daß im Hinblick auf Art. 5 StGG über die allgmeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867, und Art. 1 Abs. 2 1. ZP MRK gesetzliche Bestimmungen, die Eigentumsbeschränkungen vorsehen, von den Verwaltungsbehörden nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angewendet werden dürfen, selbst wenn die Bestimmung im Wortlaut nicht ausdrücklich eine derartige Einschränkung enthält. Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang auch zutreffend auf die hg. Judikatur zu § 91 Abs. 1 StVO hin (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/03/0014).

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind Ermächtigungen zu hoheitlichem Handeln im Lichte der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben. So hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis VfSlg. 5923/1969 zu einstweiligen Anordnungen nach dem Kreditwesengesetz ausgesprochen, daß sich "aus dem Wortlaut und dem Zweck der Gesetzesstelle (ergebe), daß die einstweiligen Anordnungen nur einen solchen Inhalt haben dürfen, der ausreichend ist, um einer der Erfüllung der Zwecke der Beaufsichtigung drohenden dringenden Gefahr zu begegnen. Die Anordnungen sollen ihrer Qualität und Quantität nach zur Ausschaltung der Gefahr und zur Erfüllung der Zwecke der Beaufsichtigung ausreichen und in diesem Sinn erforderlich sein. Das bedeutet: nur die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme darf angeordnet werden. Eine Maßnahme, die ihrer Qualität und Quantität nach nicht erforderlich wäre, um der Gefahr zu begegnen und Zwecke der Beaufsichtigung zu erfüllen, weil überhaupt keine Maßnahme getroffen werden brauchte oder weil auch eine gelindere Maßnahme zum Ziel führen würde, widerspräche dem Gesetz."

In der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Eigentumsbeschränkungen wird regelmäßig auf das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahme hingewiesen (vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 3. Februar 1995, V 135/94 und

V 148/94, und vom 12. Juni 1996, G 1300/95). Hinsichtlich Maßnahmen, die mit einer gravierenden finanziellen Belastung des Betroffenen verbunden sind, wird gestützt auf Art. 5 StGG darüber hinaus auch auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit als Voraussetzung für die Erteilung etwa eines verwaltungspolizeilichen Auftrages hingewiesen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13.587/1993). Der Verfassungsgerichtshof sieht das Element der wirtschaftlichen Zumutbarkeit als eine besondere Ausformung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit an. Eigentumsbeschränkungen dürfen nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nur verfügt werden, wenn hiefür ein Allgemeininteresse vorhanden und überdies die Maßnahme geeignet ist, den angestrebten (öffentlichen) Zweck zu erreichen und verhältnismäßig ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1995, V 60/94). Die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bedeutet jedoch auch, daß die Maßnahme nicht nur zur Zielerreichung geeignet sein muß, sondern daß keine anderen Möglichkeiten zur Zielerreichung, die im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, insbesondere weniger in die Grundrechtssphäre des einzelnen eingreifen, vorhanden sind (vgl. in diesem Zusammenhang wiederum das oben zitierte Erkenntnis VfSlg. 5923/1969 oder das Erkenntnis VfSlg. 13.587/1993, in dem der Verfassungsgerichtshof betont, daß die ADÄQUANZ der Maßnahme zu prüfen sei).

7. Im Beschwerdefall hat die Gemeindebehörde zweiter Instanz ausgehend von der Rechtsansicht, daß § 38 Abs. 2 Straßengesetz die Prüfung von Alternativen nicht erfordere, allein auf Grund des Umstandes der festgestellten Sichtbehinderung die Zulässigkeit der Erteilung eines Auftrages gemäß § 38 Abs. 2 Straßengesetz angenommen. Die belangte Behörde ist dieser Rechtsauffassung gefolgt.

Im Hinblick auf das oben genannte hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/03/0014, zu § 91 Abs. 1 StVO, dessen Grundgedanken - vor allem unter Berücksichtigung der oben skizzierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Eigentumsbeschränkungen - nach Auffassung des erkennenden Senates auch für § 38 Abs. 2 Straßengesetz zur Anwendung kommen müssen, wäre aber vor Erlassung eines Auftrages gemäß § 38 Abs. 2 Straßengesetz zu prüfen, ob mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden kann, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen. Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf das Sachverständigengutachten vom 17. März 1992 hin, in dem auch andere Maßnahmen aufgezeigt werden, die festgestellten Gefahren zu reduzieren. Die Feststellung in dem Gutachten vom 3. September 1992, das von der Behörde erster Instanz im vorliegenden Verfahren herangezogenen wurde, daß eine Reduzierung der Gefahr durch bauliche Maßnahmen wegen der damit verbundenen Kosten nicht in Betracht käme, WEIL die Möglichkeit eines Auftrags zum Zurückschneiden der Hecke bestünde, stellt eine gravierende Verkennung der dargestellten Rechtslage dar. Eine (auch gesetzlich vorgesehene) Eigentumsbeschränkung darf nicht ohne Prüfung der zur Verfügung stehenden Alternativen verfügt werden. Diesbezüglich läßt das Gutachten auch jegliche Auseinandersetzung mit dem aktenkundigen Gutachten vom 17. März 1992 vermissen. Dadurch, daß die Gemeindebehörde zweiter Instanz unter Zugrundelegung dieser verfehlten Rechtsauffassung ebenfalls eine derartige Prüfung unterlassen hat, leidet der Bescheid der Berufungskommission an einem Verfahrensmangel, der auch wesentlich ist.

Die belangte Behörde hätte diesen Verfahrensmangel im Rahmen des Vorstellungsverfahrens wahrzunehmen gehabt und den Bescheid der Berufungskommission aus diesem Grunde aufheben müssen (soferne sie nicht selbst durch eigene ergänzende Erhebungen und Sachverhaltsfeststellungen den maßgebenden Sachverhalt ausreichend klarstellte). Dadurch, daß sie - ebenfalls unter Zugrundelegung der dargestellten verfehlten Rechtsansicht - dies unterlassen hat, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

8. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

9. Nur der Vollständigkeit halber ist für das fortgesetzte Verfahren auf folgendes hinzuweisen:

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, daß er aufgrund des rechtskräftigen Bescheides vom 9. September 1991 des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz verpflichtet sei, die in Rede stehende Hainbuchenhecke zu erhalten (in der Beschwerde wird dieser Umstand in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, ohne daß in der Folge rechtliche Schlüsse daraus gezogen wurden).

Aus einer in einer verwaltungsrechtlichen Bewilligung enthaltenen Auflage (hier: der Auflage, die Hecke zu erhalten) erwächst dem Bewilligungswerber jedoch kein Recht, weil man nicht davon ausgehen kann, daß mit dem Wegfall der Auflage auch die seinerzeit erteilte Bewilligung beseitigt würde. Eine Bindungswirkung der Behörden im Hinblick auf die den Behörden im Gesetz auferlegte Verpflichtung zur Erlassung verwaltungspolizeilicher Aufträge kann daher - auch angesichts des Umstandes, daß sich die 1991 erteilte Bewilligung für den Kfz-Unterstellplatz auf § 36 Abs. 2 Vlbg. Straßengesetz stützte - nicht angenommen werden (anders wäre die Rechtslage, wenn dem Beschwerdeführer eine rechtskräftige Bewilligung nach dem Straßengesetz für die Hecke erteilt worden wäre; in diesem Fall könnte ein verwaltungspolizeilicher Auftrag, wie er beschwerdegegenständlich ist, nur ergehen, wenn aufgrund einer Änderung des maßgebenden Sachverhalts die Rechtskraft der Entscheidung dem Auftrag nicht mehr entgegengehalten werden könnte, oder aber, wenn aus der gesetzlichen Grundlage für den Auftrag erkennbar sein sollte, daß dieser auch zulässig ist, wenn für die betroffene Anlage eine rechtskräftige Bewilligung vorliegt, wobei hier nicht der Frage nachgegangen werden muß, wo die verfassungsrechtlichen Grenzen für Bestimmungen dieser Art, mit denen in die Rechtskraft behördlicher Entscheidungen eingegriffen würde, liegen).

10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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