VwGH 96/21/0224

VwGH96/21/022417.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Juli 1995, Zl. St 207/95, betreffend Aufenthaltsverbot und Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I), und gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß sich der ledige Beschwerdeführer seit 26. Jänner 1993 in Österreich aufhalte, seine Eltern lebten in Bosnien. Außer seiner Schwester habe er im Bundesgebiet keine weiteren Verwandten. Der Beschwerdeführer gehe keiner Beschäftigung nach. Die Bezirkshauptmannschaft Perg habe ihm am 19. Juli 1993 bestätigt, daß ihm ein Aufenthaltsrecht gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz zukomme.

Der Beschwerdeführer sei während seines Aufenthaltes in Österreich am 12. Jänner 1995 vom Bezirksgericht Linz wegen §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Geldstrafe, und am 11. Mai 1995 vom Landesgericht Linz wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130 Abs. 1, zweiter und vierter Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, hievon 20 Monate bedingt, verurteilt worden.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt.

Angesichts der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführer würde es sich erübrigen, zu erörtern, ob das Aufenthaltsverbot im Sinne des § 19 FrG dringend geboten und im Sinne des § 20 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei. Selbst wenn ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vorläge, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe während der relativ kurzen Zeit seines Aufenthaltes bereits schwerwiegende strafbare Handlungen begangen. Aus diesem Verhalten sei zu ersehen, daß der Beschwerdeführer den in Österreich geschützten Rechtsgütern negativ gegenüberstehe. Es könne nicht geduldet werden, daß Fremde die Gastfreundschaft eines Landes bzw. Einrichtungen, die zum Schutz von aus Kriegsgebieten kommenden Personen geschaffen wurden (§ 12 AufG) zur Begehung von strafbaren Handlungen mißbrauchen. Seinen Angaben zufolge sei der Beschwerdeführer ohne entsprechende Beschäftigungsbewilligung in Österreich einer Beschäftigung nachgegangen. Dies widerspreche den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes.

Der Beschwerdeführer sei bereits erwachsen und könne für sich selbst sorgen. Seiner Beziehung zu seiner Schwester sei daher nur wenig Gewicht beizumessen.

Unter Abwägung all dieser Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher zulässig. Daran würden die Behauptungen des Beschwerdeführers, seine Verfehlungen beruhten auf einem Abgleiten in eine schlechte Gesellschaft und er verfüge nunmehr über einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, nichts ändern können.

Da sich der Beschwerdeführer schwerster Verfehlungen gegen das Eigentumsrecht anderer Personen schuldig gemacht habe, könne nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, wegfallen werden.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 8. Juni 1995 habe der Beschwerdeführer angegeben, er sei in seinem Heimatland nicht vorbestraft und werde weder von der Polizei noch vom Gericht gesucht. Den Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG habe er mit dem in Bosnien herrschenden Krieg begründet. Seine Heimatstadt sei derzeit von den bosnischen Serben besetzt. Seine Eltern hätte er bereits seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Er würde um sein Leben fürchten, wenn er nach Bosnien zurückkehren müsse.

Solche allgemein gehaltenen Hinweise, wonach derzeit im Heimatstaat Krieg herrsche und der Beschwerdeführer deshalb um sein Leben fürchten müsse, vermögen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu begründen. Auch der behauptete Mangel an Unterkünften bzw. Bezugspersonen im Heimatstaat begründe keinesfalls eine solche Gefährdung bzw. Bedrohung. Aus dem lapidaren und unsubstantiierten Hinweis, wonach das Leben des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat aus politischen, religiösen und militärischen Gründen gefährdet sei, könne die in § 37 Abs. 1 und 2 FrG umschriebene Gefahr nicht abgeleitet werden. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer in Österreich keinen Asylantrag gestellt habe. Aus den vorgebrachten Umständen ergebe sich, daß keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die oben angeführten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen und tritt auch nicht der - zutreffenden - rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, daß damit der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, entgegen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß bei der ersten Verurteilung nur eine bedingte Geldstrafe und bei der zweiten Verurteilung eine teilbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden sei. Darüber hinaus sei ihm zugute zu halten, daß er aufgrund seines geringen Alters scheinbar in schlechte Gesellschaft abgerutscht sei. Er bedaure dies nunmehr zutiefst und habe seine Besserung angekündigt.

Unter Zugrundelegung der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten (schwerer gewerbsmäßiger Einbruchsdiebstahl) begegnet die Auffassung der belangten Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die für die Vollziehung des Fremdengesetzes zuständigen Behörden die Frage, ob die von einem Fremden begangene Straftat die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt, ohne Bindung an die für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht maßgeblichen Erwägungen des Gerichtes eigenständig unter dem Gesichtspunkt des Fremdenrechtes zu beurteilen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0896). Im übrigen entschuldigt ein allfälliges Abrutschen in schlechte Gesellschaft nicht die gewerbsmäßige Begehung von Diebstählen.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß sich der Beschwerdeführer seit etwas mehr als zwei Jahren rechtmäßig in Österreich aufhält. Bereits aus diesem Grunde ist von einem relevanten Eingriff durch das Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0637).

Der Beschwerdeführer hält die Auffassung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, für verfehlt. Er vermag jedoch keine der belangten Behörde in diesem Zusammenhang unterlaufene Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat nämlich zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Eigentumskriminalität einen hohen Stellenwert beigemessen. Es kann ihr daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des vom - seit Jänner 1993 im Bundesgebiet aufhältigen - Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens zum Ergebnis kam, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter, sohin zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten sei.

Der Beschwerdeführer bekämpft das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung. Er meint, durch das Aufenthaltsverbot werde in unbilliger und schwerwiegender Weise in seine Lebenssituation eingegriffen. Seine in Österreich lebende Schwester sei für ihn der einzige soziale Anknüpfungspunkt. Es sei durchaus möglich, daß seine Eltern aufgrund der Kriegswirren im Heimatstaat nicht mehr auffindbar bzw. bereits verstorben seien. Im Falle einer Abschiebung sei der Beschwerdeführer daher völlig auf sich allein gestellt.

Damit kann der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen das Ergebnis der Interessenabwägung im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG erwecken. Nach dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Der Beschwerdeführer hält sich etwas mehr als zwei Jahre rechtmäßig in Österreich auf. Dieser Dauer des Aufenthaltes kann nur ein geringes Gewicht beigemessen werden, zumal die für eine daraus abzuleitende Integration wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen schwerwiegenden Straftaten erheblich beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 95/18/0286). Der Aufenthalt seiner in Österreich lebenden Schwester vermag keine berücksichtigungswürdige familiäre Integration in Österreich zu bewirken, zumal der Beschwerdeführer erwachsen ist und auch gar nicht behauptet, mit seiner Schwester in einem gemeinsamen Haushalt zu leben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0531). Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, im Falle einer Abschiebung wisse er nicht, an wen er sich bezüglich Wohnsitz und Lebensunterhalt halten solle, ist ersichtlich, daß seine Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich vorwiegend wirtschaftlicher Natur sind. Auf das berufliche Fortkommen eines Fremden ist jedoch im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG nicht Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0793). Ob der Beschwerdeführer nunmehr über einen Wohnsitz in Österreich verfügt, vermag - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - das Gewicht der schwach ausgeprägten persönlichen Interessen nicht wesentlich zu verstärken. Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung, daß er von seinen Eltern seit drei Jahren nichts gehört habe.

Angesichts dieser privaten Interessen muß die Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen: Die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Beschwerdeführers, sich eine fortlaufende Einnahme durch nicht bloß gelegentliche (Einbruchs-)Diebstähle zu sichern, bewirkt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit. Das Ergebnis der Interessenabwägung kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Zum Spruchteil II des angefochtenen Bescheides führt der Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde übersehe, daß er Moslem sei und nach Banja Luka, dem serbischen Teil von Bosnien, abgeschoben werden solle. Allein aus dieser Tatsache sei eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers anzunehmen, berücksichtige man die allgemein bekannte Situation der Feindseligkeiten dieser beiden Bevölkerungs- und Religionsgruppen.

Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, daß es dem Fremden, der eine Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. mit § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG begehrt, obliegt, zumindest glaubhaft zu machen, daß ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort die in § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Tatsache kriegerischer Handlungen in dem vom Antrag erfaßten Staat (hier: Bosnien-Herzegowina) stellt für sich allein keinen Grund dar, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung des betreffenden Fremden im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erblicken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0295). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer gar nicht geltend gemacht, daß sein Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage wäre, ihn vor den in § 37 leg. cit. umschriebenen Gefahren zu schützen. Dazu kommt, daß mit einer Abschiebung nicht darüber abgesprochen wird, wo sich der Beschwerdeführer in Bosnien werde aufhalten müssen. Die Auffassung der belangten Behörde, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht ist, ist somit richtig.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt somit erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt und die Beschwerde unbegründet ist. Sie war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch des Berichter über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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