VwGH 96/20/0587

VwGH96/20/058724.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juli 1996, Zl. 4.342.248/8-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 4. September 1992 in das Bundesgebiet ein, beantragte am 11. September 1992 Asyl und wurde dazu am 7. Oktober 1992 niederschriftlich befragt.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 8. Oktober 1992 den Asylantrag und mit Bescheid vom 2. März 1993 den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag, ihm eine "vorläufige Aufenthaltsbescheinigung" auszustellen, ab.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. November 1994 ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. November 1995, Zl. 94/20/0879, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - im wesentlichen dadurch, daß eine zur Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers schon in erster Instanz beantragte Zeugenvernehmung unterblieben war - auf.

Mit dem vorliegenden Ersatzbescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Beschwerdeführers neuerlich ab. Begründend führte sie aus, sie übernehme die Begründung des Bescheides vom 7. November 1994 mit Ausnahme eines bestimmten darin enthaltenden Absatzes, "zumal" die in erster Instanz beantragte Zeugeneinvernahme nun durchgeführt worden sei und ihre (näher dargestellten) Ergebnisse die belangte Behörde in den im Bescheid vom 7. November 1994 getroffenen Feststellungen "bestärkt" hätten. Da der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, habe ihm nicht Asyl gewährt werden können. Das Ermittlungsverfahren, insbesondere die ergänzende niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers am 24. Juni 1996, habe aber "überdies" ergeben, daß die Gültigkeitsdauer des Reisepasses des Beschwerdeführers von der türkischen Botschaft in Wien mit Datum vom 10. März 1995 verlängert worden sei, wodurch der Beschwerdeführer den Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention verwirklicht habe. Dem diesbezüglichen Vorhalt habe der Beschwerdeführers nichts entgegengesetzt, was an der Freiwilligkeit der Beantragung der Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses zweifeln ließe.

In der vorliegenden Beschwerde gegen diesen Bescheid führt der Beschwerdeführer in der Darstellung des Sachverhaltes aus, ihm sei am 10. März 1995 von der türkischen Botschaft in Wien ohne nähere Prüfung sein Reisepaß sofort nach dessen Vorlage für weitere fünf Jahre verlängert worden. Diese Verlängerung habe er sowohl für die spätere Inskription an der Universität Wien als ordentlicher Hörer als auch für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis benötigt.

In der Beschwerdebegründung setzt sich der Beschwerdeführer mit diesem Thema wie folgt auseinander:

"Ich beantragte bei der türkischen Botschaft in Wien die Verlängerung meines Reisepasses, welche mir ohne nähere Prüfung sofort für weitere fünf Jahre gewährt wurde. Dem meinen Antrag bearbeitenden Mitarbeiter der türkischen Botschaft war nicht bekannt, daß ich in Österreich um politisches Asyl angesucht habe. Über meine Verhaftungen, Mißhandlungen, Folterungen wurden naturgemäß keine Aufzeichnungen geführt, weshalb dies dem den Antrag bearbeitenden Mitarbeiter der türkischen Botschaft nicht bekannt sein konnte. Da ich in der Türkei kein einziges Mal strafgerichtlich verfolgt wurde, sah der bearbeitende Beamte keinen Grund, mir meinen Reisepaß nicht zu verlängern.

Wie ich bereits dargelegt habe, benötigte ich eine Verlängerung meines Reisepasses für die Erlangung einer Arbeitserlaubnis sowie für die Vorlage an der Universität Wien zum Zwecke der Inskription als ordentlicher Hörer.

Die bloße Beantragung einer Verlängerung eines Reisepasses in einer Botschaft bedeutet noch lange nicht, daß ich gerade den Schutz jenes Staates begehre, welcher mich bis zu meiner Flucht wiederholt verhaften, mißhandeln und foltern ließ. Gerade mein Antrag auf Gewährung von Asyl nach meinen erlittenen Mißhandlungen und meiner Flucht beweist vielmehr, daß ich begründete Angst um mein Leben im Falle einer Rückkehr in die Türkei habe und mich daher keinesfalls wieder freiwillig unter deren Schutz stellen möchte.

Ich lebe seit nunmehr beinahe vier Jahren ununterbrochen in der Republik Österreich, bin seit drei Jahren verheiratet, arbeite seit mehr als drei Jahren ununterbrochen aufgrund ordnungsgemäßer Beschäftigungsbewilligung und Arbeitserlaubnis in einem ausgezeichneten österreichischen Betrieb, zahle Steuern, bin sozialversichert und absolviere in meiner Freizeit als ordentlicher Hörer der Universität Wien erfolgreich das Studium der Soziologie, welches mir in meinem Heimatstaat aufgrund meiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und alevitischen Glaubensgemeinschaft verwehrt wurde. Aufgrund der Verlängerung des Reisepasses konnte ich somit ein geordnetes und finanziell unabhängiges Familienleben führen, mich sozial vollstens integrieren und mein Studium weiterbetreiben."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit den wiedergegebenen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer den Inhalt und die systematische Stellung des gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzuwendenden Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, mit dessen Auslegung in Lehre und Rechtsprechung er sich an keiner Stelle auseinandersetzt:

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (und § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) setzt die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft u.a. voraus, daß der Betroffene nicht in der Lage oder im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen. Nicht nur der Wegfall der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Falle einer Rückkehr, sondern schon der Wegfall der mangelnden Fähigkeit oder Bereitschaft, wegen der im Heimatland drohenden Verfolgung auch bloß außerhalb dieses Landes dessen Schutz in Anspruch zu nehmen, läßt die Flüchtlingseigenschaft in der im Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention geregelten Weise erlöschen. Die erfolgreiche Beantragung eines Passes ist eine typische Form der Unterschutzstellung im Sinne dieser Bestimmung und grundsätzlich ausreichend, um ihren Tatbestand zu erfüllen (vgl. dazu Grahl-Madsen, The Status auf Refugees in International Law, Band 1, S. 379 bis 395; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Rz. 120 bis 124). Wenn ein Flüchtling einen Paß seines Heimatlandes "oder auch lediglich die Erneuerung des Passes beantragt und erhält, so läßt dies darauf schließen, daß er die Absicht hat, erneut den Schutz des Landes seiner Staatsangehörigkeit in Anspruch zu nehmen, es sei denn, er kann Beweise vorbringen, die diese Annahme widerlegen" (UNHCR, a.a.O., Rz. 121). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt, wenn nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 12. September 1996, Zl. 96/20/0531, vom 5. Juni 1996, Zl. 96/20/0308, vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/01/0441, vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0838, vom 2. März 1995, Zl. 94/19/0432, vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0060, und vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/20/0881, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Ist die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses eine der Formen, in denen ein Staat seinen Angehörigen Schutz gewährt (vgl. dazu die zitierten Erkenntnisse), so bedarf es keiner Absicht des Betroffenen, den Schutz seines Heimatlandes auch noch auf andere Art - etwa durch eine Rückkehr in dieses Land - in Anspruch zu nehmen. Das Fehlen einer solchen Absicht ist ebenso unmaßgeblich wie ein Fortbestand der Fluchtgründe als solcher, wenn die darauf gegründete Furcht den Betroffenen nicht mehr davon abhält, den Schutz seines Heimatlandes in der erwähnten Weise in Anspruch zu nehmen. Was im Einzelfall zu einem anderen Ergebnis führen kann, sind vor allem Umstände, die die Freiwilligkeit des zu beurteilenden Verhaltens in Frage stellen (vgl. dazu aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0838; Grahl-Madsen, a.a.O., S. 384 f; UNHCR, a.a.O., Rz. 120 und 124). Derartige Umstände macht der Beschwerdeführer mit der Behauptung, er habe die Verlängerung seines Reisepasses "für die Erlangung einer Arbeitserlaubnis sowie für die Vorlage an der Universität Wien zum Zwecke der Inskription als ordentlicher Hörer" benötigt, aber nicht geltend (vgl. vielmehr das eine Arbeitserlaubnis betreffende Beispiel bei Grahl-Madsen, a.a.O., S. 382 und 384).

Einer Prüfung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers bedarf es unter diesen Umständen nicht mehr. Bleibt es bei der Abweisung (der Berufung gegen den Bescheid vom 8. Oktober 1992 und damit) des Asylantrages, so kommt gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 auch die Feststellung und Bescheinigung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht mehr in Frage.

Schon der Inhalt der Beschwerde läßt somit erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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