VwGH 96/20/0345

VwGH96/20/034512.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über den Antrag des H in G, vertreten durch Mag. A, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der beim Verwaltungsgerichtshof in einer Angelegenheit des Strafvollzuges eingebrachten Säumnisbeschwerde, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.

Begründung

Am 5. September 1995 brachte der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (protokolliert zur hg. Zl. 95/20/0548) ein mit der Behauptung, er habe am 3. März 1995 beim Bundesministerium für Justiz um eine Strafvollzugsortänderung angesucht und bis dato keine Entscheidung darüber erhalten. Über seinen Antrag wurde ihm mit hg. Beschluß vom 7. Dezember 1995 Verfahrenshilfe u.a. durch Beigebung eines Verfahrenshelfers bewilligt und der ihm auf Grund der bewilligten Verfahrenshilfe sodann bestellten Vertreterin Mag. A am 12. Februar 1996 der Auftrag zur Verbesserung der eingebrachten Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen durch Behebung von Mängeln erteilt. Infolge lediglich unvollständiger Befolgung dieses Mängelbehebungsauftrages wurde in der Folge mit hg. Beschluß vom 6. März 1996 das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Mit dem nunmehr vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag begehrt der Beschwerdeführer unter gleichzeitigem Anschluß der fehlenden Urkundenausfertigungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur (vollständigen) Mängelbehebung und begründet diesen im wesentlichen damit, im Zuge der Postabfertigung durch die verantwortliche Kanzleimitarbeiterin der bestellten Verfahrenshelferin sei es verabsäumt worden, die Originalbeschwerde vom 5. September 1995 an den Verwaltungsgerichtshof (wieder) vorzulegen sowie die Zweitausfertigung samt Beilagen beizufügen. Die Verfahrenshelferin sei ihrer Überwachungspflicht dennoch nachgekommen und habe auch den Schriftsatz vom 22. Februar 1996 kontrolliert und Anweisung erteilt, die im Schriftsatz angeführten Urkunden vorzulegen, insbesondere auch die seinerzeitige Beschwerde vom 5. September 1995 des Beschwerdeführers samt Zweitausfertigung. Infolge eines Versehens einer Kanzleiangestellten sei dies jedoch unterblieben, was für den Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle, wobei dieses Versehen auch lediglich einen minderen Grad des Versehens darstelle, sodaß es einer Wiedereinsetzung nicht entgegenstehe.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Rechtsvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Rechtsvertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es hieße die Kontrollpflicht eines Rechtsanwaltes überspannen, müßte er sich in jedem Fall nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft noch von deren tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugen (vgl. auch hg. Beschluß vom 21. Februar 1995, Zl. WE 95/20/0034, und die dort wiedergegebene Judikatur).

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall die erfolgte Mängelbehebung als unvollständig erkannt, weil entgegen der ausdrücklichen diesbezüglichen Anweisung der Verfahrenshelferin an deren ansonsten zuverlässige Kanzleimitarbeiterin der verbesserten Beschwerde nicht die im Mängelbehebungsauftrag enthaltenen Ausfertigungen beigelegt worden waren. Daß aber die Verfahrenshelferin des Beschwerdeführers nicht auch die näheren Umstände der Postabfertigung überwachte, sondern sich darauf verließ, daß ihren Anweisungen entsprechend vorgegangen wurde, vermag ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden nicht zu begründen.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war somit stattzugeben.

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