Normen
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
DVG 1984 §12 Abs1;
DVG 1984 §13 Abs2;
DVG 1984 §2;
PTSG 1996 §17 Abs2;
PTSG 1996 §17 Abs3;
PTSG 1996 §17 Abs4;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
DVG 1984 §12 Abs1;
DVG 1984 §13 Abs2;
DVG 1984 §2;
PTSG 1996 §17 Abs2;
PTSG 1996 §17 Abs3;
PTSG 1996 §17 Abs4;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
Spruch:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und des hg. Aktes zu Zl. 96/12/0008 geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie hat einen Arbeitsplatz im Bereich der ehemaligen Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg (dislozierte Außenstelle des Hochbaureferates Salzburg) - nunmehr (ab 1. Mai 1996 auf Grund der sogenannten "Privatisierung" der Post nach dem Poststrukturgesetz = Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) bei einer Betriebsstelle der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft in Salzburg - inne.
Mit Schreiben vom 14. Juli 1994 stellte sie bei der damals zuständigen Dienstbehörde erster Instanz (Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg) unter anderem den Antrag, ihren Arbeitsplatz in PT 5 einzustufen.
Mit Devolutionsantrag vom 24. Mai 1995 machte die Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Übergang der Entscheidungszuständigkeit auf den damals zuständigen Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (Generaldirektion der Post- und Telegraphenverwaltung) geltend.
Da auch diese Behörde in der Folge nicht entschied, brachte die Beschwerdeführerin die unter Zl. 96/12/0008 protokollierte Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Mit hg. Verfügung vom 29. Jänner 1996, die der belangten Behörde nach dem 5. März 1996 zugestellt wurde, wurde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG das Vorverfahren eingeleitet und der damals belangten Behörde (Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) eine dreimonatige Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides eingeräumt.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1996 wurde unter anderem über den Einstufungsantrag der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 1994 abweisend entschieden. Der Kopf dieses Bescheides trägt folgende Bezeichnung:
"Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA)
"Personalamt" beim Vorstand der PTA."
Die Fertigungsklausel lautet:
"Für den Bundesminister:
(Unterschrift eines Organwalters)"
Der dritte Absatz des Spruches dieses Bescheides lautet:
"Weiters wird festgestellt, daß die für die Entscheidung über Ihren Antrag auf Einstufung Ihres Arbeitsplatzes zuständige Behörde die Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg in Linz (Dion Linz) war, diese Entscheidungspflicht aber auf Grund des Devolutionsantrages vom 24. Mai 1995 auf die Generaldirektion der Post- und Telegraphenverwaltung (Gendion) übergegangen ist. Deren Aufgaben gingen per 1. Mai 1996 gemäß § 21 Poststrukturgesetz (PTSG) auf das "Personalamt beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA) über."
Auf Grund dieser als Bescheid des Bundesministers für Finanzen gewerteten Erledigung stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. Juni 1996 das Säumnisbeschwerdeverfahren zu Zl. 96/12/0008 ein.
Der nachgeholte Bescheid vom 7. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Rechtsvertreterin am 10. Juni 1996 zugestellt. Die Beschwerde hätte daher spätestens am 22. Juli an den Verwaltungsgerichtshof adressiert zur Post gegeben werden müssen. Die am 26. Juli 1996 zur Post gegebene Beschwerde (hg. Zl. 96/12/0248), die diese Erledigung als Bescheid des Personalamtes beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG wertete, wäre daher verspätet. Die Beschwerdeführerin stellte deshalb den ebenfalls am 26. Juli 1996 zur Post gegebenen Wiedereinsetzungsantrag, in dem sie im wesentlichen vorbrachte, ihre Rechtsvertretung habe am 22. Juli 1996 die fertiggeschriebene und geringfügig handschriftlich korrigierte Beschwerde ihrer langjährigen Sekretärin D. übergeben. D. habe die Korrekturen durchgeführt, die Beschwerde mit den dazugehörigen Beilagen und Stempelmarken versehen und der Beschwerdevertreterin zur Unterfertigung vorgelegt. Danach sei es Aufgabe von G. gewesen, die fertiggestellte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eingeschrieben aufzugeben. D. sei seit 14 Jahren als Rechtsanwaltssekretärin und Kanzleileiterin tätig und sei absolut verläßlich. Nachdem sich die Beschwerdevertreterin am 23. Juli 1996 in das Bezirksgericht Salzburg begeben habe, um dort aus dem ihr zugeteilten Gerichtsfach ihre Post zu beheben, habe sie feststellen müssen, daß D. die Bescheidbeschwerde versehentlich anstatt an den Verwaltungsgerichtshof an das Bezirksgericht Salzburg geschickt habe. Das Bezirksgericht Salzburg habe zunächst offenbar die falsche Adressierung übersehen und den Gerichtsstempel mit Datum 23. Juli 1996 auf die Bescheidbeschwerde gedruckt. Nachdem der Fehler entdeckt worden sei, sei die Beschwerde samt Kuvert in das Gerichtsfach der Beschwerdevertreterin gelegt worden. Nachträglich lasse sich nicht wirklich nachvollziehen, wie Frau D. der folgenschwere Fehler unterlaufen sei. D., die an diesem Tag mehrere Poststücke zu versenden gehabt habe, könne sich diesen Fehler nur dadurch erklären, daß sie, ansonsten äußerst gewissenhaft, seit Tagen unter einer in Salzburg grassierenden Sommergrippe gelitten habe und ihr dieser Fehler offensichtlich auch unter dem Einfluß der daraus folgenden Unpäßlichkeit passiert sei. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin sei jedenfalls der ihr zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überprüfungspflicht gegenüber D. nachgekommen; insofern sei ihr kein Verschulden anzulasten. Das einmalige Versehen der Kanzleileiterin D., die die an den Verwaltungsgerichtshof adressierte Bescheidbeschwerde in ein mit "Bezirksgericht Salzburg" bedrucktes Kuvert gesteckt habe, könne auch durch ständige Kontrolle und ein an und für sich funktionierendes System nicht verhindert werden, da es der Beschwerdevertreterin nicht zugemutet werden könne, bei einer so langjährigen und verläßlichen Mitarbeiterin auch die Übergabe der Poststücke zu kontrollieren.
Dieses Vorbringen hat die Beschwerdeführerin unter anderem durch eine eidesstättige Erklärung von D. sowie die Vorlage der Bescheidbeschwerde mit dem Stempel der gemeinsamen Einlaufstelle beim Landes- und Bezirksgericht Salzburg vom 23. Juli 1996 unter Vorlage eines an das Bezirksgericht Salzburg adressierten und am 22. Juli zur Post gegebenen Briefumschlages bescheinigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorab weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß davon auszugehen ist, daß der angefochtene Bescheid wegen der im dritten Absatz seines Spruches enthaltenen (oben wörtlich wiedergegebenen) Ausführungen vom Personalamt beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG erlassen wurde. Dem Widerspruch zwischen Kopf und Fertigungsklausel kommt daher (bei dieser Fallkonstellation anders als in der den hg. Beschlüssen vom heutigen Tag, Zl. 96/12/0244, Zl. 96/12/0268 und Zl. 96/12/0287 zugrundeliegenden) keine Bedeutung zu (vgl. zu einer ähnlichen Problemlage, in der der im Spruch genannten Behörde die entscheidende Rolle zuerkannt wurde z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1983, Zl. 09/0377/80). Da dem beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichteten Personalamt nach § 17 Abs. 2 des Poststrukturgesetzes Behördenfunktion (siehe dazu näher unten) eingeräumt wurde und die bekämpfte Erledigung auch alle sonstigen Merkmale eines Bescheides aufweist, liegt ein Bescheid vor.
Ungeachtet dieser Ausführungen kommt der bekämpften Erledigung vom 7. Juni 1996 aber schon deshalb Bescheidcharakter zu, weil ihre Wertung als Bescheid die tragende Begründung für den hg. Einstellungsbeschluß vom 7. Juni 1996, Zl. 96/12/0008, war und insofern Bindungswirkung gegeben ist. Der Frage, von welcher Behörde der nachgeholte Bescheid erlassen wurde, kommt hingegen für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens nach § 36 Abs. 2 VwGG keine rechtserhebliche Bedeutung zu; daher besteht bezüglich der im hg. Einstellungsbeschluß vom 24. Juni 1996 gewählten Behördenbezeichnung keine Bindung. Die Beschwerdeführerin hat nach dem oben Gesagten daher zutreffend sowohl in ihrem Wiedereinsetzungsantrag als auch in ihrer Bescheidbeschwerde als belangte Behörde das beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG eingerichtete Personalamt genannt.
Was den geltend gemachten Wiedereinsetzungsantrag betrifft, ist folgendes zu bemerken:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschuden zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 7. März 1996, Zl. 96/09/0048, mit weiteren Nachweisen). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.
Ausgehend von den glaubwürdigen - durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel bestätigten - Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ist die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung durch die Vertreterin der Beschwerdeführerin auf ein für diese unvorhergesehenes Ereignis, nämlich auf ein der sonstigen Verläßlichkeit widersprechendes Verhalten der Kanzleiangestellten zurückzuführen. Es liegt auch kein Anlaß zur Annahme vor, die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin habe ihre Kontrollpflichten gegenüber ihrer Kanzleiangestellten grob vernachlässigt.
Die Beschwerdeführerin erleidet auch durch die Versäumung der Frist einen Rechtsnachteil im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, nämlich den, eine rechtzeitige (zulässige) Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde nicht mehr erheben zu können.
Dies ergibt sich auf Grund folgender Überlegung:
Die belangte Behörde nimmt nach § 17 Abs. 2 des Poststrukturgesetzes "die Funktion einer obersten Dienstbehörde" für die nach Abs. 1 kraft Gesetzes der Post und Telekom Austria AG oder einem Unternehmen, an dem diese Aktiengesellschaft zumindest mehrheitlich beteiligt ist, für die Dauer ihres Dienststandes zugewiesenen (bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten) aktiven Beamten wahr. Das Personalamt wird vom Vorsitzenden des Vorstandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft geleitet. Der Vorsitzende des Vorstandes ist in dieser Funktion an die Weisungen des Bundesministers für Finanzen gebunden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung werden zur Wahrnehmung der bisher den Post- und Telegraphendirektionen zugekommenen Funktionen einer nachgeordneten Dienstbehörde nachgeordnete Personalämter bei bestimmten Betriebsstellen der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichtet. Nach § 17 Abs. 4 des Poststrukturgesetzes gilt für die gemäß Abs. 2 und 3 eingerichteten Personalämter § 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29 sinngemäß.
Nach der Übergangsbestimmung des § 21 des Poststrukturgesetzes sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage mit der Maßgabe zu Ende zu führen, daß dem gemäß § 17 Abs. 2 eingerichteten Personalamt die Funktion einer Oberbehörde und den nach § 17 Abs. 3 eingerichteten Personalämtern die Funktion der erstinstanzlichen Behörde zukommt.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dem beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamt die Stellung einer (selbständigen) Behörde (und nicht bloß die eines Hilfsapparates des Bundesministers für Finanzen - vgl. dazu den hg. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 96/12/0244) zukommt, die wegen ihrer Funktion als oberste Dienstbehörde in Verbindung mit der sinngemäßen Anwendung des § 2 DVG in allen den nachgeordneten Dienstbehörden zur Besorgung in erster Instanz übertragenen Angelegenheiten als Behörde letzter Instanz, in den übrigen Angelegenheiten aber als Behörde erster und letzter Instanz fungiert. Als oberste Dienstbehörde kommt der belangten Behörde aber auch nach § 13 Abs. 2 DVG die Zuständigkeit zu, in den dort genannten Fällen rechtskräftige Bescheide aufzuheben und abzuändern.
Auf Grund dieser besonderen Rechtslage steht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gegen Bescheide der belangten Behörde, die diese in einer delegierten dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheit auf Grund eines Devolutionsantrages anstelle der (säumig gewordenen) nachgeordneten Dienstbehörde erster Instanz erlassen hat, kein Berufungsrecht an den gemäß § 17 Abs. 2 letzter Satz des Poststrukturgesetzes weisungsbefugten Bundesminister für Finanzen zu. Die oben dargelegte Rechtslage nach dem Poststrukturgesetz unterscheidet sich damit erheblich von jener Rechtslage, wie sie z.B. den hg. Beschlüssen vom 24. April 1985, Zl. 84/11/0077, vom 19. Dezember 1985, Zl. 84/08/0123, oder vom 12. Februar 1986, Zl. 84/11/0285, zugrunde lag.
Zur Klarstellung weist der Verwaltungsgerichtshof aber darauf hin, daß bei Säumigkeit der belangten Behörde (sei es als Berufungsbehörde, als mit Devolutionsantrag angerufene oberste Dienstbehörde im Falle der Säumigkeit einer nachgeordneten Dienstbehörde oder als Dienstbehörde erster Instanz) der Bundesminister für Finanzen wegen seiner Weisungsbefugnis nach § 17 Abs. 2 letzter Satz des Poststrukturgesetzes sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist, der im Devolutionsweg nach § 73 AVG vor Einbringung einer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anzurufen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich unter anderem sachlich in Betracht kommende Oberbehörde jene, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können (vgl. dazu z.B. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 24. April 1986, Slg. 12.123/A, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Da auch die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, war dem Antrag in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat stattzugeben.
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