VwGH 96/07/0001

VwGH96/07/000121.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerden der A-Gesellschaft m.b.H. in R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes

von Oberösterreich vom 10. November 1995, Zl. UR-280006/9 - 1995 SZ (96/07/0001), vom 13. Dezember 1995, Zl. UR-280006/18 - 1995 SZ (96/07/0032), vom 13. Dezember 1995, Zl. UR-280006/12 - 1995 SZ (96/07/0033), vom 13. Dezember 1995, Zl. UR-280006/8 - 1995 SZ (96/07/0034), vom 9. Jänner 1996, Zl. UR-280006/19 - 1996 SZ (96/07/0045), vom 12. Jänner 1996, Zl. UR-280006/11 - 1996 SZ (96/07/0046), und vom 12. Jänner 1996, Zl. UR-280006/10 - 1996 SZ (96/07/0047), jeweils betreffend Feststellung der Abfalleigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AWG 1990 §37 Abs3;
AWG 1990 §4 Abs1 Z1;
AWG 1990 §4 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AWG 1990 §37 Abs3;
AWG 1990 §4 Abs1 Z1;
AWG 1990 §4 Abs2;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 89.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 3. April 1991 stellte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) auf Grund eines Antrages der Beschwerdeführerin vom 28. Jänner 1991 auf Feststellung, ob es sich bei Aluminium-Ausläufer und Aluminium-Krätze um Abfall im Sinne des § 4 AWG handle, gemäß § 4 in Verbindung mit § 2 AWG fest, daß es sich bei Aluminium-Ausläufer und Aluminium-Krätze nicht um Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes handle.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 21. September 1994 teilte das Zollamt Braunau der BH mit, daß beim Zollamt Bedenken bestünden, daß es sich bei einer zollamtlich abzufertigenden Sendung von Aluminium-Krätze um bewilligungs- oder bestätigungsbedürftigen Abfall bzw. Altöl handle, weshalb gemäß § 37 Abs. 3 AWG ersucht werde, für diese Sendung von Amts wegen ein Feststellungsverfahren (§ 4 AWG) durchzuführen.

Mit Bescheid vom 22. September 1994 stellte die BH fest, daß es sich bei der am 16. September 1994 beim Zollamt zur zollbehördlichen Abfertigung gestellten Ware mit der Bezeichnung Aluminium-Krätze um Abfall im Sinne des § 2 AWG handle. Die BH begründete diesen Bescheid mit einer ihr vom Landeshauptmann von Oberösterreich übermittelten Mitteilung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie, wonach es sich bei Aluminium-Krätze, Schlüsselnummer 31205 der ÖNORM S 2100 um Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes handle, weshalb es nicht erforderlich gewesen sei, zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf den der nunmehr getroffenen Feststellung entgegenstehenden Inhalt des von ihr erwirkten Bescheides vom 3. April 1991, aus dem eindeutig hervorgehe, daß Aluminium-Krätze kein Abfall sei. Aluminium-Krätze werde weltweit gehandelt, um in Schmelzwerken wiederverarbeitet und damit bestimmungsgemäß verwendet zu werden. Es gebe für Aluminium-Krätze keine andere bestimmungsgemäße Verwendung, sie werde auch niemals deponiert und falle daher unter die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 2 AWG.

Mit dem zu 96/07/0001 angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides legte die belangte Behörde dar, aus welchen Gründen Aluminium-Krätze entgegen der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Auffassung dem objektiven Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG unterliege und darüber hinaus nach § 2 Abs. 5 AWG auch als gefährlicher Abfall zu beurteilen sei. Aus dem Bescheid der BH vom 3. April 1991 sei für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil dieser Feststellungsbescheid auf Grund einer Eingabe ergangen sei, die sich auf eine bestimmte Lieferung von Aluminium-Ausläufer und Aluminium-Krätze gegründet habe. Entschiedene Sache könne durch den Inhalt des Feststellungsbescheides der BH vom 3. April 1991 nicht begründet worden sein. Aus der Verwendung des Begriffes "Sache" im Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 1 Z. 1 AWG ergebe sich, daß Gegenstand der durch einen Feststellungsantrag ausgelösten Verwaltungssache nur eine im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu beurteilende bestimmte Charge bzw. Menge von Aluminium-Krätze gewesen sein konnte, da es Sinn und Zweck eines Bescheides sei, Regelungen für den Einzelfall zu normieren. Da die Identität des Verfahrens notwendig die Identität des Verfahrensgegenstandes voraussetze, welcher sich in einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren in erster Linie nach dem zugrundeliegenden Antrag bestimme, fänden die Rechtskraftwirkungen des Feststellungsbescheides der BH vom 3. April 1991 an der den Gegenstand des seinerzeitigen Feststellungsverfahrens bildenden Charge bzw. Menge ihre Grenze. Dies habe zudem der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie auf dem Erlaßwege klargestellt.

Aus Anlaß weiterer, zur zollamtlichen Abfertigung anstehender Sendungen von Aluminium-Krätze an die Beschwerdeführerin erließ die BH jeweils auf Grund entsprechender Ersuchen des Zollamtes weitere mit dem Inhalt ihres Bescheides vom 22. September 1994 gleichlautende Bescheide mit der gleichlautend auf die §§ 2, 4 und 37 AWG gestützten Feststellung, daß es sich bei den jeweiligen Sendungen von Aluminium-Krätze um Abfall im Sinne des § 2 AWG handle. Die Beschwerdeführerin erhob jeweils inhaltsgleiche Berufungen, welche von der belangten Behörde jeweils mit der im angefochtenen Bescheid vom 10. November 1995 übereinstimmenden Begründung abgewiesen wurden und von der Beschwerdeführerin mit folgenden weiteren Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten worden sind:

Ersuchen des Bescheid angefochtener protokollierte

Zollamtes: der BH: Bescheid: Beschwerde:

29. Sept. 1994 29. Sept. 1994 13. Dez. 1995 96/07/0032

7. Sept. 1994 7. Sept. 1994 13. Dez. 1995 96/07/0033

10. August 1994 16. August 1994 13. Dez. 1995 96/07/0034

29. Sept. 1994 29. Sept. 1994 9. Jän. 1996 96/07/0045

21. Sept. 1994 22. Sept. 1994 12. Jän. 1996 96/07/0046

12. August 1994 20. Sept. 1994 12. Jän. 1996 96/07/0047

Die Beschwerdeführerin beantragt in ihren im

wesentlichen gleichlautenden Beschwerden die Aufhebung der angefochtenen Bescheide aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und leitet eine Rechtswidrigkeit der Bescheide unter anderem auch aus deren Widerspruch zum Bescheid der BH vom 3. April 1991 ab.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und in ihren Gegenschriften jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden

wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und erwogen:

Die für die Beurteilung des Beschwerdefalles

maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes haben folgenden Wortlaut:

"§ 4 (1) Bestehen begründete Zweifel,

1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder nicht,

2. welcher Abfallart die Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist,

3. ob die Sache gefährlicher oder nicht gefährlicher Abfall (Altstoff) ist sowie

4. ob die Sache der Ausnahmeverordnung, BGBl. Nr. 232/1993, in der jeweils geltenden Fassung unterliegt,

hat die Behörde dies von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen.

(2) Im Fall des § 37 Abs. 3 hat die Behörde einen solchen Bescheid von Amts wegen innerhalb einer Frist von zwei Tagen nach ihrer Befassung zu erlassen.

§ 37 ...

(3) Die für eine Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr erforderlichen Bewilligungen (§§ 34 und 35), Bestätigungen (§ 36) und die nach § 19 erforderlichen Begleitscheine sind für die zollamtliche Abfertigung erforderliche Unterlagen im Sinne des § 52 Abs. 4 des Zollgesetzes 1988. Werden diese Unterlagen nicht vorgelegt und hat das Zollamt Bedenken, daß eine bewegliche Sache bewilligungs- oder bestätigungsbedürftiger Abfall oder Altöl ist, hat es vor der Entscheidung über den Abfertigungsantrag ein Feststellungsverfahren (§ 4) zu veranlassen, es sei denn, die Ware wird unverzüglich in das Zollausland zurückgebracht. Bei der Einfuhr obliegt die Prüfung demjenigen Zollamt, bei dem die Stellung nach den zollrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat."

Die wiedergegebenen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes gleichen in der hier interessierenden Hinsicht jenen des § 7 Abs. 3 und des § 9 Abs. 3 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983 in der Fassung dessen Novelle BGBl. Nr. 376/1988. Im Geltungsbereich dieser Vorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof einen den vorliegenden Beschwerdefällen in der maßgeblichen Rechtsfrage völlig gleichenden Beschwerdefall mit seinem Erkenntnis vom 18. März 1994, 90/12/0113, entschieden und dabei folgende Rechtsanschauung ausgedrückt:

"Aus der Systematik der Bestimmung des § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SAG ist jedenfalls abzuleiten, daß sich das amtswegige (über Veranlassung der Zollbehörde) einzuleitende und durchzuführende Feststellungsverfahren ausschließlich auf eine bestimmte Sendung bezieht, die Gegenstand eines Zollverfahrens (aus Anlaß der Ein-, Aus- oder Durchfuhr) ist. Das aus diesem besonderen Anlaß geführte amtswegige Verfahren hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in Verbindung mit der gesetzlich gebotenen kurzen Verfahrensdauer die Sonderabfalleigenschaft nur mit Wirkung der für die Entscheidung für das Zollverfahren bedeutsamen Fragestellung (Erfordernis einer Bewilligung für die Ein-, Aus- oder Durchfuhr nach dem SAG; zu letzterem siehe aber auch § 9 Abs. 3 SAG in Verbindung mit § 9b Abs. 1 Z. 3 SAG jeweils in der Fassung der Novelle 1988) zu klären. Diese anlaßspezifische Einschränkung läßt hingegen das über Antrag nach § 7 Abs. 3 erster Satz SAG durchzuführende Feststellungsverfahren nicht erkennen, das auch nicht unter dem erheblichen Zeitdruck eines binnen zwei Tagen zu ergehenden Bescheides steht. Daher kommt dem über Antrag eingeleiteten Verfahren auch eine umfassende Bindungswirkung zu: Stellt also die Behörde in einem solchen Verfahren über Antrag des Eigentümers/Verfügungsberechtigten fest, daß einem bestimmten Stoff keine Sonderabfalleigenschaft zukommt, so bedeutet dies im Ergebnis, daß er vom Anwendungsbereich des SAG ausgenommen ist und daher auch dessen §§ 9 ff keine Anwendung finden. Daß das für einen Spezialfall vorgesehene amtswegige Verfahren diese umfassende Folgewirkung der auf Antrag vorgenommenen Feststellung einschränken würde, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Zur Klarstellung verweist der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auf folgendes: Die Existenz eines Bescheides, mit dem auf Antrag gemäß § 7 Abs. 3 (erster Satz) SAG rechtskräftig festgestellt wurde, es liege kein Sonderabfall vor, hindert das Zollamt nicht, aus Anlaß der Durchführung eines Zollverfahrens ein Verfahren nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 SAG zu veranlassen. Stellt sich jedoch in diesem Verfahren heraus, daß die Sendung unter den rechtskräftigen Bescheid nach § 7 Abs. 3 erster Satz fällt, hat dies die Behörde im Verfahren nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 SAG zu beachten."

Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Betrachtungsweise auch im Anwendungsbereich der Bestimmung der §§ 4 und 37 Abs. 3 AWG für geboten. Die Erwägungen des hg. Erkenntnisses vom 18. März 1994, 90/12/0113, gelten in gleicher Weise auch für die gleich gelagerten Regelungen des Abfallwirtschaftsgesetzes. Es hat die belangte Behörde in ihren Gegenschriften trotz des in der Mehrzahl der Beschwerden getroffenen Hinweises der Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, 90/12/0113, nichts aufzuzeigen versucht, was einer Anwendbarkeit der Erwägungen dieses Erkenntnisses im Geltungsbereich des Abfallwirtschaftsgesetzes entgegenstünde; auch der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat von seinem ihm nach § 22 VwGG eröffneten Recht trotz gebotener Gelegenheit keinen Gebrauch gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, im Anwendungsbereich der §§ 4, 37 Abs. 3 AWG von der zum Anwendungsbereich der §§ 7 Abs. 3 und 9 Abs. 3 des Sonderabfallgesetzes gewonnenen Rechtsabsicht abzurücken. Das in den angefochtenen Bescheiden gewonnene Verständnis vom Rechtskraftumfang des Bescheides der BH vom 3. April 1991 nach Maßgabe einer im dortigen Verfahren konkret geprüften "Charge bzw. Menge" steht im offenen Widerspruch zu Spruch und Begründung dieses Bescheides. Daß der vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie unternommene Versuch, die Rechtskraftwirkung von Feststellungsbescheiden nach § 4 AWG auf dem Erlaßwege zu bestimmen, von vornherein absolut untauglich war, bedarf keiner Erörterung, weshalb der diesbezügliche Hinweis den Standpunkt der angefochtenen Bescheide in keiner Weise tragen konnte.

Aus den Gründen des mehrfach zitierten hg. Erkenntnisses vom 18. März 1994, 90/12/0113, auf die gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG verwiesen werden kann, waren somit auch die mit den vorliegenden Beschwerden angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, womit sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Beschwerden erübrigte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens gründet sich auf überhöht verzeichnetem Stempelgebührenaufwand deswegen, weil der für den Mängelbehebungsschriftsatz verzeichnete Stempelgebührenaufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch Beachtung der Bestimmung des § 29 VwGG nicht erforderlich war.

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